Von: luk
Bozen – Yassin En Naimi, 34 Jahre alt und in Bozen geboren, nennt sich selbst schlicht „Quello che trova i posti“ – „Der, der die Orte findet“. Im Internet ist er besser bekannt als “Yakinop, der Bürgermeister”. Sein außergewöhnliches Talent: Er spürt die exakten Schauplätze von Fotos oder Videos auf, die im Netz kursieren. Dabei verlässt er sich nicht nur auf offensichtliche Hinweise, sondern analysiert Details wie Kleidung, Verkehrsschilder oder architektonische Besonderheiten. Die Ergebnisse teilt er anschließend in seinen Videos auf den sozialen Netzwerken – und begeistert damit eine stetig wachsende Fangemeinde.
Vom Gamer zum digitalen Detektiv
Seine Leidenschaft begann eher zufällig. “Ich habe ursprünglich auf Twitch Videospiele gestreamt, vor allem Fortnite”, erzählt En Naimi dem Corriere della Sera. 2019 zog er nach Mailand, wo er mit einem professionellen Spieler zusammenlebte. “Da ich seine Konsole nicht nutzen konnte, suchte ich nach einer neuen Herausforderung und entdeckte GeoGuessr, ein Spiel, bei dem man den Standort erraten muss, an dem man sich virtuell befindet.”
Der Start sei holprig gewesen: “Einmal verwechselte ich Argentinien mit Neapel – wegen eines Maradona-Plakats”, erinnert er sich lachend. Doch aus dem Spiel wurde bald ein ernsthaftes Hobby und schließlich sogar sein Beruf.
„Yakinop“ – ein Spitzname mit Geschichte
Die Entstehung seines Künstlernames war kurios: “Meine Patentante konnte ‚Yassin‘ nicht aussprechen und nannte mich ‘Yaki’. Später wurde daraus ‘Yakino’, weil ich sehr dünn war, und schließlich ‘Yakinop’ – das ‘p’ kam dazu, weil auf Twitch mein Name schon vergeben war.”
Der Titel “der Bürgermeister” stammt hingegen aus seiner Fortnite-Zeit: “Ich landete im Spiel immer in derselben Zone, also nannten mich die anderen irgendwann so.”
200 Stunden für ein einziges Foto
Heute widmet sich En Naimi ganz der Spurensuche im Netz. Die Fotos, die er analysiert, werden ihm häufig von Followern vorgeschlagen. “Ich wähle nur Bilder, deren Orte nicht sofort erkennbar sind – sonst fehlt der Reiz der Herausforderung.”
Sein Aufwand ist enorm: “Für einfache Recherchen brauche ich zwei bis drei Stunden, für die schwierigsten bis zu 200.” Manche Nächte verbringt er komplett vor dem Computer.
Eines seiner härtesten Projekte sei noch unveröffentlicht: “Ein Bild aus Kasachstan zeigte nur eine Landstraße und eine Leitplanke. Um den Ort zu finden, habe ich alle Fahrtrichtungen des Landes kartiert.” Die Obsession habe ihn fast den richtigen Job als Werbetexter gekostet, gesteht er.
Emotionale und außergewöhnliche Fälle
Neben der technischen Herausforderung berühren En Naimi vor allem die menschlichen Geschichten hinter den Bildern. Besonders bewegend war für ihn der Fall eines adoptierten Jungen, der ihm das einzige Foto seiner leiblichen Eltern schickte – aufgenommen auf einer Boje. “Ich fand den Ort heraus und konnte den Kontakt zwischen ihnen wiederherstellen.”
Am meisten stolz ist er aber auf eine scheinbar banale Recherche: “Ein Werbeplakat zeigte nur das Spiegelbild einer Straße in einem Verkehrsspiegel. Trotzdem gelang es mir, den Ort zu finden, auch wenn das Video kaum Klicks bekam.”
„Ein Algorithmus wird mich nicht ersetzen“
Seine Videos enden stets mit einem augenzwinkernden “Facile, no?” – “Einfach, oder?”. Dabei war das am Anfang keineswegs so: “Früher scheiterte ich bei jeder vierten Suche, heute gelingt mir fast jede.”
Zur Frage, ob künstliche Intelligenz ihn bald ablösen könnte, meint er: “Vielleicht in ein paar Jahren, wenn es eine multimodale KI gibt, die alle verfügbaren Daten verknüpft. Aber sie wird nie die menschliche Neugier oder den emotionalen Kontakt ersetzen.”
Zukunftspläne fernab der Social Media
Obwohl er mit seinen Videos bekannt geworden ist, sieht En Naimi seine Zukunft woanders. “Ich möchte eine Kette von Escape Rooms eröffnen. Ich liebe Rätsel und logisches Denken – aber Content Creator werde ich nicht ewig bleiben.”
Eine Bezahlung für seine Arbeit lehnt er bislang ab: “Ich mache das aus Leidenschaft.”
Und welchen Ort in seiner Heimatstadt Bozen würde er sofort wiedererkennen? “Die Baristraße, wo ich aufgewachsen bin.”




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