Von: luk
Bozen – Auf der Jahresversammlung der Südtiroler Architektenkammer wurden die Themen und Fragen diskutiert, die den Architektenberuf und die Baubranche in den kommenden Jahren nachhaltig prägen werden. Allen voran die Digitalisierung, die in den Architekturbüros schon seit vielen Jahren Realität ist und nun auch in der Öffentlichen Verwaltung Einzug erhalten soll, zur vollständig digitalen Abwicklung aller Akten.
Die Rekord-Anwesenheit von 520 Architektinnen und Architekten bei der Jahresversammlung am vergangenen Freitag, 21. April zeigte das große Interesse der Mitglieder an den brisanten Fragen, die sich für den Berufsstand und aufgrund der Entwicklungen in der Südtiroler Baubranche ergeben. „Die öffentlichen Bauten und die Berufsethik“ lautete das Motto der Veranstaltung im voll besetzten Ortler-Saal im neuen MEC Event-Center der Bozner Messe, bei der neben Landesrat Christian Tommasini auch Abteilungsdirektor Gustavo Mischi und die der Präsidentin der Trientner Architektenkammer Susanna Serafini begrüßt werden konnten, sowie zahlreiche Vertreter verwandter Berufsverbände und Institutionen und eine Reihe von Politikern.
In seiner letzten Rede als Präsident der Kammer betonte Wolfgang Thaler die Hoffnung auf eine noch aktivere Rolle der Architekten im Zusammenspiel mit der Öffentlichen Verwaltung. „Die Architektenkammer hat sehr viel Zeit in konkrete Vorschläge und Mitarbeit investiert, in die längst fällige Überarbeitung des Richtpreisverzeichnisses, in das neue Raumordnungs- und Landschaftsgesetz und in den Bereich des Vergaberechtes.“ Skeptisch ist die Architektenkammer jedoch, was den mehrmals aufgeschobenen Start der digitalen Verwaltung betrifft. Die Landesämter haben zum Teil unterschiedliche Richtlinien für die Übermittlung der digitalen Daten erlassen und verfügen über e-Mail- und PEC-Mail-Postfächer, die für die großen Datenmengen viel zu klein sind. Insgesamt sei das „papierlose Verfahren“ trotz gesetzlicher Vorgaben noch nicht bis in den Büroalltag der Öffentlichen Verwaltungen vorgedrungen, da die Ansuchen immer noch auch in Papierform abgeliefert werden müssen. Die bisherigen Versuche einer Digitalisierung und Vereinheitlichung der Verfahren seien dürftig, bringen einen Mehraufwand statt einen Abbau von Bürokratie.
„Dafür kann es nur eine Lösung geben: eine einzige digitale Plattform, auf der alle Projektdaten, Unterlagen und Gutachten der Ämter zusammengeführt werden. Dieser Vorschlag ist von der Architektenkammer in Gesprächen mit der Landesverwaltung bereits im November 2016 unterbreitet worden, doch wurden die Anliegen und Sorgen der freiberuflichen Architekten bisher kaum berücksichtigt“, berichtete Thaler. Nur mit einer digitalen Plattform könne der ständige Datentransfer via e-Mail auf ein Minimum reduziert und das Problem nicht übereinstimmender Projektunterlagen ausgeschlossen werden. „Unser Ziel ist es, in einer dringend zu gründenden Arbeitsgruppe mit Landesverwaltung und Gemeindenverband vertreten zu sein und aktiv als direkte Partner der Verwaltungen bei den Bauakten unsere bisherigen Erfahrungen mit der digitalen Verwaltung mit einbringen zu können“, forderte Kammerpräsident Thaler.
