Studie von Eurac Research

Die Alpen: Von existentiellem Wert für die Menschen

Donnerstag, 06. Juni 2019 | 11:00 Uhr

Von: luk

Bozen – Millionen von Menschen im Umland der Alpen profitieren vom Trinkwasser, das seinen Ursprung in den Bergen hat. Urlauber aus der ganzen Welt finden Erholung in den Alpen. Diese mildern mit ihren Wäldern die Auswirkungen unserer Emissionen. Die alpinen Ökosysteme erbringen noch mehr lebenswichtige Leistungen, ohne dass sich die Menschen ihrer immer bewusst sind. Forscher von Eurac Research haben eine Reihe solcher Ökosystemleistungen im Alpenraum kartiert. Darüber hinaus machen sie mit konkreten Zahlen das Angebot und die Nachfrage greifbar, wie diese Leistungen nicht nur im Bergebiet selbst, sondern auch im Umland und sogar global eine existentielle Rolle für die Menschen spielen. Damit wollen die Forscher den Wert der Alpen deutlich machen und Politikern und Verwaltern eine Entscheidungshilfe an die Hand geben, um Berggebiete nachhaltig weiterzuentwickeln. Die Ergebnisse sind im internationalen Fachmagazin „Scientific Reports“ publiziert.

Die alpinen Ökosysteme liefern Trinkwasser, erhöhen den Schutz vor Naturgefahren, bieten Erholung, sie produzieren Grünlandfutter, binden das von uns im Übermaß ausgestoßene CO2; Tiere und Pflanzen, die symbolisch für die Alpen stehen – wie das Edelweiß oder der stolze Adler –, werden weltweit vermarktet. Diese sechs so genannten Ökosystemleistungen analysierten die Forscher von Eurac Research im Detail und zeigten auf, inwieweit sie weltweit von Bedeutung sind.

Anschaulich zeigen sie etwa am Beispiel des Trinkwassers aus dem Bodensee, was die Alpen leisten: Das Wasser des Bodensees besteht zum Großteil, nämlich zu 78 Prozent aus Regen- und Schmelzwasser, das aus den Alpen stammt. Die Bodensee-Wasserversorgung beliefert rund vier Millionen Menschen in ganz Baden-Württemberg mit Trinkwasser aus dem Bodensee. Es gelangt über ein 1.700 Kilometer langes Leitungssystem in die Haushalte und benötigt etwa sieben Tage, um von der Entnahme im See bis zu den entferntesten Verbrauchern im nördlichen Baden-Württemberg zu kommen. „An diesem Beispiel wird deutlich: Der Mensch greift ein, baut Leitungen und macht sich auch über weite Wege das zunutze, was die Natur bietet“, erklärt die Erstautorin der Studie, Uta Schirpke von Eurac Research. „Wir haben im gesamten Alpenraum quantifiziert, was an Ökosystemleistungen produziert wird und wie viel potentiell zur Verfügung steht. Dann haben wir untersucht, wie groß der Bedarf der Menschen ist. Zusätzlich haben wir analysiert, wo diese Leistungen aktuell genutzt werden und wie sie transportiert werden. Kurz gefasst, haben wir Angebot und Nachfrage untersucht, sowie den Leistungstransfer“, führt Schirpke weiter aus. Genau zu wissen, wo und in welcher Menge Ressourcen verbraucht werden, ist für die nachhaltige Entwicklung von entscheidender Bedeutung. „Der italienische Alpenraum produziert nicht genug Futtermittel für die vielen Nutztiere. Daher werden rund 75 Prozent an Futtermitteln dazugekauft. 70 Prozent davon sind durch Getreide aus Europa gedeckt, 30 Prozent werden aus Süd- und Mittelamerika, den USA oder Australien importiert, was mit langen Transportwegen und zusätzlichen Emissionen einhergeht“, erklärt Erich Tasser von Eurac Research, Koautor der Studie, und spezifiziert: „Südtirol ist in diesem Punkt etwas nachhaltiger, weil hier etwas mehr als die Hälfte des Futtermittelbedarfs auf dem eigenen Grünland produziert wird.“

Überschuss offenbart sich hingegen in Bezug auf die Erholungsleistung der Alpen: Menschen aus aller Welt kommen hierher, um die Landschaft zu genießen – zehn Prozent des Welttourismus spielen sich im verhältnismäßig kleinen Alpenraum ab.

Wie die Forscher unterstreichen, hat jede Entscheidung zur regionalen Entwicklung auch Auswirkungen auf die Natur und zwar manchmal auch weltweit. Daher ist diese Studie eine wichtige Grundlage für eine vorausschauende Planung, denn „nur so kann garantiert werden, dass die existentiellen Dienste, die die Alpen liefern, auch noch zukünftigen Generationen zugutekommen“, resümiert Ulrike Tappeiner, Mitautorin und Leiterin des Instituts für Alpine Umwelt von Eurac Research.

 

Unter folgendem Link kann die in „Scientific Reports“ publizierte Studie heruntergeladen werden: https://www.nature.com/articles/s41598-019-43229-z

Bezirk: Bozen