Von: apa
Stefan Wimmer begeistert und polarisiert mit dem Mix “aus klassischer subversiver Komödie und Screwball-Comedy”, wie er seine Romane beschreibt. Mit “Die 12 Leidensstationen nach Pasing” (2019) entführte er in die 80er und stellte die Kajal-Clique vor. Diese Münchner Teenager erleben in der Fortsetzung “Lost In Translatione” in Italien sexuelle Freiheiten. “Keines meiner Bücher bisher hat so viel Sex wie dieses”, sagt der Autor. Nicht nur deshalb wollte es kein großer Verlag.
“Der Roman ist von allen abgelehnt worden”, erzählt Wimmer im Interview mit der APA. “Mehr oder minder kategorisch, obwohl der Vorgänger super Kritiken bekommen hat.” Eigentlich hätten sie schon “Die 12 Leidensstationen nach Pasing” nicht gemocht – von Bestseller-Autor Benedict Wells als “Kultbuch” bezeichnet. Auf Facebook lobte Wells: “Eine hinreißende, witzige Coming-of-age-Geschichte mit viel Zeit- und Lokalkolorit (…).”
In “Lost In Translatione” begeben sich die Protagonisten, darunter der junge Wimmer selbst, auf Urlaub und erleben alle möglichen Verwicklungen und amourösen Abenteuer, bei denen sich Wimmer nicht mit expliziten Beschreibungen zurückhält. “Die Grenze nach Italien zu überschreiten, war so wie einen neuen Kontinent zu betreten”, erinnert sich der 1969 geborene Schriftsteller an seine eigenen Erfahrungen. “Ich übertreibe in dem Buch nicht mit der sexuellen Freiheit, die dort herrschte. Wenn ich heute in Ländern wie Italien oder Spanien bin, kann ich nur staunen, wie gleichgeschaltet und verändert die Leute unserer Generation, aber auch der jungen Generation sind.”
Die lange zweijährige Suche nach einem Verlag habe nicht nur an den sexuellen Inhalten gelegen: Ablehnungen wurden von Cheflektoren auch damit begründet, “weil die Clique, die Sie da schildern, viel zu wenig divers ist, keine Mitglieder mit Migrationshintergrund hat und das Buch zu bayrisch ist vom Humor her”, so Wimmer. “Es gehört in der Tat Mut dazu, eine Realität zu beschreiben, wie sie in den Achtzigern war, als sich die gesellschaftlichen Zustände von den heutigen unterschieden.”
Auf Wikipedia ist über Wimmers Arbeit zu lesen: “Obwohl sich seine Bücher durch derben Humor und eine burleske, fast comedyhafte Handlung auszeichnen, wurden sie im Feuilleton überraschend gut besprochen.” Dem widerspricht der Autor zum Teil: “Seit ich angefangen habe zu schreiben, werde ich vom klassischen deutschen Feuilleton bewusst ignoriert. Es gibt einen gewissen Kreis von Unterstützern bei der Presse. Von den Öffentlich-Rechtlichen will derzeit kein einziger was über das neue Buch machen. Ich habe 20 Jahre für einen Öffentlich-Rechtlichen gearbeitet. Inzwischen sitzen da nur noch Öko-Stalinisten in den Kulturredaktionen.”
“Lost in Translatione” vermittelt das Flair eines Jahrzehnts, seine Songs, seine Mode und sein Lebensgefühl, gesprochen wird in der damaligen Jugendsprache, politische Korrektheit darf man da nicht erwarten. “Ich schreibe sehr realistische Literatur”, betont Wimmer. “Man merkt einem Buch an, ob viel erfunden wurde. Deshalb gefällt mir vieles auf dem Buchmarkt nicht, weil sofort klar wird, dass alles nur erdacht wurde. Bei mir entsprechen 70 Prozent der Wahrheit. Natürlich muss ich das alles dramaturgisch umbauen und mit Szenen versehen. Das ist der Arbeitsaufwand der Komödie.”
Die Lektoren lagen mit dem Argument nicht falsch, dass “Lost In Translatione” sehr regional verankert ist. “Ich glaube, regionale Besonderheiten haben weltliterarischen Wert”, entgegnet dem Wimmer. “Die Österreicher mögen meine Sachen. Wir sind im Grunde verwandt in der sprachlichen Herkunft und wahrscheinlich auch im Humorverständnis. Ein Buch, das ich immer sehr geliebt habe, war ‘Jenseits der großen Sümpfe’ von Erwin Moser – ein Kinderbuch über einen Hochsommer im Burgenland. Dabei gefiel mir genau dieses Regionale, aber zeitlose und überregional Verständliche.”
Apropos Alpenrepublik: Wimmer hat bereits den letzten Teil seiner Kajal-Clique-Trilogie fertig. “Da ist die Klasse auf Skilager in Österreich. Da gibt es natürlich wieder Verwicklungen mit sehr strengen Altgriechischlehrern, Mitschülern und der Konkurrenz-Clique. Recht viel Remmidemmi und Rabatz”, schmunzelt der Autor.
(S E R V I C E – Stefan Wimmer: “Lost In Translatione”, Blond Verlag, 288 Seiten, 18 Euro)