Landesrat Christian Tommasini stimmte der Forderung der Architekten nach echtem Bürokratieabbau zu und berichtete, dass neben dem Raumordnungsgesetz auch das Wohnbaugesetz in Kürze reformiert werden wird. Als für die Bereiche Hochbau und Wohnungsbau zuständiger Landesrat warte auch er gespannt auf die Neuerungen, welche das neue Raumordnungsgesetz mit sich bringen wird. Darüber hinaus sprach Tommasini über die Kultur des Zusammenlebens und des Zusammenarbeitens als Grundlage unserer demokratischen Gesellschaft.
„Für die Landesabteilung Hochbau und Technischer Dienst bleibt die Architektenkammer weiterhin der erste Ansprechpartner“, bestätigte in seiner Ansprache Abteilungsdirektor Gustavo Mischi. Für die Vergabe von Planungsaufträgen für öffentliche Gebäude der Autonomen Provinz Bozen wird nach wie vor der Planungswettbewerb als bevorzugtes Verfahren angewandt werden, damit der hohe architektonische Qualitätsstandard in Südtirol beibehalten wird. Mischi stellte fest, dass die Zusammensetzung der Wettbewerbs-Jurys von enormer Wichtigkeit sei und bestätigte so die langjährige Haltung der Architektenkammer in diesem Punkt, die stets auf ausgewogene und hochkarätig besetzte Jurys gepocht hatte. Auch beim BIM (Building Information Modeling – Methode der optimierten Planung, Ausführung und Bewirtschaftung von Bauwerken mit Hilfe von Software) werde die Landesverwaltung die aktive Mitarbeit der Architektenkammer benötigen.
Im zweiten Teil der Jahresversammlung wurde der Bilanzabschluss und die Bilanzvorschau einstimmig von den Anwesenden genehmigt. Präsident Thaler gab in seinem Jahresbericht einen Überblick über die unterschiedlichen Initiativen der Architektenkammer, während Carlo Calderan als Präsident der Architekturstiftung Südtirol über das umfangreiche kulturelle Programm berichtete. Anschließend hielt Rechtsanwalt Stephan Vale einen Vortrag über die unterschiedlichen Aspekte des Autorenrechtes für Architekten, und löste damit eine rege Diskussion dazu aus.
Bereits zum dritten Mal ist die Jahresversammlung festlicher Rahmen für die Verleihung der Ehrenmitgliedschaften an langjährige Kammermitglieder für ihre Verdienste um die Architektur und die Baukultur in Südtirol. Landesrat Tommasini und Kammerpräsident Thaler überreichten das goldene Ehrenabzeichen dieses Jahr an Klaus Kompatscher, der in fünf Jahrzehnten eine Reihe bedeutender Schul- und Kulturbauten in ganz Südtirol realisiert hat, sowie an Oswald Zöggeler, neben der Tätigkeit als freischaffender Architekt auch langjähriger Universitätsdozent in Florenz und anderen Universitäten.
Anschließend erhielten 26 Neueingeschriebene die Einschreibungsurkunde und den Architektenstempel aus der Hand von Abteilungsdirektor Mischi. Geehrt wurde auch die langjährige Mitarbeiterin Marina Papadopoli, für 20 Jahre Treue zur Architektenkammer.
In einer bewegenden Rede dankte Vizepräsident Carlo Azzolini abschließend stellvertretend für alle Kammermitglieder dem Präsidenten Wolfgang Thaler für seinen außerordentlichen Einsatz in den letzten acht Jahren, zunächst als Kammersekretär und dann als Präsident. „Dank der vielen Initiativen von Wolfgang Thaler und seinem Team ist die Architektenkammer jetzt ein gut ausgebauter Servicebetrieb, mit konkreten Leistungen und Informationen exklusiv für die Mitglieder, von downloadbaren Honorarberechnungstabellen bis zum umfangreichen Weiterbildungsangebot der neu gegründeten arch.academy und dem 2017 erstmals organisierten regionalen Architektenkongress.“ Im Anschluss an diese Dankesrede gab es stehenden Applaus für den scheidenden Kammerpräsidenten Wolfgang Thaler.