Tod als Widerstandskämpfer im Remix

„Bella Ciao“ – Partisanenlied wird zum Sommerhit 2018

Sonntag, 05. August 2018 | 14:25 Uhr

Im diesjährigen Sommerhit in Deutschland wird der Tod als Widerstandskämpfer gegen den Faschismus besungen. Ob das allen, die in den Clubs mitgrölen, klar ist, darf jedoch bezweifelt werden. Die Rede ist vom Lied „Bella Ciao“ von El Profesor im Hugel Remix.

Ermittelt wird der Sommerhit jährlich vom Unternehmen GfK Entertainment im Auftrag des Bundesverbandes Musikindustrie. Begründet wurde die Entscheidung unter anderem mit folgenden Argumenten: Der Song habe eine eingängige Melodie, verbreite Urlaubsstimmung, feiere große Erfolge in den offiziellen deutschen Charts, er werde in Clubs rauf und runter gespielt und stamme von einem Künstler, der in Deutschland noch relativ unbekannt ist.

Doch wer auf die Geschichte des Liedes blickt, findet heraus, dass hinter dem Original ein politisches Lied mit einer Geschichte steckt, die über ein Jahrhundert alt ist: Die Melodie sangen bereits Anfang des 20. Jahrhunderts Reispflückerinnen in der Nähe von Bologna, die sich über die harten Arbeitsbedingungen und die stechende Sonne beklagten.

Berühmt wurde das Lied schließlich durch die italienische Widerstandsbewegung gegen den Faschismus während des Zweiten Weltkrieges. Dabei wird der Freiheitskampf der Partisanen pathetisch besungen.

Mit der Zeit kam es weltweit zu Übersetzungen des Liedes, das bis heute als Hymne linker Arbeiterbewegungen gilt und auch auf Demos gegen Rechtsextremismus und für Antifaschismus immer wieder erklingt.

Übersetzt lautet der Text folgendermaßen:

„Eines Morgens erwachte ich
und fand den Eindringling vor.
O Partisan, bring mich fort
O Schöne, ciao, Schöne, ciao, Schöne, ciao, ciao, ciao!

O Partisan, bring mich fort
Denn ich fühle, dass ich bald sterben werde.

Und falls ich als Partisan sterbe
Dann musst du mich begraben
Begrabe mich dort oben auf dem Berge
Und die Leute, die daran vorbeigehen,
Werden mir sagen: ,Welch schöne Blume!‘
Dies ist die Blume des Partisanen
Der für die Freiheit starb.“

Sind Revolutionen nun also heißer als Sex am Strand? Wohl kaum. Ein Song, der zum Sommerhit werden will, muss eingängig und kommerziell erfolgreich sein, er muss unter der Sonne, auf Maturareisen und in Discos auch nach fünf Bier noch funktionieren. Bella Ciao im elektronischen Remix erfüllt diese Voraussetzungen, schreibt ze.tt.

Der Sound erinnert an Feuer, aufgeknöpfte Hemden und kurze Röcke. Er geht ins Ohr und macht Lust auf Party, Strand und Urlaub.

Zusätzlich verleiht dem Song die Tatsache Kultstatus, dass er von verschiedenen Medien und Künstlern aufgegriffen wurde. In einer Schlüsselszene der spanischen Netflixserie „Haus des Geldes“ singen zwei Protagonisten „Bella Ciao“, um sich auf einen Überfall auf die spanische Banknotendruckerei mental vorzubereiten. Dabei sorgen sie für einen besonders emotionalen Moment.

Seither verbreitete sich der Song rasant im Netz, bis der bislang eher unbekannte französische DJ Florent Hugel den Trend erfasste und gerade rechtzeitig das Lied mit einem Beat versah.

 

 

Und trotzdem: Als offizieller Sommerhit kommt die Botschaft von „Bella Ciao“ nun überall hin – vom Radio ins Pub bis hin zum Supermarkt. Auch wenn vermutlich viele immer noch denken, dass „Bella Ciao“ vom Schlussmachen handelt, tanzt der Mainstream im Sommer 2018 zur Hymne gegen den Faschismus. Ohne es zu merken, zollen die Hörerinnen und Hörer vor den Augen aller der linken Arbeiterbewegung ihren Respekt. Heimlicher kann eine Revolution wohl kaum sein.

Von: mk