Von: apa
Bei Musik aus Manchester denkt man wohl zunächst an Oasis oder Happy Mondays. Die Band Witch Fever passt so gar nicht dazu: Metal, Ambient, Hardcore und Industrial vermischt die Formation zu einem Sound zwischen Gothic und Noise. “Wir hatten die Schnauze voll vom Britpop”, sagt Amy Walpole. Die Sängerin verarbeitet in ihren Texten ihr religiöses Trauma – erlitten beim Aufwachsen in einer christlichen Sekte. “Fevereaten” heißt das am Freitag (31.10.) erscheinende neue Album.
Affinität für wütende Musik
“Diese Band gibt es seit neun Jahren, in der aktuellen Besetzung seit acht”, erzählt Walpole im Interview mit der APA. “Als wir begonnen haben, gab es so viele Britpop- und Indie-Bands. Wir verspürten überhaupt keine Dringlichkeit, auch diesen Weg zu gehen. Denn wir alle haben eine Affinität für wütende Musik.” Dass sich der Stil von Witch Fever schwer kategorisieren lässt, sei nicht geplant gewesen: “Das ist organisch passiert.” Neben Walpole gehören Gitarristin Alisha Yarwood, Bassist Alex Thompson und Drummerin Annabelle Joyce der Gruppe an.
Reifer und besser produziert als ihr Debüt “Congregation” von 2022 klingt “Fevereaten”. “Das erste Album war im Grunde live mitgeschnitten worden”, so Walpole. Witch Fever zeichnet der gekonnte Wechsel innerhalb der Songs zwischen Klargesang in ruhigen Abschnitten und Geschrei samt voller Härte aus. “Wenn man sich zwischendurch zurücknimmt und dann volles Brett auffährt, klingen die wütenden Teile noch verrückter”, analysiert Walpole. “Unser erstes Album war wie ein Schlag ins Gesicht, jetzt kann man zwischendurch ein bisschen durchatmen.”
Flucht aus dem Kult
In den Texten geht es um Beziehungen, Queerness, mentale Gesundheit und nicht zuletzt um Religion. Letzteres ergibt sich aus der Vergangenheit der 27-Jährigen: “Ich bin in einer charismatischen christlichen Kirchengemeinschaft aufgewachsen”, berichtete sie. “Es war wie ein Kult. Wir lebten zwar nicht in einer Kommune, aber es war keine gute Sache. Meine Eltern fühlten sich darin gefangen. Als ich 16 wurde, bin ich gegangen, meine Eltern folgten kurz darauf. Für den Rest meines Lebens werde ich mich wohl mit einem religiösen Trauma auseinandersetzen müssen.”
Sie finde es “sehr kathartisch und heilend”, darüber zu reden, zu schreiben und zu singen, sagt Walpole. “Und jeder interessiert sich dafür, weil es eine sehr eigenartige Geschichte ist”, lächelt sie. “Ich kann gar nicht anders, es zieht mich immer wieder zu diesem Thema.” Ob ihr Rockmusik bei der Flucht aus der Sekte geholfen habe? “Hell yeah!”
Verstörende Videos und politischer Horror
Verstörend wirken die durchwegs gruseligen Videoclips von Witch Fever auf YouTube. Walpole: “Ich habe einen Master-Abschluss in englischer Schauerliteratur, ich liebe Horror und habe auch Kunst studiert. Ich gehe manchmal vielleicht zu weit, aber ich mache alles für ein gutes Video.” Ängste bereiten ihr dagegen die “zunehmende Präsenz des sehr rechten Flügels in der Politik” und die geopolitische Lage allgemein: “Ich sehe zwar keinen Unterschied zu früher, denn ich hatte immer schon den Eindruck, die Welt würde sich selbst auffressen. Aber im Moment fühlt es sich besonders übel an.”
(Das Gespräch führte Wolfgang Hauptmann/APA)
(S E R V I C E – https://www.witchfever.com)




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