EWCS-Studie des AFI

Arbeitsunfälle wider besseres Wissen

Freitag, 09. Februar 2018 | 10:24 Uhr

Bozen – Über die Risiken im Job fühlen sich 95 Prozent der heimischen Berufstätigen gut oder sehr gut informiert. Das zeigt die EWCS-Studie zu den Arbeitsbedingungen in Südtirol, die vom AFI | Arbeitsförderungsinstitut zusammen mit INAIL und dem Land Südtirol durchgeführt wurde. Fast sieben von zehn unselbständig Beschäftigten (68,7 Prozent) geben an, in ihrem Betrieb gebe es eine Vertretung für Arbeitssicherheit – ein Wert, der in Europa nur von den skandinavischen Ländern übertroffen wird. 27,0 Prozent der Erwerbstätigen in Südtirol sehen Gesundheit und Sicherheit durch ihre Arbeit gefährdet.

In Südtirol fühlen sich 95,2 Prozent der Beschäftigten gut oder sehr gut über die Gesundheits- und Sicherheitsrisiken in ihrer Arbeit informiert. Dies ist der beste Wert der Vergleichsgruppe und zählt zu den höchsten in der Europäischen Union. In Südtirol nutzen 90 Prozent die persönliche Schutzausrüstung (wenn erforderlich) und nur knappe fünf Prozent sehen sich nicht ausreichend informiert, was die Arbeitssicherheit anbelangt.

Doch auch das allgemein positive Südtiroler Gesamtbild hat seine Makel: 27,0 Prozent der Erwerbstätigen sehen Gesundheit und Sicherheit durch ihre Arbeit gefährdet. Das liegt weit über dem italienischen (13,1 Prozent) und sogar über dem österreichischen (25,6 Prozent) Vergleichswert. Risikobehaftete Arbeitsbedingungen gibt es laut Erhebung vor allem in bestimmten Branchen. So sehen 50,0 Prozent der Beschäftigten im Transportgewerbe und 42,6 Prozent der Beschäftigten im Baugewerbe ihre Gesundheit bzw. Sicherheit durch die Ausübung ihrer Berufstätigkeit gefährdet. Noch höher ist der Wert im Gesundheits- und Sozialwesen: Dort sind es sogar 51,6 Prozent der Befragten.

Gefährdung im Ländervergleich

Nach Berufsgruppen betrachtet ist die Risikowahrnehmung mit 41,9 Prozent in den händischen Berufen am stärksten (Bediener von Anlagen und Maschinen 39,0 Prozent, Hilfsarbeitskräfte 32,7 Prozent) und bei den Führungskräften (9,7 Prozent) am geringsten. „Die Aussagen aller Befragten zum Wissen um die Arbeitssicherheit im Job zeigen uns hohes Bewusstsein und einen guten Informationsstand an“, fasst Werner Pramstrahler, Forschungsmitarbeiter des AFI, die gewonnenen EWCS-Daten zusammen. „Gleichzeitig muss verstärkt ins Bewusstsein rücken, dass vor allem Beschäftigte mit manuellen Tätigkeiten und in den sogenannten Einfachtätigkeiten diesen Risiken besonders ausgesetzt zu sein scheinen.“

Gefährdung im Branchenvergleich

Besonders schmerzlich sei, dass Südtirol in der Frequenz von Arbeitsunfällen pro Beschäftigtem über dem italienischen Durchschnitt liege – heben die AFI-Forscher hervor. Deswegen müsse Südtirol weiterhin in die Präventions- und Sicherheitskultur investieren. Gesetzliche Bestimmungen, aber in noch höherem Maße die Einstellung und das Verhalten von Betriebsleitung und Kollegen mit Vorbildfunktion prägen das Sicherheitsniveau. Pramstrahler: „Um Südtirol in der Vorbeugung und Arbeitssicherheit noch weiter nach vorne zu bringen, sind die Sozialpartner angehalten, innovative Projekte zu entwickeln, die sich in die Südtiroler Betriebs- und Arbeitskultur gut einfügen“.

“Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen zeigen in Südtirol einen hohen Grad an Verantwortung in Sicherheitsfragen am Arbeitsplatz. Dennoch ist jeder Arbeitsunfall ein Arbeitsunfall zu viel. Wir brauchen deshalb einen sozialpartnerschaftlich vereinbarten Ausbau der Prävention und eine Verbesserung der Arbeitssicherheit. Dies ist in Zeiten des Fachkräftemangels, des steigenden Arbeitsdruckes und der Verlängerung der Lebensarbeitszeit ein Gebot der Stunde“, erklärt AFI-Präsidentin Christine Pichler.

„Ich bin überzeugt davon, dass wir es gemeinsam schaffen, eine Kultur der Arbeitssicherheit aufzu-bauen. Die Erhebung bestätigt diesen Weg in weiten Teilen: die verschiedenen Einrichtungen in Südtirol, die sich mit Arbeitssicherheit befassen, sind schon heute recht gut vernetzt. Schritt für Schritt werden insbesondere Berufskategorien und Berufsbilder mit hohem Gefährdungspotential noch gezielter angesprochen. Mein persönlicher Wunsch ist, dass sich die Präventionskultur in Südtirol so weit festigt, dass die Kontrollinstanzen von den Arbeitgebern nicht als Last, sondern als Partner gesehen werden“, so Landesrätin Martha Stocker.

“Bezogen auf das Thema der Information und der Weiterbildung im Bereich Arbeitssicherheit zeigt die Studie Licht und Schatten im Hinblick auf das tatsächliche Bewusstsein über die Wichtigkeit von Weiterbildung und auch den persönlichen Einsatz zum Schutz der eigenen Arbeitssicherheit. Die Zahlen zeigen einen konstanten, wenngleich keinen eklatanten Rückgang der Arbeitsunfälle in Südtirol. Dies ist fraglos ein positives Zeichen und findet seine Ursache auch im ständigen Bemühen aller beteiligten Akteure“, betont INAIL-Landesdirektorin Mira Vivarelli.

Abrufbar ist die vollständige Studie auf der Homepage des Instituts: www.afi-ipl.org.

Von: mk

Bezirk: Bozen