Von: mk
Bozen – Für Südtirols Wirtschaft beginnt das Jahr 2021 äußerst unglücklich: Die Wintersaison konnte erst gar nicht anlaufen und mit Februar schlitterte Südtirol in den dritten Lockdown. „Die Stimmung unter Südtirols Arbeitnehmer bleibt zwar nach wie vor recht verhalten, doch ein Hauch an Zuversicht ist erkennbar“, sagt AFI-Direktor Stefan Perini. Im Zuge von Impffortschritten, Herdenimmunität und größerer Bewegungsfreiheit sollte die Konjunktur in den nächsten Monaten wieder an Fahrt gewinnen. Die Hypothek des ersten Quartals belastet das Jahresergebnis doch bereits jetzt massiv. „Mehr als +3,5 Prozent Wirtschaftswachstum sehen wir da nicht drin“, sagt Perini.
Die dritte Pandemie-Welle hat zum Jahresauftakt 2021 die wirtschaftliche Erholung im Euro-Raum merklich gebremst. Zwar dürfte die Erholung mit fortschreitender Durchimpfung der Bevölkerung und zunehmender Herdenimmunität an Tempo und Intensität gewinnen, doch das konjunkturelle Umfeld bleibt noch das gesamte zweite Halbjahr 2021 über von vielen Unsicherheitsfaktoren geprägt. Diese betreffen in erster Linie die Verfügbarkeit von Impfstoff in ausreichenden Mengen, aber auch die Stabilität der Lieferketten sowie die Umsetzung der Hilfsprogramme der öffentlichen Hand (Next Generation/Recovery Fund).
Alle wichtigen Volkswirtschaften mussten 2020 schmerzhafte Einschnitte hinnehmen. Wie sich immer stärker herausstellt, blieben die Rückgänge des BIP allerdings fast überall im einstelligen Bereich. Der Internationale Währungsfond IWF weist für 2020 folgende Schätzungen aus: USA -3,5 Prozent; Euroraum -6,6 Prozent; Deutschland: -4,9 Prozent; Österreich: -6,6 Prozent; Italien: -8,9 Prozent. Der Pandemieverlauf wird das Jahr 2021 noch entscheidend mitprägen und sowohl Zeitpunkt als auch Intensität der Erholung bestimmen. Der Aufschwung soll von der öffentlichen Hand durch Hilfsprogramme wie Next Generation / Recovery Fund gestützt werden. Trotz allem wird die wirtschaftliche Erholung im Jahr 2021 noch nicht das Vorkrisen-Niveau erreichen. Die BIP-Prognosen 2021 des IWF lauten: USA +6,4 Prozent; Euroraum +4,4 Prozent; D +3,6 Prozent; A +3,5; I +4,2 Prozent.
Südtirol ist 2020 mit einem blauen Auge davongekommen
Südtirol blickt 2020 auf die wahrscheinlich schlechteste Wirtschaftsbilanz der Nachkriegszeit. Dank der massiven Interventionen der öffentlichen Hand konnten die negativen Auswirkungen jedoch in Grenzen gehalten werden. In Summe und im Jahresschnitt betrachtet zeigt sich die Arbeitnehmerzahl rückläufig (-3,4 Prozent), mit starker Differenzierung nach Vertragstyp, Staatbürgerschaft und Wirtschaftssektor. Vor allem auf das Kündigungsverbot und den Lohnausgleich ist zurückführen, dass die amtliche Arbeitslosenrate (3,7 Prozent) noch nicht nach oben geklettert ist. Ein regelrechtes „annus horribilis” war 2020 für die Tourismusbranche mit -35 Prozent an Gästenächtigungen. Demgegenüber bleiben die Rückgänge im Außenhandel im Rahmen (Exporte: -3,5 Prozent; Importe: -9,7 Prozent) und die Inflation in Bozen moderat (0,8 Prozent). Die Kreditvergabe expandierte nach wie vor (+3,0), vor allem jene an Privatpersonen (+4,6 Prozent). Im Vergleich zu anderen Gebieten kommt Südtirol 2020 noch mit einem blauen Auge davon. Das zeigt der Blick auf die Nachbarländer, wo die Nächtigungszahlen um mehr als 50 Prozent eingebrochen sind. Des Weiteren wiegen in Südtirol positive Entwicklungen in einigen Branchen die negativen in anderen teilweise auf. Die letzten verfügbaren Zahlen bestärken das AFI in der Schlussfolgerung, dass es gelungen sei, den wirtschaftlichen Einbruch im Jahr 2020 in einem verträglichen Rahmen zu halten. Mit -6,5 Prozent schätzt das AFI den BIP-Rückgang 2020 geringer ein als WIFO (-10,0 Prozent) und ASTAT (-11,3 Prozent) es tun.
