Von: apa
“Never let me go” heißt das letzte Studioalbum von Placebo und tatsächlich konnte das Duo beweisen, dass ihnen ihre treuen Fans zurecht jahrzehntelang loyal geblieben sind. Denn am Mittwochabend spielten sie in der Arena Wien ein nüchternes, aber musikalisch überzeugendes Rockkonzert.
Nachdem die nicht zu unterschätzende vierköpfige Vorband Friedberg mit Alternative-Rock und Post-Punk auf das Konzert eingestimmt hatte, zeigte sich das erste und einzige Mal an diesem Abend, dass Placebo noch aus einem anderen Jahrtausend stammt. Denn eine eingespielte Stimme bat das Publikum, die Handys eingesteckt zu lassen und den Auftritt offline zu verbringen. Eine herrlich angenehme Aufforderung, nur vereinzelt fuchtelten umstehende Zuhörende im Laufe des Abends mit ihren Telefonen in der Luft herum. Der Rest hielt sich an die Bitte, die im Jetzt angekommene Musik wurde oldschool genossen.
Das in der Mitte der 1990er-Jahren von Brian Molko und Stefan Olsdal gegründete Duo startete ihren Auftritt mit dem Song “Taste in men”, gefolgt von dem leicht an Pop angelehnten Lied “Beautiful James” und dem düster-frostigen “Scene of the crime”. Der schmächtige Molko zeigte hier bereits, dass seine 51-jährige Stimme an keinerlei Kraft eingebüßt hatte und auch mit den stark verzerrten Gitarrenklängen blieben sie ihrem typischen Sound treu.
Das Publikum lockten sie das erste Mal mit dem Song “Happy birthday in the sky” aus der Reserve. Gute Atmosphäre erzeugte Placebo nämlich vor allem durch die musikalischen Darbietungen und weniger durch einen Beziehungsaufbau mit den Zuhörenden. Durch eine der wenigen Äußerungen – diese im Übrigen alle auf Deutsch – merkte man schließlich, dass die Band früher auch durch ihr queeres Auftreten bekannt war. Denn den Hit “Every you every me” kündigte Molko mit den Worten “Jetzt machen wir etwas für alte Schwule. Haben Sie das gerne?” an. Auch mit dem Song “Try better next time” erfuhr das Publikum etwas über die Haltung der Band, da diese in die Lyrics mehrmals die Zeile “Free palastine” einbaute.
Als sich Stefan Olsdal bei dem Song “Too many friends” an einen weißen Flügel setzte, entstand der Eindruck von leichtem Kitsch, durch das Zeigen des Mittelfingers unterbrach Molko jedoch jedweden Anflug von Mainstream-Ballade. Heavy war das Lied “For what it’s worth”, in dem zwischen lauteren, kraftvollen Passagen und ruhigeren Momenten gewechselt wird und die stark verzerrten Gitarrenriffs hervorstechen.
Ein kurzfristiges Ende wurde dem Konzert, wie mittlerweile bei Placebo üblich, mit dem unheimlich beginnenden und sich immer mehr ins Rockige steigernde “Song to say goodbye” und dem mitreißenden “The bitter end” bereitet, bei dem auch zaghafte Headbanging-Versuche bei den Zusehenden unternommen wurden. Das loyale Publikum holte die Band anschließend mit Pfiffen und Rufen zurück auf die Bühne und bekam weitere vier Lieder zu hören. Beendet wurde das Konzert mit dem Cover “Running up that hill”, das durch die Serie Stranger Things auch bei den jüngeren Besuchern zu viel Begeisterung und Applaus führte.
Placebo ist nicht nur eine Wirkstoffattrappe, sondern heißt im Lateinischen auch “Ich werde gefallen”. Für alle, die ein simples Konzert ohne viel interaktive Show wollten und einzig für die Musik hier waren, hat das Duo diesen Anspruch auf jeden Fall erfüllt. Denn musikalisch hielt die Band auch nach jahrzehntelangem Bestehen ihr Niveau, dem charakteristischen Sound von Molkos Stimme hört man weiterhin gerne zu.
(Von Anne Fliegel/APA)