Von: luk
Bozen – Die Einschätzungen der landwirtschaftlichen Genossenschaften zur Ertragslage und zu den Auszahlungspreisen im Jahr 2021 sind eher positiv. Vor allem im Weinsektor scheint sich die Situation im Vergleich zum letzten Jahr zu verbessern, mit einem deutlichen Anstieg der Umsätze. Die Milchwirtschaft ist hingegen sehr besorgt aufgrund der steigenden Betriebskosten. Dies geht aus der Sommerausgabe des Wirtschaftsbarometers des WIFO – Institut für Wirtschaftsforschung der Handelskammer Bozen hervor.
Im Südtiroler Obstbau herrscht bisher ein positives Geschäftsklima. Die meisten Genossenschaften rechnen heuer mit einer befriedigenden Ertragslage. Die Vermarktungssaison für die Ernte 2020 verläuft gut und ist somit im Einklang mit den Erwartungen der Obstgenossenschaften. Dank der hohen Nachfrage beliefen sich die Lagerbestände an Äpfeln in der Region Trentino-Südtirol im Juli auf 15,5 Prozent der Ernte, was dem Durchschnitt der letzten Jahre entspricht. Die Genossenschaften sind jedoch mit einem Rückgang der Verkaufspreise konfrontiert. Sorgen bereiten die Frühjahrsfröste im April, die vor allem den Talboden betrafen, wo die Blüte bereits begonnen hatte.
Die Einschätzungen der Kellereigenossenschaften zur Ertragslage und zu den Auszahlungspreisen im laufenden Jahr sind positiv, dank der allmählichen Rückkehr zur Normalität nach dem COVID-Notstand. Die Kellereien meldeten im April ein Umsatzwachstum um rund 50 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat und fast neun von zehn sind zuversichtlich, heuer ein zufriedenstellendes Betriebsergebnis zu erzielen. Das Umsatzwachstum wird sowohl von den Exporten als auch vom italienischen Markt getrieben. Eine Erholung der Investitionen ist hingegen noch nicht in Sicht. Weitere kritische Punkte sind die steigenden Kosten und die Zahlungsmoral der Kunden, auch wenn sich letztere im Vergleich zum Jahresanfang deutlich verbessert hat.
Etwas mehr Schwierigkeiten gibt es in der Milchwirtschaft. Aufgrund der langsamen Erholung des HoReCa-Vetriebskanals (Hotels, Restaurants und Cafés) tun sich die Sennereien und Molkereien schwer, das Umsatzvolumen von vor der Krise wieder zu erreichen. Große Sorgen bereitet auch die ungünstige Kostenentwicklung aufgrund der Teuerung von Energie und Verpackungsmaterialien. Die schwachen Marktpreise machen es teilweise schwierig, eine angemessene Rentabilität zu erreichen und verschärfen den Konkurrenzdruck. Daher rechnen die Milchgenossenschaften mit rückläufigen Auszahlungspreisen an die Landwirte.
Michl Ebner, Präsident der Handelskammer Bozen, kommentiert: „Die Pandemie hat die Südtiroler Landwirtschaft gezwungen, einige ihrer Geschäftsprozesse zu überdenken. Ich denke zum Beispiel an die massive Nutzung des Online-Vertriebs im Weinsektor, um den Zusammenbruch der traditionellen Vertriebskanäle der Hotels und Restaurants zu kompensieren. Die schnelle Anpassung an das sich verändernde Umfeld ist der Schlüssel, um wettbewerbsfähig zu bleiben und sicherzustellen, dass unsere Landwirte für ihre Arbeit angemessen entlohnt werden.“
Nachfolgend die Stellungnahmen der Vertreter der Wirtschaftsverbände:
Thomas Oberhofer, Obmann VIP
„Die Ernte 2020 befindet sich in den letzten Verkaufsmonaten und ist mit befriedigenden Erlösen verplant. Es bleibt aus Sicht des Vinschgaus der Wermutstropfen, dass die Ernte 2020 insgesamt 20 Prozent unter einer Normalmenge lag. Für die Ernte im kommenden Herbst schätzen wir hingegen eine sehr gute Menge mit guter Qualität.“
Joachim Reinalter, Obmann des Sennereiverbandes Südtirol
„Derzeit ist keine Erhöhung der Preise auf dem Markt durchsetzbar. Zudem sind die Bauern mit explodierenden Futterpreisen und neuen Auflagen konfrontiert, während in den Milchhöfen vor allem die Ausgaben für Energie und Verpackungsmaterial stark steigen. Dies schmälert den finanziellen Spielraum für die Milchwirtschaft. Die Bauern stehen also in der gesamten Wertschöpfungskette allein da, wenn es um das Schultern der Kostensteigerungen geht.“
Leo Tiefenthaler, Obmann des Südtiroler Bauernbundes und der Kellerei Tramin
„Bis auf einige Ausnahmen meistert die Südtiroler Landwirtschaft diese schwierige Zeit gut. Das ist auch auf die hohe Qualität und das gut funktionierende Genossenschaftswesen zurückzuführen. Sollte die Corona-Situation einigermaßen stabil bleiben, bin ich für das heurige Jahr zuversichtlich.“