Von: mk
Bozen – Im Rahmen der vom Kompetenzzentrum für Regionalgeschichte der Freien Universität Bozen ausgerichteten Vortragsreihe „Die Reformation. Eine 500-jährige Geschichte“ spricht Peter Blickle, emeritierter Professor der Universität Bern und einer der besten Kenner der Geschichte der Bauernkriege, zum Thema „Ausgehandelte Verfassung. Die revolutionäre Kraft der Reformation in den Alpenländern“.
Zwar gilt als Ursache der Bauernkriege von 1525 nicht unmittelbar die Reformation, sondern soziale und wirtschaftliche Notstände der Bauern, trotzdem ist der Zusammenhang zwischen der Neugestaltung der Religion und der Revolution des gemeinen Mannes (Peter Blickle) offensichtlich. In den Bauernkriegen manifestiert sich die sozialrevolutionäre Kraft der Reformation am deutlichsten. Der Bauernkrieg von 1525 erfasste große Teile des Reiches, vom Elsass bis in die Steiermark und von Thüringen bis zur italienischen Sprachgrenze. Schätzungen gehen davon aus, dass zu den Aufständischen etwa eine Million Menschen zählten, die über ihre Dörfer und Landschaften Beschwerden bei ihren Obrigkeiten, den Fürsten und Bischöfen, den Prälaten, Grafen und Rittern, einreichten. Dabei ging es nicht nur um die Verringerung wirtschaftlicher Belastungen (Abgaben, Steuern, Fronen), sondern auch um Sicherung und Erweiterung der gemeindlichen Rechte (Gerichtsbarkeit, Gesetzgebung), Verbesserung des persönlichen Status (Leibeigenschaft) und eine grundlegende Reform der Kirche (reines Evangelium, Pfarrerwahl).
Zu gemeinsamen Aktionen der Aufständischen ist es nicht gekommen, vielmehr hat der Bauernkrieg stark regionale Ausprägungen erfahren. In den Alpenländern war sein Zentrum zweifellos Tirol, mit Ausstrahlungen nach Graubünden und Salzburg. Gemeinsam war diesen Ländern schon im Spätmittelalter eine stark republikanische Bewegung, die eine Verlagerung politischer Rechte vom Adel auf die Dorf-. Land-, Markt-, Stadt- und Berggemeinden betrieb und folglich auch auf die Landesverfassung einwirkte, zunächst nur mit geringem Erfolg. Allerdings gelang es Bauern und Bürgern nach und nach, in einer typischen Verfassungseinrichtung der Alpenländer Fuß zu fassen – in den Landtagen (der Grafschaft Tirol, des Erzstifts Salzburg und des Hochstifts Chur). Diese wurden 1525 die Plattform, auf der die Beschwerden behandelt wurden, auf ihnen entwickelte sich eine Dynamik, wie auf keinem Landtag zuvor. Die Beschleunigung und Radikalisierung verdankt sich wesentlich der Reformation, die im Erfolgsfall die Säkularisation der Kirche zur Folge gehabt hätte. In Tirol hat sie zum Ausschluss des Ersten Standes (Geistlichkeit) auf dem Landtag in Innsbruck geführt, in Salzburg dachte man daran, den bischöflichen Landesherrn zu entmachten und auf Pension zu setzen.
Peter Blickle ist emeritierter Professor der Universität Bern und der beste Kenner der Geschichte der Bauernkriege im deutschsprachigen Raum. Er spricht im Rahmen der Vortragsreihe „Die Reformation. Eine 500-jährige Geschichte“ am 4. November 2016 um 17.30 Uhr zum Thema „Ausgehandelte Verfassung. Die revolutionäre Kraft der Reformation in den Alpenländern“ (Freie Universität Bozen, Hörsaal C4.01).