Von: ka
Bozen/Schnals – Viele Geheimnisse über den Mann aus dem Eis sind 30 Jahre nach seiner Entdeckung gelüftet: Wir wissen heute, wie und wo er gelebt hat, wie er ums Leben gekommen ist, was seine letzte Mahlzeit war, welche Krankheiten ihn plagten. Am 20. September organisiert Eurac Research das digitale Symposium „Iceman -quo vadis“. Experten zeigen darin auf, welches Potential noch in der Ötzi-Forschung steckt.
Die Wissenschaft ist sich einig: Ötzi ist ein Jahrtausendfund. „Was mich am meisten überrascht hat als ich die 5300 Jahre alte Gletschermumie zum ersten Mal gesehen habe ist, dass sich der Körper trotz seines immensen Alters nicht wesentlich von den zeitgenössischen Toten unterscheidet“, erinnert sich der ehemalige Konservierungsbeauftragte und Pathologe Eduard Egarter Vigl. Ötzi ist nicht nur erstaunlich gut erhalten, er ist auch eine einzigartige Momentaufnahme des realen frühgeschichtlichen Lebens in den Alpen. „Im Unterschied zu den ägyptischen oder südamerikanischen Mumien, mit denen ich es bis dato zu tun hatte, war Ötzi kein Grabfund,“ erzählt Albert Zink, Leiter des Instituts für Mumienforschung an Eurac Research. Man habe ihn nicht nach bestimmten Ritualen mumifiziert und beigesetzt. Der rund 45 Jahre alte Mann sei nach einer gewaltsamen Auseinandersetzung einfach am Berg liegen geblieben.
Seit seiner Entdeckung vor 30 Jahren, am 19. September 1991, wurde er umfangreich untersucht: Der Mann aus dem Eis litt unter anderem an Karies und verkalkten Gefäßen. In seinem Magen fanden sich Überreste des Bakteriums Helicobacter pylori, das heute noch etwa die Hälfte der Weltbevölkerung in sich trägt. Ötzis Beifunde und Kleidung, aber auch Ausgrabungen von Siedlungsresten im Tal haben die alpine Kupfersteinzeit neu geschrieben.
Mittlerweile haben über 5,5 Millionen Menschen aus aller Welt den Mann aus dem Eis gesehen. „Der Fund beziehungsweise die Person Ötzi berührt emotional und beschäftigt die Menschen auch über den Museumsbesuch hinaus“, meint Angelika Fleckinger, Direktorin des Südtiroler Archäologiemuseums, Bozen.
Und er beschäftigt nach wie vor die Forschung. Am 20. September lädt Eurac Research zu einem öffentlichen, digitalen Symposium, bei dem es um die Zukunft der Ötzi-Forschung geht. So kann der Mann aus dem Eis wichtige Impulse für die Mikrobiom-Forschung liefern. Die medizinische Forschung entdeckt gerade die Bedeutung der Bakterienbesiedlung – also der Billionen Mikroben, die am und im Menschen leben. Man vermutet zum Beispiel, dass die zunehmende Anfälligkeit für bestimmte Erkrankungen und Allergien damit zusammenhängt, dass das humane Mikrobiom durch den Lebensstil unserer westlichen Zivilisation – den Einsatz von Antibiotika oder die Ernährung mit stark veränderten Lebensmitteln – dramatisch schrumpft.
Mumien und menschliche Überreste aus unterschiedlichen Zeitepochen können vor diesem Hintergrund Aufschluss über die Evolution des Mikrobioms geben und wichtige Erkenntnisse für die moderne Medizin liefern. Ebenfalls neue Erkenntnisse liefert die Forschung zur Geschichte des Iceman sowie der Alpenvölker in prähistorischer Zeit und ihrer Rolle bei der Besiedlung Europas ab der Jungsteinzeit.
Das digitale Symposium „Iceman – quo vadis“ findet am Montag, 20. September von 13.00 bis 16.45 Uhr in englischer Sprache statt. Unter den namhaften Rednern ist auch Johannes Krause, Autor des Spiegel-Bestsellers „Die Reise unserer Gene. Eine Geschichte über uns und unsere Vorfahren“ und Direktor am Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig.
Die Online-Veranstaltung ist öffentlich zugänglich, die Teilnahme kostenlos. Anmelden kann man sich unter: https://bit.ly/3hBj6eB
Hier finden Sie das detaillierte Programm der Veranstaltung: https://bit.ly/3Ak9496