Von: mk
Bozen – Klimawandel und Nachhaltigkeit, Flächenschutz und Großraubwild – die Landwirtschaft steht vor vielen Herausforderungen. Bei der Bauernbund-Landesversammlung wurde aber auch deutlich: Die Landwirtschaft stellt sich diesen großen Themen – im respektvollen Dialog mit Politik und Gesellschaft, mit Verantwortungsbewusstsein für künftige Generationen.
Seit jeher werden Bauernhöfe von einer Generation an die nächste übertragen. „Deshalb liegt nachhaltiges Wirtschaften in der DNA der bäuerlichen Familien, denn wir denken in Generationen“, unterstrich Leo Tiefenthaler das Motto der diesjährigen Landesversammlung des Südtiroler Bauernbundes im Waltherhaus in Bozen.
Aber um ihre Betriebe in die Zukunft führen zu können, brauchen bäuerliche Familien ein entsprechendes Einkommen und eine sichere Grundlange für die landwirtschaftliche Produktion, nämlich Grund und Boden. „Wir setzen große Hoffnungen in das neue Landesgesetz für Raum und Landschaft. Es muss Grund und Boden besser schützen!“, forderte Tiefenthaler, beispielsweise durch die Nutzung bestehender leerstehender Gebäude. Dadurch könne viel Bauland eingespart werden. Trotzdem müssen sich Betriebe aber auch in Zukunft weiterentwickeln können. „Das ist kein Widerspruch zu einem besseren Flächenschutz, sondern mit der Nutzung von leerstehenden Beständen und guter Planung machbar“, meinte der Landesobmann.
Entwicklungsmöglichkeiten für die Betriebe seien vor allem für die bäuerliche Jugend wichtig. „Anders als in vielen anderen Teilen Europas wollen junge Menschen in Südtirol noch einen Bauernhof übernehmen“, meinte Tiefenthaler. Ihnen müsse man nicht nur weiterhelfen, sondern auch Anerkennung und Respekt entgegenbringen. „Nur wenn ihre Arbeit wertgeschätzt wird und sie mit ihren Höfen genug zum Leben verdienen, werden junge Menschen weiterhin bereit sein, diese Verantwortung zu übernehmen.“
Alle müssen Verantwortung übernehmen
Bäuerinnen und Bauern arbeiten mitten in der Natur und sind sich ihrer Verantwortung für die Umwelt bewusst. Immerhin sind sie auch die ersten, die die Herausforderungen der Zukunft zu bewältigen haben: Zum Beispiel, wenn es um den Klimaschutz geht. „Denn vom Klimawandel sind besonders wir Menschen auf dem Land betroffen, die von der Landwirtschaft leben müssen. Wir spüren als erste, wenn der Regen ausbleibt oder der Hagel die Ernte vernichtet“, stellte Tiefenthaler klar. Natürlich trage die Landwirtschaft auch ihren Teil zum Klimawandel bei. Leider werde aber eines häufig übersehen: „Die Landwirtschaft ist Teil der Lösung, den landwirtschaftlich genutzte Flächen und Kulturen binden Kohlendioxid.“
Mit Blick auf die kommenden Generationen sei die Nachhaltigkeit der landwirtschaftlichen Produktion weiterzuentwickeln, unterstrich Leo Tiefenthaler, rief aber auch die Konsumentinnen und Konsumenten in die Pflicht: „Wer mehr Nachhaltigkeit von der Landwirtschaft fordert, muss auch bereit sein, entsprechend einzukaufen“, meinte er. Die beste Unterstützung für die heimische Landwirtschaft sei der Kauf lokaler Lebensmittel. Hier seien die privaten Haushalte gefordert, aber genauso Tourismus und öffentliche Einrichtungen.
Unterstützung forderte Tiefenthaler zudem beim Thema Großraubwild: Wolf und Bär seien eine Gefahr vor allem für die Almwirtschaft und damit für unsere einzigartige und wertvolle Kulturlandschaft. Daher brauchte es rasch ein Großraubtier-Management.
Mit Blick in die Zukunft
Über 70 Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe in Südtirol sind auf einen Zu- oder Nebenerwerb angewiesen, erklärte Tiefenthaler und wies auf die Chancen der Direktvermarktung hin. Für solche Betriebe hat der Bauernbund die Direktvermarkter-Offensive lanciert, mit der bis 2030 die Zahl der professionellen Direktvermarkter auf über 800 steigen soll. Um das zu erreichen, werden das Aus- und Weiterbildungsangebot und die Fachberatung ausgebaut. Auch bei Bewerbung und Kommunikation ist der Bauernbund behilflich, künftig soll auch die Logistik verbessert werden.
„Dennoch wird die Direktvermarktung immer eine Nische bleiben“, erklärte Tiefenthaler und unterstrich die Bedeutung der Genossenschaften für die kleinstrukturierte Südtiroler Landwirtschaft. Aber auch sie müssen sich weiterentwickeln und vor allem intensiver als bisher zusammenarbeiten, um den Anforderungen der internationalen Märkte stark entgegen treten zu können.
