Von: luk
Bozen – Nun schon zum vierten Mal in Folge fallen die Erwartungen der Arbeitnehmer zum künftigen Verlauf der wirtschaftlichen Entwicklung Südtirols zurückhaltend aus. Im AFI-Barometer, der vierteljährlichen Umfrage unter Arbeitnehmern, „kühlt und kühlt dieser wichtige Indikator ab“, stellt AFI-Direktor Stefan Perini fest. Auch wenn das Jahr 2019 mäßigere Zuwachsraten bringen werde, sei die Südtiroler Wirtschaft auf jeden Fall gut genug aufgewärmt, um die internationale Abkühlung des Konjunkturklimas zu überstehen, ist das AFI überzeugt.
Die internationale Konjunktur verliert allmählich an Fahrt. Deutlich zeige dies die ifo-Konjunkturuhr an, ein Instrument, das die Konjunkturzyklen des letzten Jahrzehnts sehr treffsicher vorausgesehen habe, erklärt AFI-Direktor Stefan Perini. Zu den alten Sorgen der Wirtschaftsexperten wie Brexit und Handelskriege kommen neue hinzu, so zum Beispiel die steigende politische Instabilität in den beiden wichtigen und rohstoffreichen Schwellenländern Brasilien und Venezuela. Der Internationale Währungsfonds IWF prognostiziert aktuell folgende Wirtschaftswachstumsraten für 2019: USA +2,5 Prozent, Euro-Raum +1,6 Prozent, Deutschland +1,3 Prozent, Italien +0,6 Prozent. In Italien ist die Stimmung bei den Konsumenten konstant, bei den Unternehmen ist sie seit rund einem Jahr wieder rückläufig.
Südtirol: Der wichtigste Stimmungsindikator zeigt erneut nach unten
Vergleicht man das Stimmungsbild der Südtiroler Arbeitnehmer mit jenem vor zwölf Monaten, so haben sich zwei Indikatoren aufgehellt, vier sind konstant geblieben und einer hat sich verschlechtert. „Die Einschätzung der wirtschaftlichen Entwicklung Südtirols in den nächsten zwölf Monaten hat sich zum vierten Mal in Folge leicht eingetrübt“, informiert AFI-Direktor Stefan Perini, das sei „ausgerechnet der wichtigste Indikator“. Die beiden Indikatoren, welche die persönlichen Chancen und Risiken des Arbeitnehmers am Arbeitsmarkt abbilden (aktuelles Risiko des Arbeitsplatzverlusts, Jobaussichten) verbessert sich ein weiteres Mal. Auch wenn damit ein Jobwechsel leichter in Reichweite steht, schauen sich wenige Arbeitnehmer aktiv nach einer anderen Arbeitsstelle um (nur 15 Prozent haben dies in den letzten zwölf Monaten getan). Dies unterstreiche die hohe Loyalität Südtiroler Arbeitnehmer, so Perini. Die anderen vier Indikatoren bleiben unverändert, darunter auch jene drei, welche die Situation der eigenen Familie abbilden (aktuelle Fähigkeit mit dem Lohn über die Runden zu kommen, Entwicklung der finanziellen Situation der eigenen Familie, Entwicklung der Sparmöglichkeiten).
2019: AFI hält vorerst an Wachstumsprognose von +1,4 Prozent fest
„Wenn auch noch nicht alle Daten für alle zwölf Monate verfügbar sind, so fällt die Endbilanz 2018 für die Südtiroler Wirtschaft sicherlich gut aus“, blickt AFI-Direktor Perini auf das abgelaufene Jahr zurück. Die wirtschaftliche Verlangsamung in Europa wird in den nächsten Monaten allerdings auch Südtirol erreichen, so Perini. Unter besonderer Beobachtung stünden deshalb Export und Nächtigungszahlen. „Der Export flaut bereits seit zwei Quartalen ab, und im Sommer könnte der heimischen Wirtschaft der eine oder andere Gast abhandenkommen, da er nun wieder Ziele wie Ägypten, Türkei oder Griechenland aufsucht, die in den letzten Jahren vor allem aus Sicherheitsgründen vermieden wurden“, gibt Perini zu bedenken. Trotz allem halte das AFI vorerst an seiner Wachstumsprognose 2019 von +1,4 Prozent für die Südtiroler Wirtschaft fest.
Schwierige Zeiten für Sparer
Im AFI-Barometer werden einmal im Jahr die Einschätzungen der Arbeitnehmer zum Sparen abgefragt. Auch in diesem Jahr ist die Sicherheit der Geldanlage das wichtigste Kriterium, das die Südtiroler Arbeitnehmer zugrunde legen, wenn sie ihr Erspartes anlegen. 70 Prozent geben die Sicherheit, das investierte Kapital nicht zu verlieren, als das rangwichtigste Kriterium bei der Wahl der Anlageform an. Es folgt die Liquidität, also die unmittelbare Verfügbarkeit des Ersparten, wenn es die Notwendigkeit erfordert (62 Prozent). Gespart wird in erster Linie für die Kinder (61 Prozent) und für unvorhergesehene Ereignisse (51 Prozent). Die „Wohnung“ bzw. die „Vorsorge fürs Alter“ als Spargrund ist hingegen stark von der Lebensphase abhängig. Wie die amtlichen Daten der italienischen Nationalbank (Banca d’Italia) bestätigten, habe sich die Art und Weise, wie italienische Sparer ihr finanzielles Vermögen anlegen, seit den 50-er Jahren grundlegend geändert, erklärt AFI-Direktor Stefan Perini. Seien bereits die italienischen Sparer „konservative“ Anleger, so gelte das in noch stärkerem Maß für die Südtiroler. Ein echtes Problem für Sparer sei es heute, sicheres Sparen mit dem Anspruch von Wertbeständigkeit der Sparanlage zu kombinieren. Stefan Perini: „Bei aktuellem europäischen Zinsniveau und bei Südtiroler Inflationsrate ist sicheres Sparen heute vor allem ein sicheres Verlustgeschäft. Leider.“
Stellungnahme von AFI-Präsidentin Christine Pichler
„Sicheres und einfaches Sparen ist heute schwieriger denn je. Uns besorgt, dass viele Südtiroler Arbeitnehmerfamilien gleich zweimal durch die Finger schauen: Einmal bei den Löhnen, ein weiteres Mal beim Ersparten.“
Stellungnahme von Landesrat Philipp Achammer
„Während andere Länder mit geringen Erwerbsquoten und hoher Arbeitslosigkeit kämpfen, herrscht in Südtirol Vollbeschäftigung und in einigen Branchen gar Arbeitskräftemangel. Diese Ausgangslage verpflichtet uns aber auch, mittelfristig stärker auf die Qualität von Arbeit zu setzen: Stabile Jobs, flexible Arbeitszeitmodelle, gute Arbeitsbedingungen, weitreichende Bildungs- und Karrierechancen. Wir haben die Voraussetzungen, aus Südtirol einen „Best Workplace“ in Europa zu machen.“
Das AFI-Barometer erscheint viermal im Jahr (Winter, Frühjahr, Sommer, Herbst) und wiedergibt das Stimmungsbild der Südtiroler Arbeitnehmerschaft. Die telefonisch geführte Umfrage betrifft 500 Arbeitnehmer und ist für Südtirol repräsentativ.