Von: luk
Bozen – Ohne die Leistungen des Wohlfahrtsstaates wäre gut jede vierte Familie in Südtirol armutsgefährdet. Dank der öffentlichen Sozial- und Rentenleistungen trifft die Armut nicht mehr 26,3 Prozent, aber immer noch 16,6 Prozent der Südtiroler Haushalte, so das AFI in einer Aussendung. „Der Wohlfahrtsstaat erfüllt die große Aufgabe eines Garanten für die soziale Gerechtigkeit und eine faire Verteilung des Wohlstandes“, ist AFI-Präsidentin Christine Pichler überzeugt. Mehr tun sollte die öffentliche Hand nach Ansicht der Südtiroler Arbeitnehmer in den Bereichen Pflege und Gesundheitsversorgung.
Im aktuellen AFI-Barometer stufen 83 Prozent der Südtiroler Arbeitnehmer die sozialen Unterschiede im Land als „groß“ oder „sehr groß“ ein. Neben der persönlichen Wahrnehmung lässt sich dieses Phänomen auch nach statistisch in Europa vergleichbarer Methoden erfassen. Das ASTAT rechnet vor, dass die „Oberen zehn Prozent“ der Südtiroler Haushalte 9,2 Mal so viel Einkommen einstreichen als die „Unteren zehn Prozent“. Weiter noch: 16,6 Prozent der Südtiroler Haushalte leben in relativer Armut. Dieser Anteil würde um fast zehn Prozentpunkte ansteigen, gäbe es die sozialen Transferleistungen nicht. Doch wie steht es um die Akzeptanz des Wohlfahrtsstaates in Südtirol? Was soll auf jedem Fall in den Verantwortungsbereich der öffentlichen Hand fallen? Wo sollte mehr und wo weniger ausgebeben werden? Auch auf diese Fragen haben Südtirols Arbeitnehmer geantwortet.
Arbeitnehmer schätzen den Wohlfahrtsstaat
Für Südtirols Arbeitnehmer steht der Nutzen des Wohlfahrtsstaates außer Frage. 60 Prozent der Befragten stimmen der Aussage zu, Sozialleistungen würden zu mehr Gerechtigkeit in der Gesellschaft führen. 55 Prozent sagen, der Wohlfahrtsstaat verhindere, dass die Armut weiter wächst. Nur 31 Prozent sehen im Sozialstaat eine zu starke Belastung für die Volkswirtschaft. Der Aussage, Sozialleistungen würden Menschen faul machen, bejahen 30 Prozent der interviewten Personen.
Kernbereiche sollen in öffentlicher Hand bleiben
99 Prozent der Arbeitnehmer sehen die öffentliche Hand in der Verantwortung, eine angemessene Pflege im Alter und bei Invalidität zu gewährleisten. 98 Prozent sind der Meinung, dass auch die Gesundheitsversorgung in den Händen von Land und Staat am sichersten ist. 95 Prozent sind davon überzeugt, dass es Aufgabe der öffentlichen Hand ist, Schülern und Studierenden aus einkommensschwachen Familien finanzielle Unterstützung zu gewähren. 87 Prozent sprechen sich dafür aus, die öffentliche Hand möge angemessene Wohnungen für diejenigen zur Verfügung stellen, die sich eine solche finanziell nicht leisten können. Für 84 Prozent der Südtiroler Arbeitnehmer steht der Wohlfahrtsstaat in der Verantwortung, die Einkommensunterschiede zwischen Arm und Reich abzubauen. Für 74 Prozent der Befragten ist die Sicherung eines angemessenen Lebensstandards für die Arbeitslosen eine weitere wichtige Aufgabe des Wohlfahrtsstaates. Dazu AFI-Forscher Friedl Brancalion: „Südtirols Arbeitnehmer befürworten ein breitgefächertes Sozialsystem, welches alle Bereiche eines modernen Wohlfahrtsstaates abdeckt.“
Mehr Geld für Pflege und Sanität
Mehrbedarf sehen die Befragten fast überall, nur mit unterschiedlicher Priorität. Nach Einschätzung der Südtiroler Arbeitnehmer sollte vor allem in folgenden Bereichen mehr getan werden: Alter, Invalidität und Pflege (76 Prozent sprechen sich dafür aus, hier mehr Geldmittel zur Verfügung zu stellen), Familie und Kinder (67 Prozent), Bildung (64 Prozent) und Sanität (60 Prozent). Für eine Beibehaltung der aktuellen Ausgabeniveaus sprechen sich die Befragten größtenteils in der Arbeitslosenunterstützung (51 Prozent für gleichbleibende Ausgaben), der Wohnbauförderung (45 Prozent) und der sozialen Ausgrenzung (42 Prozent) aus.
Das AFI-Barometer erscheint viermal im Jahr (Winter, Frühjahr, Sommer, Herbst) und gibt das Stimmungsbild der Südtiroler Arbeitnehmerschaft wieder. Die telefonisch geführte Umfrage betrifft 500 Arbeitnehmer und ist für Südtirol repräsentativ.