Mehr Nachhaltigkeit bedeutet auch mehr globale Gerechtigkeit

Aktionswochen #MoveTheDate: Gemeinsam die Erdüberlastungstag verschieben

Freitag, 12. Mai 2023 | 17:08 Uhr

Bozen – Am Montag, 15. Mai erreichen wir italienweit wieder den sogenannten Erdüberlastungstag. Von da an leben wir bis zum Jahresende ressourcentechnisch auf Pump und konsumieren unwiderruflich mehr, als sich natürlich regeneriert. Würden alle Länder so viele Ressourcen verbrauchen wie wir in Italien, dann bräuchten wir laut dem Global Footprint Network rund 2,7 Erden. Da wir diese nicht zur Verfügung haben, leben wir von begrenzten Reserven, die eigentlich für zukünftige Generationen bestimmt wären – und auf Kosten anderer. Dies erklärt OEW-Organisation für Eine solidarische Welt in einer Aussendung.

Die stärksten Auswirkungen des Überkonsums wie Landraub, Umweltverschmutzung, Wassermangel, Nahrungsunsicherheit, Vertreibung und Extremwetterereignisse würden jene Länder und Bevölkerungsgruppen treffen, die kaum finanziellen Mittel hätten, sich dagegen zu schützen. Im Rahmen weltweiter Aktionen gegen den Überkonsum ruft die OEW-Organisation für Eine solidarische Welt deshalb heuer zum dritten Mal die Aktionswochen zum Erdüberlastungstag in Südtirol aus.

Unter dem Titel „Move The Date“, zu Deutsch „Verschieb mit uns den Erdüberlastungstag“, haben sich mehr als 50 Vereine, Gruppen, Schulen und Organisationen zusammengeschlossen und organisieren vom 15. bis zum 27. Mai Aktionen, die dazu inspirieren sollen, Ressourcen zu schonen und bewusst globale Fairness einzufordern. Alle Aktionen sind unter www.oew.org/movethedate einsehbar, darunter auch die OEW-Challenge #MoveTheDate, die alle Südtirolerinnen und Südtiroler dazu auffordert, zwei Wochen lang einen Selbsttest im Ressourcenschonen durchzuführen.

In einem einzigen Jahr produzieren wir laut OEW in Europa pro Kopf durchschnittlich 554 Kilogramm Müll, 5.000 Kilogramm CO2-Emissionen, konsumieren 1300 Kilowatt Strom, 150 Kilogramm Papier, 2.336 Stunden Internet, 60 Kilogramm Kleidung, 70 Kilogramm Fleisch, schmeißen 78 Kilogramm Lebensmittel weg und fahren 11.387 Kilometer mit dem Auto. „Dass diese Auflistung bei weitem noch nicht alles beinhaltet, was wir täglich konsumieren und verbrauchen, zeigt, wie stark wir täglich in die Pedale eines globalen, ausbeuterischen Wirtschaftssystems treten“, so die OEW.

Verena Dariz von der OEW-Organisation für Eine solidarische Welt erklärt: „Mit den Aktionswochen wollen wir Handlungsspielräume aufzeigen und für eine Ressourcenschonung sensibilisieren, die uns und allen Menschen weltweit einen Vorteil bringt.“ Die Globalisierung stelle vor große Herausforderungen, dabei könnten laut Dariz bereits kleine tägliche Verhaltensänderungen zu einer Minderung des Überkonsums beitragen: „Würden wir es beispielsweise schaffen unsere Nahrungsmittelabfälle weltweit zu halbieren, würde der globale Erdüberlastungstag 13 Tage später stattfinden. Auch eine Halbierung des Verbrauchs von fossilen Ressourcen würde dieses Datum um 90 Tage nach hinten verschieben.“

