Der Terrorismus in Italien und Südtirol

Neue Quellen für eine neue Geschichtsschreibung?

Donnerstag, 01. Dezember 2016 | 13:38 Uhr

Von: mk

Bozen – Das Kompetenzzentrum für Regionalgeschichte der Freien Universität Bozen organisiert einen Vortragsabend mit Paola Carucci, Christoph Franceschini und Giorgio Mezzalira zu neuen Perspektiven der Forschung zum Terrorismus in Italien und Südtirol. Der von Andrea Di Michele moderierte Abend findet am Mittwoch, 7. Dezember 2016 um 18.00 Uhr an der Freien Universität Bozen, Raum C2.06 statt.

In den vergangenen 15 Jahren hat die Terrorismus-Forschung eine Blütezeit auf internationaler Ebene erfahren. Das erklärt sich einerseits durch den Anschlag vom 11. September 2001, wodurch dem Terrorismus als Forschungsthema wieder zentrale Bedeutung zukam. Es entstanden auf die politische Gewalt spezialisierte wissenschaftliche Einrichtungen und Zeitschriften, die das Augenmerk auf die Gegenwart legen.

In den vergangenen zwei Jahrzehnten hat sich aber auch viel im Bereich der historischen Forschung getan, wobei dem italienischen Terrorismus besondere Aufmerksamkeit zukam. Auch dieses Phänomen ist eine Folge des neuen internationalen terroristischen Ausnahmezustandes: Historiker und Beobachter suchten Analogien und Unterschiede in Bezug auf die längste, virulenteste und gefährlichste Phase der politischen Gewalt der vergangenen Jahrzehnte. Eine wichtige Rolle spielte dabei auch die zeitliche Distanz und das Heranwachsen einer neuen Generation von Historikern und Historikerinnen, die nicht mehr direkt von den Ereignissen betroffen waren und sich dadurch den historischen Sachverhalten mit mehr Distanz näherten und die historischen Analyse in den Mittelpunkt rückten. Die dritte Ursache liegt in der heutigen Möglichkeit, neue und reichere Archivquellen für die Forschung auszuwerten.

Der Vortragsabend mit dem Titel „Der Terrorismus in Italien und Südtirol: neue Quellen für eine neue Geschichtsschreibung?“ möchte genau diesen Aspekt thematisieren. Durch verschiedene Gesetzesänderungen wurden in den letzten Jahren einige Archivbestände zu tragischen Ereignissen des Terrorismus öffentlich zugänglich gemacht, von der Ermordung Aldo Moros bis zu den Blutbädern von Piazza Fontana, (1969), Piazza della Loggia in Brescia (1974), Italicus (1974), Hauptbahnhof von Bologna und andere mehr. Eine tatsächliche Wende wurde mit dem Erlass der Richtlinie von Prodi 2008 und jener von Renzi 2014 eingeleitet. Einige Jahre nach diesen Verordnungen ist es an der Zeit sich zu fragen, wie sich diese konkret ausgewirkt haben, ob es Schwierigkeiten im Prozess der Zugänglichmachung gibt und ob sich der historischen Forschung neue Perspektiven eröffnet haben.

Diese Fragen sind sowohl von nationaler als auch von regionaler Bedeutung. Die Forschung zum Südtirolterrorismus scheint sich um die Frage zu drehen, welche Rolle er in den Verhandlungen spielte, die zum Zweiten Autonomiestatut geführt haben. Befürwortern der These, dass die Bomben den Verhandlungswillen gestützt hätten, stehen jene gegenüber, die den Terrorismus als Störfaktor sehen, der die Verhandlungen verzögert hat. Es ist an der Zeit sich zu fragen, ob das Vorliegen von neuen Quellen auch das Spektrum der Fragen zu den Bombenjahren ausweitet und somit einer Geschichtsschreibung Aufschwung verleiht, die viel nachzuholen hat.

Der Vortragsabend wird von Paola Carucci eröffnet, eine wichtige Vertreterin des nationalen Archivwesens und der Terrorismusforschung. Sie hat das Archivio Centrale dello Stato in Rom und dann das Archivio storico della Presidenza della Repubblica geleitet; sie war Professorin für Archivwissenschaften an den Universitäten Mailand und Rom und sie war auch als Beraterin für die Staatsanwaltschaft am Gericht in Rom tätig, wo sie Expertengutachten zum Gladio-Archiv und zum Archiv des Innenministeriums durchgeführt hat. Sie hat zahlreiche Publikationen zur Archivtheorie und -gesetzgebung und zur Geschichte der Institutionen vorzuweisen. Sie wird über die gesetzlichen Neuerungen im Archivwesen berichten und über deren Auswirklungen auf die historische Forschung.

Zwei bekannte Lokalhistoriker werden die regionale Ebene diskutieren: Christoph Franceschini und Giorgio Mezzalira, die beide neue Quellen zum Südtirolterrorismus in nationalen und internationalen Archiven einsehen konnten. Sie werden über die neuen Quellenbestände berichten und über ihre Verwertbarkeit. Am Ende der Veranstaltung wird der Diskussion breiter Raum gewährt.

Termin
Der Terrorismus in Italien und Südtirol: neue Quellen für eine neue Geschichtsschreibung?
Paola Carucci, Christoph Franceschini, Giorgio Mezzalira
Moderation: Andrea Di Michele
Mittwoch, 7. Dezember 2016, 18 Uhr
Bozen, Freie Universität Bozen, Raum C2.06

Bezirk: Bozen