Von: mk
Bozen – 30 Prozent der Südtiroler Erwerbstätigen wollen sich weiterbilden, um ihre Arbeitsaufgaben gut zu bewältigen. Etwas mehr als die Hälfte der Arbeitnehmer haben eine vom Arbeitgeber bezahlte und organisierte Weiterbildung erhalten. Das ist ein europäischer Spitzenwert, den die EWCS-Erhebung des AFI | Arbeitsförderungsinstitutes zur Weiterbildungsquote von Erwerbstätigen zu Tage gefördert hat. Allerdings: „Mit 85 Prozent weisen akademisch gebildete Berufstätige die höchste Teilnahmequote an Fortbildung auf, Hilfsarbeitskräfte mit 16 Prozent die niedrigste – das ist ein Matthäus-Effekt, der korrigiert werden muss“, sagt AFI-Forschungsmitarbeiter Werner Pramstrahler.
In Südtirol geben 55 Prozent der Beschäftigten an, gemäß ihren Fähigkeiten und Fertigkeiten eingesetzt zu werden; 15 Prozent schätzen, sie könnten auch anspruchsvollere Arbeiten erledigen, 30 Prozent sagen, dass Weiterbildung nötig sei, um für die anstehenden Arbeitsaufgaben gut gerüstet zu sein.
Luft nach oben in der beruflichen Weiterbildung
58 Prozent der für die AFI-Studie interviewten Arbeitnehmer und Selbstständigen haben in den 12 Monaten vor dem Befragungszeitpunkt jene Schulungen und Fortbildungen besucht, die vom Arbeitgeber oder Selbstständigen bezahlt bzw. organisiert waren. „Dies ist europaweit ein Spitzenwert“, kommentiert Werner Pramstrahler, „denn nur Finnland mit 54 Prozent und Tschechien mit 52 Prozent liegen wie Südtirol über der 50 Prozent-Marke.“ Von den Arbeitnehmern, die an Schulungen teilgenommen hatten, sind 30 Prozent „voll und ganz“ der Meinung, die Weiterbildung habe geholfen, ihre Arbeitsweise zu verbessern. „Nachdem der entsprechende EU-Benchmark allerdings 42 Prozent beträgt, dürfen wir davon ausgehen, dass in Südtirol beim Wirkungsgrad der Fortbildung noch deutlich Luft nach oben besteht“, stellt Werner Pramstrahler, Autor der Studie, fest. Mit anderen Worten: Die Quantität stimmt, an der Qualität ist noch zu arbeiten.
Wer bildet sich beruflich am meisten weiter?
Bezogen auf alle befragten Beschäftigten zeigt sich, dass Inhaber akademischer Berufe mit 85 Prozent die höchste Teilnahmequote an Fortbildung/Schulung aufweisen, Hilfsarbeitskräfte mit 16 Prozent die niedrigste. Es sind vor allem jüngere Erwerbstätige, die sich an Fortbildungen und Schulungen beteiligen (60 Prozent), bei den über 50-jährigen sinkt der Anteil auf 50 Prozent. Die Teilnahmequoten unterscheiden sich nach Wirtschaftsbranche: Mit Werten von 60 und mehr Prozent besonders weiterbildungsaffin sind vor allem die Branchen Unterricht und Erziehung, das Gesundheits- und Sozialwesen sowie das Baugewerbe; das Schlusslicht bildet hingegen das Gastgewerbe mit 38 Prozent.
Der Matthäus-Effekt
Südtiroler Beschäftigte genießen im internationalen Vergleich ein hohes Maß an beruflicher Weiterbildung. Allerdings ist etwas festzustellen, das in der Fachsprache als „Matthäus-Effekt“ bekannt ist (die mehr haben, bekommen noch mehr, die weniger haben noch weniger). Demnach nutzen Berufstätige mit höheren Studienabschlüssen und in höherer beruflicher Stellung die berufliche Weiterbildung mehr als niedriger qualifizierte und positionierte Erwerbstätige. Somit verteile sich die berufliche Weiterbildung selbst in einem ausdifferenzierten und gut funktionierenden System wie in Südtirol ungleichmäßig und werfe gewissermaßen unerwünschte Falten, so Pramstrahler.
Hilfreiches Netzwerk
„Berufliche Weiterbildung ist das Um und Auf in der modernen Arbeitswelt, deshalb ist das entstehende Netzwerk von öffentlichen wie privaten Bildungsträgern in Südtirol sehr zu begrüßen. Der Zugang zur beruflichen Weiterbildung gerade für Arbeitnehmer mit geringer Qualifikation und mit fragileren Arbeitsverträgen erfordert allerdings ein stärkeres Engagement der Kollektivvertragsparteien“, bringt Werner Pramstrahler vom AFI die Schlussfolgerungen der Studie auf den Punkt. Um die Qualität der beruflichen Weiterbildung in Südtirol auch in Zukunft sicher zu stellen, seien gezielte Erhebungen und darauf aufbauend Maßnahmen nötig, wünscht sich der Forschungsmitarbeiter des AFI.
Abrufbar ist die vollständige Studie auf der Homepage des Instituts: www.afi-ipl.org