Großes Potential sieht der Landesobmann in der Produkt- und Prozessinnovation. Deshalb hat der Bauernbund den Innovationsschalter und die Abteilung Innovation & Energie ins Leben gerufen, die Bäuerinnen und Bauern bei der Umsetzung kreativer Idee zu unterstützen. Auch Aus- und Weiterbildung spielen eine zentrale Rolle für die Landwirtschaft. „Leider sind in einigen Schulen die Schülerzahlen leicht rückläufig“, sagte Tiefenthaler. „Hier werden wir uns alle zusammen anstrengen müssen, die Zahlen zu halten und insgesamt die Attraktivität der Ausbildung zu stärken.“
Vorgaben der EU als Chance
Europa-Parlamentarier Herbert Dorfmann stellte sich der Frage, was auf Südtirols Bäuerinnen und Bauern zukommt, nachdem die EU durch die neuen Vorgaben in der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) die Leitplanken für die Zukunft gelegt hat.
Er prognostizierte, dass sich in der ersten Säule der Betriebsprämien der Trend fortsetzen und bei Südtirols Bauern künftig mehr Geld aus Brüssel ankommen werde: „Im Jahr 2027 wird die Betriebsprämie in Südtirol über dem nationalen Durchschnitt liegen“, meinte Dorfmann. Insgesamt sei die kleinstrukturierte Südtiroler Landwirtschaft eher bevorteilt, wenn es um die Umsetzung der verschiedenen Nachhaltigkeitsstrategien der EU gehe. „Lebensmittel sind aktuell zu billig, deshalb werden sie auch nicht wertgeschätzt“, sagte Dorfmann. Künftig werde öfter hinterfragt, woher ein Lebensmittel kommt und wie es produziert wurde. Nachverfolgbarkeit heißt das Schlüsselwort. Nachhaltig und biologisch produzierte Lebensmittel werden gefördert werden, dieses Premiumsegment wird unter dem Druck von Politik und Handel also wachsen. „Und das ist eine Chance für die heimische Landwirtschaft“, unterstrich Dorfmann. Und er plädierte dafür, in Südtirol eine offene Nachhaltigkeitsdebatte zu führen, um Bäuerinnen, Bauern und Konsumenten wieder einander näher zu bringen.
Befriedigende Lösung für Bär und Wolf
In seinen Grußworten ging Landeshauptmann Arno Kompatscher auf ein paar aktuelle Themen ein: So hat die Landesregierung tags zuvor ein Strategiepapier zur Nachhaltigkeit verabschiedet. Es sei Verdienst der Vorgängerinnen und Vorgänger, dass man diesen Weg nicht bei Null beginnen müsse, meinte der Landeshauptmann mit Blick auf die bereits früh begonnenen Bemühungen für einen lebendigen ländlichen Raum. Er unterstrich aber auch, dass dieser Weg hin zu mehr Nachhaltigkeit der Südtiroler Gesellschaft einiges abverlangen werde, letztendlich aber eine große Chance sei. Auch zum Thema Wolf und Bär fand der Landeshauptmann klare Worte: „Das jetzige Modell ist keine Lösung“, sagte er. Man müsse gemeinsam mit anderen Gebieten Druck aufbauen und so endlich zu einer befriedigenden Strategie finden.“
Ehrenzeichen in Gold verliehen
Zwei langjähriger Funktionär des Südtiroler Bauernbundes, sind mit den letzten Wahlen aus ihren Ämtern als Bezirksobmänner des Südtiroler Bauernbund ausgeschieden: Beide, Konrad Obwexer und Karl Framba erhielten für ihren jahrzehntelangen Einsatz für den Bauernstand das Ehrenzeichen in Gold ausgehändigt, denn sie waren nicht nur in der Südtiroler Bauernjugend und später im Südtiroler Bauernbund in führenden Positionen aktiv, sondern gestalteten die heimische Landwirtschaft auch in anderen Funktionen mit.
Steinkeller-Stiftungspreis geht an Familie Alexandra Schweiggl, Hof Unternberg
Jedes Jahr zur Landesversammlung des Südtiroler Bauernbundes wird einer bäuerlichen Familie der Preis der Steinkeller-Stiftung übergeben. Diese private Stiftung hat es sich zur Aufgabe gemacht, prägende bäuerliche Baukultur zu retten und als sichtbares Gedächtnis einer mit dem Lebensraum eng verbundenen Kultur lebendig zu erhalten. Stiftungsmitglied Helmut Stampfer überreichte den diesjährigen Stiftungspreis an Familie Alexandra Schweiggl vom Hof Unternberg in Unterfennberg, Margreid: Die Geschichte des Hofes reicht ins 13. Jahrhundert zurück. Das Gebäude wurde in mehreren Schritten erweitert und steht unter Denkmalschutz. Seit 1827 bewirtschaftet Familie Schweiggl den Hof, nach längerem Leerstand wurde es seit 2014 abschnittsweise saniert. Nach der statischen Sicherung und der Sanierung der Holzbalkendecken im Inneren wurde der Putz fachgerecht mit Kalkmörtel erneuert. Im Hausgang des Obergeschosses wurden eine gemauerte spätgotische Türrahmung und eine Tür mit Eselsrückenholm in einer Holztrennwand beibehalten, das teilweise erhaltene Tonnengewölbe im Erdgeschoss gestützt und saniert. Alle Maßnahmen erfolgten in enger Abstimmung mit dem Denkmalamt. Die Stiftung Steinkeller würdigt mit ihrem Beitrag die einwandfrei ausgeführten Sanierungsarbeiten und das Engagement der Eigentümer für die Erhaltung des kulturhistorisch wertvollen Gebäudes.