Von: luk
Bozen – 78 Prozent der Südtiroler Arbeitnehmer befürworten, dass nur mehr jene Unternehmen in den Genuss des reduzierten IRAP-Steuersatzes kommen, deren Löhne den Südtiroler Lebenshaltungskosten gerecht werden. AFI-Direktor Stefan Perini: „Die IRAP-Senkung an Bedingungen knüpfen würde dem Landeshaushalt zusätzliches Geld zuführen, das für soziale Maßnahmen oder für Lohnanpassung im öffentlichen Dienst noch zusätzlich zur Verfügung stünde“.
Neben der Differenzierung beim regionalen IRPEF-Zuschlag und bei der Gemeindeimmobiliensteuer GIS hat die Landesregierung einen weiteren Pfeil im Köcher: Der abgesenkte IRAP-Satz zugunsten der heimischen Unternehmen soll zum Teil an die angemessene Entlohnung ihrer Arbeiter und Angestellten geknüpft werden.
Die AFI-Überlegung
Eine Maßnahme, die allerdings dem AFI in dieser Ausformulierung nicht weit genug reicht. Zu wenig deutlich ginge hervor, an was die „teilweise Reduzierung“ festgemacht würde. Des Weiteren stelle sich die Frage, ob es sich um einen Abschlag vom gesamtstaatlichen IRAP-Satz von 3,90 Prozent handle oder ob es ausgehend vom aktuellen Satz von 2,68 Prozent als weiteres Steuergeschenk an tugendhafte Unternehmen zu interpretieren sei. AFI-Direktor Stefan Perini: „Wirkung erzeugt die Maßnahme erst, wenn sich die Landesregierung zu einem radikalen Schritt durchringt: die bedingungslose IRAP-Reduzierung zurücknimmt, die IRAP wieder auf den Normalsteuersatz von 3,90 Prozent bringt und die Anwendung eines reduzierten Steuersatzes an transparente und überprüfbare Kriterien koppelt.“
Was Südtirols Arbeitnehmer dazu sagen
Im Sonderteil des AFI-Barometers hat das Arbeitsförderungsinstitut deshalb Südtirols Arbeitnehmer befragt, was sie davon halten, die Reduzierung der regionalen Wertschöpfungssteuer IRAP nur mehr jenen Unternehmen einzuräumen, welche ihren Mitarbeitern eine Entlohnung garantieren, welche an den Südtiroler Lebenshaltungskosten angepasst ist.
Das Ergebnis: 78 Prozent der Südtiroler Arbeitnehmer befürworten dieses Modell, 16 Prozent zeigen sich neutral, sechs Prozent sprechen sich dagegen aus. Überdurchschnittlich starken Anklang findet der Vorschlag bei den Frauen (84 Vorschau AFI-Barometer), bei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern über 50 (83 Prozent), bei Teilzeitbeschäftigten (85 Prozent) und im städtischen Umfeld (82 Prozent) – kurzum, bei den etwas verwundbareren Beschäftigungsgruppen.
Der „Südtirol-Lohn“: Wie er funktionieren könnte
Den reduzierten IRAP-Satz von 2,68 Prozent soll es in Zukunft nur mehr für jene Unternehmen geben, die den „Südtirol-Lohn“ zahlen. In einem ‚Pakt für Südtirol‘ zwischen Sozialpartnern und Politik verpflichten sich die Arbeitgebervertretungen, die territorialen Abkommen ihrer Branchen dahingehend anzupassen, dass die Grundlöhne mindestens 20 Prozent über dem entsprechenden nationalen Branchen-Kollektivvertrag liegen. 20 Prozent – das ist das Differential zwischen den Südtiroler und den gesamtstaatlichen Lebenshaltungskosten. Alle einem Verband angeschlossenen Unternehmen, für die ein territoriales Abkommen mit diesem Inhalt unterzeichnet wird, wenden automatisch den verminderten Steuersatz an. Die Vergünstigung können auch Unternehmen mit einem gewerkschaftlich ausgehandelten Betriebsabkommen beanspruchen, wobei das Unternehmen in diesem Fall beweisen muss, dass es tatsächlich den „Südtirol-Lohn“ zahlt. Zu diesem Zweck wird beim Arbeitsinspektorat eine Hinterlegungsplicht für territoriale und Betriebsabkommen eingeführt.
Der zu erwartende Effekt
Für die vorbildlichen Südtiroler Unternehmen ändert sich nichts. All jene, die bereits den „Südtirol-Lohn“ oder mehr zahlen, kommen auch morgen in den Genuss des herabgesetzten IRAP-Satzes – im Gegenzug wird Lohndumping steuerlich nicht mehr belohnt. Die Pflicht der Verankerung durch territorialen Kollektivverträge verleiht der Sozialpartnerschaft neuen Schwung. Des Weiteren entlastet die bessere Verteilung der Primäreinkommen mittelfristig den Landeshaushalt und schafft neue Spielräume für strategische Vorhaben in öffentlichem Interesse. Der „Südtirol-Lohn“ dient bei öffentlichen Ausschreibungen als Zugangsbedingung. Dies schirmt – durchaus konform mit der EU-Gesetzgebung – den heimischen Markt vor unlauterer Konkurrenz ab.
Das AFI-Barometer erscheint viermal im Jahr (Winter, Frühjahr, Sommer, Herbst) und gibt das Stimmungsbild der Südtiroler Arbeitnehmerschaft wieder. Die telefonisch geführte Umfrage betrifft 500 Arbeitnehmer und ist für Südtirol repräsentativ.