Die ungerechte Ressourcenverteilung und -nutzung ist dabei ein wichtiger Punkt, den die Initiatorinnen der Wochen in den Fokus stellen wollen. Vor allem die Menschen in den „Produktionsländern“, im sogenannten Globalen Süden, in denen die meisten Rohstoffe wie fossile Brennstoffe, Metalle, Holz, Lebensmittel, Futtermittel und Textilprodukte angebaut oder gefördert werden, gehörten zu den direkten Verlierern des vermeintlichen Ressourcengewinns. Aktuell liege der Pro-Kopf-Konsum an Rohstoffen in Ländern des Globalen Nordens, also auch bei uns, schätzungsweise viermal höher als in Ländern des Globalen Südens. „Die Menschen dort konsumieren aber nicht nur weniger, sondern sind auch am heftigsten von den Folgen des Überkonsums betroffen. So ist beispielsweise der Klimawandel eine direkte Folge der weltweiten Umweltbelastung – und führt derzeit vor allem in Ländern mit unzureichender Infrastruktur und in südlichen Klimazonen zu fatalen Extremwetter-Ereignissen“, so die OEW.

OEW-Netzwerkpartnerin Alexandra Almeida arbeitet für Acción Ecológica, eine der wichtigsten Umweltorganisationen in Ecuador zum Schutz der lokalen Bevölkerung im Amazonas. Sie betont: „Klimakrisen betreffen den gesamten Planeten und die Menschheit als Ganzes. Doch in Ecuador und in vielen weiteren Ländern des Globalen Südens sind Frauen, indigene und bäuerliche Gemeinschaften und andere verarmte Bevölkerungsgruppen am stärksten betroffen. Der Klimawandel bedeutet für sie, dass sie aufgrund von zu vielen oder zu wenigen Niederschlägen nicht mehr Lebensmittel anbauen und sich davon ernähren können.“

Ruth Salditos, eine philippinische Menschenrechtsaktivistin für Fair-Trade-Produzentinnen und -Produzenten, die schon mehrmals in Südtirol war, ergänzt: „Transnationale Konzerne und Regierungen profitieren von den günstig angebotenen Ländereien und den geringen Produktionskosten im Globalen Süden. Vertreibung ist das Ergebnis, sobald Bäuerinnen und Bauern die Kontrolle und die Rechte über ihr Land verlieren. Ein Fischer verliert das Recht in seinem gewohnten Fischereigebiet zu fischen. Daraus resultieren Armut und Hunger. Weniger Land für die lokale Lebensmittelproduktion bedeutet Nahrungsunsicherheit.“

OEW-Mitarbeiterin Monika Thaler schließt: „Kaum ein Produkt unseres Alltags kommt ohne die Rohstoffe aus Ländern des Globalen Südens aus. Gerade deshalb tragen wir eine Mitverantwortung für die weltweiten ökologischen und sozialen Folgen unseres Konsums.“ Als Teil einer globalen Gesellschaft stünden wir alle in der Verantwortung, etwas dazu beizutragen, um die negativen Auswirkungen des Ressourcenverbrauchs auf unsere Mitmenschen, unsere Umwelt und für die nachkommenden Generationen einzuschränken. Die energieintensive, meist menschenrechtsverletzende und umweltbelastende Ressourcengewinnung von oft reinen Wegwerfprodukten führe aktuell zu einem enormen sozialen Ungleichgewicht.

Um mit konkretem Beispiel voranzugehen, hat die OEW deshalb im Rahmen der Aktionswochen auch die #MoveTheDate-Challenge ins Leben gerufen. Alle Gruppen, die daran teilnehmen und zwei Wochen lang eine der 15 Herausforderungen wie vegan essen, kalt duschen, plastikfrei einkaufen und nichts streamen annehmen, können am Ende der Wochen eine faire Marende gewinnen. Die Gruppen können sich frei zusammensetzen aus Familie, Arbeitskollegen, Freunden, Klasse, Verein oder anderes. Natürlich sind auch Einzelpersonen eingeladen, sich Inspiration unter www.oew.org/movethedate zu holen und sich auf eine der Challenges einzulassen, um gemeinsam langfristig eine Veränderung zu bewirken.

Von: mk

Bezirk: Bozen