Die Stimmung der Südtiroler Arbeitnehmer bleibt verhalten
Mit Bezug auf die Erwartungen zur Wirtschaftsentwicklung Südtirols schaltet die Konjunkturampel im Frühjahr 2021 von dunkelrot auf rot. Aktuell (Umfragemonat: März 2021) rechnen Südtirols Arbeitnehmer noch nicht damit, dass der Konjunkturmotor zeitnah durchstarten wird. Was Südtirols Arbeitnehmer/Innen noch erwarten: eine tendenziell ansteigende Arbeitslosigkeit, zunehmende Schwierigkeiten bei der Suche nach neuen Arbeitsmöglichkeiten, aber nach wie vor kein konkretes und unmittelbares Risiko, den eigenen Job zu verlieren. Die Fähigkeit, mit dem Lohn über die Runden zu kommen, verbessert sich für Arbeitnehmer-Familien ein weiteres Mal (Grund: für Konsum fehlen Lust und Möglichkeiten – doch Achtung: Im AFI-Barometer werden nur Personen befragt, die unter Vertrag stehen. Die Stichprobe beinhaltet also keine Personen, die kürzlich ihre Arbeit verloren haben oder schon seit längerer Zeit erwerbslos sind).
Verpatzter Jahresauftakt belastet BIP-Prognose 2021
Für Südtirols Wirtschaft begann 2021 äußerst unglücklich: Die Wintersaison konnte nicht anlaufen und mit Februar kam der dritte Lockdown. Die Hypothek des ersten Jahresquartals wiegt stark (-8,0 Prozent an Jobs von Lohnabhängigen und -96,5 Prozent an touristischen Nächtigungen allein in den ersten beiden Jahresmonaten) und wird auf das Jahresergebnis 2021 negativ abfärben. Doch dank Impffortschritten gibt es Licht am Ende des Tunnels. Forschungsinstitute gehen davon aus, dass die weiteren Jahresquartale schrittweise ans Vorkrisen-Niveau aufschließen werden. Das AFI bleibt jedoch vorsichtig, was die Prognosen 2021 betrifft: Es wird wohl nicht gelingen, mehr als 50 Prozent der seit 2019 verlorenen Wirtschaftsleitung aufzuholen. Die BIP-Prognose des AFI für die Südtiroler Wirtschaft im Jahr 2021 lautet, konservativ geschätzt, +3,5 Prozent.
„Die Daten zeigen: Wir kämpfen uns zwar Schritt für Schritt aus der Krise, doch die Erholung ist noch zu schwach, um den Marktkräften das Spiel zu überlassen. Nach wie vor braucht es die Stützmaßnahmen der öffentlichen Hand: Entlassungsverbot, soziale Abfederungsmaßnahmen, Covid-19-Soforthifen“, erklärt AFI-Präsident Dieter Mayr.
Die Ergebnisse des AFI-Barometer zeigten, dass Südtirols Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer kein unmittelbares Risiko sehen, ihren Arbeitsplatz dauerhaft zu verlieren, so Landesrat Philipp Achammer. „Mehr denn je kommt es jetzt darauf an, dass auch jene Menschen eine sichere Zukunftsperspektive haben, die aufgrund der Krise nicht arbeiten konnten. Die derzeitigen Lockerungen, die mit Testungen, Impfungen und dem Corona-Pass einhergehen, sind daher ein wichtiges Signal: Denn damit sichern wir auch Arbeitsplätze.“