Außergerichtlichen Streitbeilegung

Beschwerden nach Internetkäufen: So online lösen

Dienstag, 28. März 2017 | 10:55 Uhr

Von: luk

Bozen – In Europa hat einer von fünf Verbrauchern ein Problem im Zusammenhang mit dem Kauf eines Produktes oder einer Dienstleistung. In 66 Prozent der Fälle erfolgte der Kauf online. Welche Instrumente stehen dem Verbraucher zur Lösung dieser Beschwerden zur Verfügung? Das Europäische Verbraucherzentrum gibt dazu Auskunft.

Grundsätzlich haben die Verbraucher zwei Möglichkeiten, eine Beschwerde mit einem Unternehmen zu lösen: vor Gericht zu gehen oder sich an ein außergerichtliches Streitbeilegungsorgan zu wenden.

Die erste Möglichkeit, also jene des Zivilprozesses, wird bei Verbraucherstreitigkeiten nur selten gewählt: Sie ist zu teuer und zu langwierig, gerade in Anbetracht der Tatsache, dass sich der Streitwert häufig auf ein Paar hundert Euro beschränkt. Zudem werden die Online-Käufe häufig bei einem Unternehmen getätigt, welches seinen Sitz in einem anderen EU-Land hat. In diesem Fall kommen zu den Verfahrenszeiten und Gerichtskosten noch Sprachbarrieren, Probleme bezüglich des anwendbaren Rechtes sowie des zuständigen Gerichts hinzu.

Die zweite Option, jene der außergerichtlichen Streitbeilegung (bekannt unter dem englischen Akronym ADR – Alternative Dispute Resolution), scheint hingegen besonders für Fragen zwischen b2c (d. h. zwischen einem Unternehmen – business – und einem Verbraucher – consumer) geeignet zu sein. Die Inanspruchnahme von ADR-Organen ist für die Verbraucher (und auch für die Unternehmen) aufgrund der geringen Kosten und der, im Vergleich zur ordentlichen Gerichtsbarkeit, viel kürzeren Verfahrensdauer äußerst vorteilhaft. Man wendet sich dabei an einen neutralen und qualifizierten Dritten (Mediator, Schlichter, Schiedsgericht, Ombudsmann), welcher als Vermittler zwischen dem Verbraucher und dem Unternehmen agiert, und welcher den Parteien eine Lösung vorschlägt oder auferlegt oder ihnen einfach hilft, eine Vereinbarung zu finden. Bei Online-Käufen kommt noch das „Hindernis“ der geographischen Distanz hinzu; dieses kann mit den sogenannten ODR (Online Dispute Resolution) überwunden werden, also mit Streitbeilegungsorganen, die online funktionieren.

Seit 15. Februar 2016 können sich alle Verbraucher, die Probleme mit einem Online-Kauf haben (auch wenn dieser vor diesem Datum getätigt wurde), unabhängig davon, ob der Unternehmer seinen Sitz in einem an – deren EU-Mitgliedstaat oder in Italien hat, an eine interaktive Webseite (http://ec.europa.eu/consumers/odr/) wenden, welche von der Europäischen Kommission für die Lösung von Streitigkeiten zur Verfügung gestellt wurde: die sogenannte ODR–Plattform. Die Plattform ist kostenlos und leicht zu handhaben; sie gibt dem Verbraucher die Möglichkeit, seine Beschwerde durch das Ausfüllen eines elektronischen Formulars, welches in allen offiziellen EU-Sprachen verfügbar ist, online einzureichen. Dem Unternehmer wird eine Mitteilung über die erfolgte Eröffnung einer Beschwerde gegen ihn geschickt (diese ist auf der ODR–Plattform einsehbar). Ist der Unternehmer an einer Lösung der Beschwerde interessiert, so schlägt er dem Verbraucher ein ADR-Organ vor, dessen Dienstleistung für den Verbraucher jedoch Kosten mit sich bringen kann. Stimmt der Verbraucher dem vom Unternehmen vorgeschlagenen ADR-Organ zu, leitet die Plattform die Beschwerde automatisch an dieses Organ weiter, welches innerhalb von 90 Tagen eine Lösung vorschlägt.

Im ersten Tätigkeitsjahr der ODR-Plattform wurden bei dieser insgesamt 24.000 Beschwerden eingereicht. Die meisten Beschwerden betrafen Kleidung, Flugtickets und elektronische Geräte. Während des gesamtes Verfahrens sind die Verbraucher jedoch nicht auf sich allein gestellt. In jedem Mitgliedstaat wurde eine ODR-Kontaktstelle eingerichtet, deren Aufgabe es ist, über die Funktionsweise der Plattform und über die von den ADR-Organen angewandten Verfahren zu informieren sowie den Verbraucher bei der Eingabe der Beschwerde über die ODR-Plattform zu unterstützen. Zudem hat die ODR-Kontaktstelle die Aufgabe, den Verbraucher über weitere Rechtsmittel zu informieren, wenn es nicht möglich war, die Beschwerde über die Plattform zu lösen. In Italien wurde das Europäische Verbraucherzentrum Italien zur Kontaktstelle ernannt.

“Wir möchten daran erinnern, dass Unternehmen, die ihre Tätigkeit online ausüben, verpflichtet sind, die Verbraucher über das Bestehen der ODR–Plattform sowie über die Möglichkeit, sich an diese zur Lösung von Streitigkeiten zu wenden, zu informieren; auch müssen sie ihre Webseite mit einem elektronischen Link zur ODR–Plattform versehen”, so das EVZ.

 

Bezirk: Bozen