Lebensqualität wird geschätzt

Der ländliche Raum in Südtirol punktet auch bei Zu- und Rückwanderern

Dienstag, 26. Januar 2021 | 17:55 Uhr

Bozen – Im Mittelpunkt einer Online-Veranstaltung, die von der Plattform Land und dem WIFO – Institut für Wirtschaftsforschung der Handelskammer Bozen organisiert wurde und an der über 110 Interessierte teilnahmen, sind die Zuwanderung, die Abwanderung und die Rückkehr in den ländlichen Raum in Südtirol gestanden. Dabei zeigte sich, dass die ländlichen Gemeinden vor allem in Bezug auf die Lebensqualität, die Ruhe, die Landschaft sowie Familienplanung punkten können.

In den letzten Jahren zogen mehr Personen nach Südtirol als ins Ausland abwanderten. Im Jahr 2019 verzeichnete Südtirol einen positiven Wanderungssaldo von + 1.484 Personen (17.000 Abwanderungen und 18.484 Zuwanderungen; ASTAT 2019). Dabei wurden erhöhte Wanderungstendenzen vor allem in Richtung der urbanen Räume ersichtlich, während in ländlichen Räumen (d. h. Gemeinden mit weniger als 10.000 Einwohnern) der Wanderungssaldo entweder ausgeglichen oder leicht negativ war. Im Rahmen des Online-Events stellten das WIFO und Eurac Research die Ergebnisse ihre Studien zur Zu-, Ab- und Rückwanderung in den ländlichen Raum in Südtirol vor.

Die Analyse des WIFO – Institut für Wirtschaftsforschung der Handelskammer Bozen konzentrierte sich dabei auf die Zuwanderung im ländlichen Raum. Die Familie, der Partner bzw. die Partnerin und die Arbeit waren für die meisten der 30 interviewten Zuwanderinnen und Zuwanderer die Hauptmotive für den Umzug nach Südtirol. Doch was macht den ländlichen Raum für die zugewanderten Personen attraktiv und auf welche Schwierigkeiten sind sie gestoßen? Die Antworten darauf fallen sehr unterschiedlich aus: So stellten die Aspekte Arbeit finden, Wohnung finden oder Integration in die Dorfgemeinschaft für einige Zuwanderinnen und Zuwanderer eine Herausforderung dar, während die gleichen Anforderungen für andere problemlos waren. Die Bewertung des ländlichen Raumes in Südtirol hängt dabei entscheidend von den persönlichen Erwartungen, dem Herkunftsland und der beruflichen Qualifikation der zugewanderten Personen ab.

Es gibt allerdings auch einige Aspekte, bei denen sich die Zugewanderten einig sind: So kann der ländliche Raum in Südtirol beispielsweise mit einer hohen Lebensqualität, einer angenehmen Ruhe und der schönen Landschaft punkten. Ein Manko stellt jedoch z.B. die Erreichbarkeit dar: In einigen Gemeinden ist die Anbindung an das öffentliche Verkehrsnetz – vor allem in den Abendstunden – nicht zufriedenstellend, wodurch man für berufliche und private Fahrten auf das Privatauto angewiesen ist. Außerdem gibt es in den ländlichen Gemeinden weniger Kulturangebote und Einkaufsmöglichkeiten als in einer Stadt, was allerdings nicht unbedingt von allen negativ bewertet wird, sondern als eines der Charakteristika des ländlichen Raumes gesehen wird.

Die Präsentation von Eurac Research, die im Auftrag der Plattform Land, die sich für den lebendigen ländlichen Raum einsetzt, erstellt wurde, legte hingegen den Fokus auf die Abwanderung und Rückkehr in den Südtiroler ländlichen Raum. Hierbei wurde zwischen temporären und definitiven Abwanderern unterschieden, denn eine Erstabwanderung von Jugendlichen erfolgt vor allem aus Ausbildungsgründen und stellt somit eine temporäre Abwanderung dar. Während dieser Phase haben ländliche Gemeinden nur geringe Einflussmöglichkeiten auf das Wanderungsverhalten. Diese temporäre Abwanderung kann schließlich in eine definitive Abwanderung oder eine Rückwanderung münden. Das Fazit der Eurac-Studie: Die ländlichen Gemeinden müssen sich ihrer Stärken bewusst werden und konkret auf diese eingehen, um positiv auf das Rückwanderungsverhalten von temporären Abwanderern einwirken zu können. Die Stärken liegen vor allem im Bereich der wahrgenommenen Lebensqualität sowie der leichteren Familiengründung aufgrund der natürlichen sowie sozialen Ressourcen des ländlichen Raumes.

Die Ergebnisse der beiden Erhebungen wurden durch persönliche Schilderungen und Erfahrungen von Zu-, Ab- und Rückwanderern ergänzt. Ein Rückwanderer stellte klar, dass vor allem die Unterstützung der Ursprungsfamilie in Südtirol, verstärkt durch eine qualifizierte Arbeitsmöglichkeit, ausschlaggebend für die Rückwanderung war. Während eine Abwanderin die mangelnde Offenheit gegenüber ausländischen Zuwanderern im ländlichen Raum sowie fehlende hochqualifizierte Arbeitsplätze als Hauptmotiv für Ihre Abwanderung schilderte. Eine Zuwanderin hatte vor ihrem Umzug auch städtische Gemeinden in Betracht gezogen, sich aber schließlich ganz bewusst für eine ländliche Gemeinde in Südtirol entschieden. Der ländliche Raum stellt für sie eine optimale Umgebung für ihre Familie und ihre Kinder dar.

sbb

„Der ländliche Raum in Südtirol ist auch für zugewanderte Personen ein attraktiver Wohn- und Arbeitsort. Damit der ländliche Raum auch in Zukunft attraktiv bleibt, ist es notwendig, die Verkehrsinfrastrukturen weiterzuentwickeln und die Abdeckung mit Breitbandinternet voranzutreiben“, betonte Handelskammerpräsident Michl Ebner.

Marina Crazzolara-Rubatscher, Präsidentin des Beirates zur Förderung des weiblichen Unternehmertums der Handelskammer, ergänzte: „Es ist wichtig, dass auch die Bedürfnisse der Frauen im ländlichen Raum – sowohl in beruflicher als auch privater Sicht – stärker in den Fokus gesetzt werden und ihnen die nötige Unterstützung geboten wird.“

Abschließend zog Andreas Schatzer, Präsident der Plattform Land, als Fazit die Wichtigkeit einer frühen Bindung an den ländlichen Raum und den gemeinschaftlichen Ansatz zur Bewältigung der Situation: „Wer bereits in Kindheit und Jugend positive Erfahrungen mit seiner ländlichen Gemeinde gemacht hat, wird später eher bleiben bzw. zurückzukehren. Daher muss die Kinder- und Jugendfreundlichkeit für die Gemeinden ein wichtiges Anliegen sein. Für einen lebendigen ländlichen Raum braucht es alle, sowohl Dableiber als auch Rückkehrer und Zuwanderer. Diese große Aufgabe kann nur gemeinschaftlich durch öffentliche und private Initiativen gestemmt werden.“

Von: mk

Bezirk: Bozen