Von: apa
Frauen in allen denkbaren Rollen des Lebens – von der Nonne über die Mutter, von der Tochter über die Geliebte, von der Prostituierten bis zur Putz- oder der Transfrau – sind die Protagonistinnen im Œuvre von Pedro Almodóvar. Spaniens großer Filmemacher, dem spätestens mit “Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs” der internationale Durchbruch gelang, war und ist der Meister des weiblichen Blicks auf die Welt. Am Mittwoch (25. September) feiert der Regisseur 75. Geburtstag.
Wie passend, dass er in seinem persönlichen Jubiläumsjahr wiederum mit einem Werk Erfolge feiert, in dem zwei Frauen die Hauptrolle spielen: “The Room Next Door” mit Tilda Swinton und Julianne Moore wurde jüngst in Venedig mit dem Goldenen Löwen geehrt – und das als erster englischsprachiger Spielfilm des Vielarbeiters. Dass bei Almodóvar stets weibliche Hauptcharaktere die Filme führen, ist nicht das einzige Merkmal des Leinwandästheten. Neben Sex und Drogen sind es vor allem die opulenten Farben seiner Sets, die Mischung der Stile und die bisweilen gewundenen Erzählungen, die sein Werk prägen.
Heutige Leinwandstars wie Penélope Cruz, Carmen Maura oder Paz Vega wurden dank ihm zu dem, was sie heute sind und bildeten die sogenannten Chicas Almodóvar, die Almodóvar-Girls. “Er zollt der Frau ständig Tribut. Es ist ein großes Glück, dass wir jemanden haben, der so gute Sachen für die Frau schreibt, der uns so gut versteht”, zeigte sich Cruz vor wenigen Jahren dankbar gegenüber ihrem Mentor, dem sie die Grundlagen ihrer Hollywoodkarriere zu verdanken hat, was übrigens auch für Antonio Banderas gilt. In zahlreichen Arbeiten Almodóvars spielt der Frauenschwarm eine Rolle, wobei der Ritterschlag 2019 mit der Hauptrolle als Alter Ego des Regisseurs im stark autobiografisch gefärbten “Leid und Herrlichkeit” erfolgte.
Almodóvar, der weder aus seinem Atheismus noch seinem Schwulsein je einen Hehl machte, gab stets Minderheiten eine Stimme in seinen Filmen, war ein Sprachrohr der Gegenkultur, die dann von der Mehrheitsgesellschaft absorbiert wurde. Geschult wurde diese prononcierte Haltung des Regisseurs, der stets traumwandlerisch zwischen Kunst und Kitsch changiert, zu Zeiten der faschistischen Franco-Diktatur in Spanien. Im 4.000-Seelen-Nest Calzada de Calatrava in Kastilien-La Mancha und später in der Extremadura wuchs Almodóvar als Kind von Landarbeitern auf.
Die provinzielle Ödnis ließ der junge Pedro bereits mit 16 Jahren hinter sich, als er – nach eigenen Worten bereits damals kinosüchtig – ohne Geld und Familie nach Madrid zog. Die Filmakademie hatte die faschistische Regierung geschlossen, so blieb dem angehenden Cineasten nichts anderes übrig, als das Handwerk im Selbststudium zu lernen – oder besser gesagt im Selbsttun. Mit seinen Kurzfilmen als Teil der “Movida”, der oppositionellen Kulturbewegung der 70er und 80er, machte sich Almodóvar schnell einen Namen.
Den ersten Langfilm “Pepi, Luci, Bom und der Rest der Bande” (1980) realisierte der Jungfilmer noch ohne Budget – Unbilden, mit denen er sich bald nicht mehr herumschlagen musste, feierte er doch mit Werken wie “Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs”, “Fessle mich!” oder “Alles über meine Mutter” frühe Erfolge. Mit dem 1983 entstandenen “Kloster zum heiligen Wahnsinn” stieß er indes noch auf Widerstand, verweigerten ihm doch die Filmfestspiele von Venedig die Teilnahme am Wettbewerb. Eine lesbische Ordenschefin, die sich Heroin spritzt, war dann doch zu viel des Guten für den Lido. Mittlerweile dürften mit dem heurigen Goldenen Löwen die Fronten aber auch hier befriedet sein. Außerdem war er in der Lagunenstadt bereits 2019 für sein Lebenswerk geehrt worden. Apropos Auszeichnungen: Nicht zuletzt kann Almodóvar auf zwei Oscars verweisen, so 2000 auf den Auslandsoscar für die Tragikomödie “Alles über meine Mutter” und drei Jahre später auf die Drehbuchstatuette für “Sprich mit ihr”. Und am Donnerstag wird Almodóvar beim Filmfestival in San Sebastian mit dem Donostia Award für sein Lebenswerk geehrt.
Doch so groß die Erfolge in der Filmwelt auch ausfallen, blieb Almodóvar doch stets ein allumfassender Künstler, der sich nicht nur auf der Leinwand verwirklichte. Er war Comicautor und reüssierte im Madrider Nachtleben mit seiner Punkband The Black Kiss Dolls. 1983 veröffentlichte er den Roman “Patty Diphusa” als fiktives Tagebuch eines Fotonovela-Pornostars. Das Verbindende: sittsam und leise war der Agent Provocateur in keiner Gattung. Auch nicht mit einem Dreivierteljahrhundert am Buckel. “Ich spüre, wie knapp die Zeit ist, und denke darüber nach, was mir noch bleibt. Ich habe viel Stress, weil ich sie optimal nutzen möchte”, beschied er jüngst der spanischen “Vogue”. Na dann, weiter geht’s.