Von: ka
Turin – In wenigen anderen Berufen kann man sich so viele Feinde machen wie in der Meteorologie. Als Überbringer schlechter Nachrichten, etwa einer Schlechtwetterprognose mitten in der Hochsaison, ziehen sich die „Wetterfrösche”, die ihren Beruf ernst nehmen, den Zorn der Touristiker zu. „Ich werde fast jeden Tag wegen meiner Wettervorhersagen bedroht. Ich erhalte Beschimpfungen von Hoteliers, Ärzten und Skilehrern“, klagt Andrea Vuolo, Meteorologe bei Meteo Piemonte.
Zu ihnen gesellen sich seit geraumer Zeit die Klimaleugner und Verschwörungstheoretiker, die glauben, dass die Meteorologen und Klimaforscher zum Schaden der Gesellschaft mit „obskuren Mächten” unter einer Decke stecken. „Extreme Wetterereignisse werden als Fake News angesehen, der Klimawandel als Propaganda. Pseudowissenschaftler, die Verschwörungstheorien anhängen, zwingen mich dazu, die Kommentare zu unterbinden. Aber das ist leider eine Niederlage für uns alle“, seufzt der Meteorologe aus dem Piemont, der die ständigen Anfeindungen satt hat.
„Jedes Mal, wenn ich eine Wetteraktualisierung veröffentliche, hagelt es Beleidigungen und Drohungen. Wenn ich über den Klimawandel schreibe, dann erhalte ich sogar einen regelrechten Shitstorm. Obwohl alles auf wissenschaftlichen Daten basiert, die im Internet einsehbar sind, wird die Arbeit der wissenschaftlichen Gemeinschaft ständig verunglimpft. Viele fragen mich tatsächlich, ob ich mit den Mächtigen verbunden bin, und fügen hinzu, dass das alles erfunden sei, weil ich dafür bezahlt würde, die Politiker zufriedenzustellen. Ich bin es langsam leid“, beklagt sich Andrea Vuolo.
Andrea Vuolo ist ein Meteorologe aus Turin und betreibt in den sozialen Netzwerken die Seite „Meteo in Piemonte“. Für Tausende von Bürgern der oberitalienischen Region ist sie die erste Wahl, wenn sie eine Wettervorhersage suchen. Seit dem 1. Januar 2025 hat die Seite fast 70 Millionen Aufrufe verzeichnet, was verdeutlicht, wie sehr die Meteorologie Teil des Alltags der Menschen und Gegenstand von ständigen Diskussionen geworden ist, zu denen auch politische und gesellschaftliche Debatten gehören.
Da diese Debatten oft von Klimaleugnern und Verschwörungstheoretikern beherrscht werden, kann es dabei zu extremen Auswüchsen kommen. „Mittlerweile gibt es eine Flut von völlig unangebrachten und oft abfälligen Äußerungen“, sagt Vuolo. „Das geht so weit, dass sogar die Italienische Meteorologische Gesellschaft nun Kommentare blockiert. Hinter den Zahlen meiner Beiträge stecken Stunden freiwilliger Arbeit, Echtzeit-Updates und sorgfältig durchgeführte Messungen von semiprofessionellen Wetterstationsnetzen. Am meisten schmerzt mich, dass hinter den Beleidigungen oft Hoteliers, Ärzte oder Skilehrer stecken, also Menschen, die meine Eltern sein könnten, die sich aber hinter einer Tastatur stark fühlen“, erklärt der Meteorologe aus dem Piemont.
Der letzte Beitrag in den sozialen Medien, der für Aufregung sorgte, war der über den Monte Rosa und einen Gletscherabbruch. „Es ist dasselbe wie bei den Hagelbildern, von denen mir gesagt wird, dass sie eigens dazu gefälscht wurden, um falsche Nachrichten zu verbreiten. Dass die Meteorologie ein Thema von absolut öffentlichem Interesse ist, ist bekannt. Wir sind jedoch die ständigen Beleidigungen und Schikanen leid, denen wir seit Jahren bei jedem Beitrag ausgesetzt sind, der sich mit dem Klimawandel oder der Berichterstattung über intensive Wetterphänomene befasst, die leider auch in unserer Region immer häufiger auftreten“, seufzt Vuolo.
„Dass die Beleidigungen von funktionalen Analphabeten, die sich hinter Fake-Profilen verstecken, sowie von Klimawandelleugnern kommen, stört mich nicht mehr“, fährt der Meteorologe fort. „Im Gegenteil, oft lache ich darüber, lösche die Kommentare dann direkt und sperre den Nutzer endgültig. Aber dass Beleidigungen und herabwürdigende Nachrichten – auch privat – von Lehrern, Skilehrern, Ingenieuren und Ärzten gegenüber einem Meteorologen kommen, der seinen Beruf seit Jahren mit höchster Seriosität ausübt, ist wirklich widerlich. Oft sind es Menschen, die fast doppelt so alt sind wie ich. Das bestätigt die geistige und gesellschaftliche Spaltung, die wir immer stärker erleben. Hier wird niemand dafür bezahlt, sich für oder gegen den Klimawandel zu positionieren. Ich bin von Beruf Meteorologe und versuche, mein Wissen weiterzugeben. Ich analysiere Daten und präsentiere überprüfbare und unumstößliche Fakten“, so Andrea Vuolo.
Aus diesem Grund hat der Meteorologe nach seinem emotionalen Beitrag vom 15. September, auf den heute Hunderte solidarische Kommentare folgten, beschlossen, alle Nutzer zu blockieren, die ihn beleidigen. „Man kann keine wissenschaftlichen Meinungen ohne Grundlage äußern, ohne sich damit auseinandergesetzt zu haben, und versuchen, Tausende von Menschen zu sehr komplexen Themen zu beeinflussen – erst recht nicht zu einem so wichtigen Thema wie dem Klimawandel“, betont Vuolo.
„Leider wird durch die Sperrung der Kommentare zu den Beiträgen auch die Interaktion mit den höflichen, begeisterten und freundlichen Nutzern wegfallen, die mir täglich mit Interesse folgen, um etwas Neues zu lernen oder sich über die zu erwartenden Wetterbedingungen in unserer Region zu informieren. Gleichzeitig ist es jedoch, wie Sie sicher verstehen, fast unmöglich geworden, mit der Flut von nutzlosen Kommentaren, Schimpfwörtern, Beleidigungen und Streitigkeiten Schritt zu halten, die oft einige Beiträge prägen. Und die mir leider auch den Tag verderben können. Denn obwohl Sie uns virtuell immer nur hinter einem Bildschirm sehen, sind auch wir nur Menschen, die sich zumindest ein wenig Verständnis und Respekt wünschen.“ So begründet der Meteorologe seine Entscheidung, mit der er selbst nicht glücklich ist.
Das Wetter kann es nie allen recht machen und daher gerät der Überbringer der Vorhersagen, der „Wetterfrosch“, nicht selten ins Fadenkreuz der Unzufriedenen. Für seinen verantwortungsvollen Beruf, der eher einer Berufung gleicht, braucht ein Meteorologe nicht nur das nötige Talent, sondern vor allem auch ein dickes Fell.
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