Von: luk
Bozen – Für Südtirols Arbeitnehmerschaft überwiegen die Vorteile des Tourismus, doch werden auch die Kollateralschäden klar gesehen: 73 Prozent der im aktuellen AFI-Herbstbarometer Befragten halten den Tourismus mitverantwortlich für die extrem hohen Wohnungspreise, 72 Prozent für die höhere Verkehrs- und Umweltbelastung. Mehr noch: 84 Prozent sprechen sich im AFI-Barometer für wirtschaftspolitische Anreize aus, damit Ganzjahresbetriebe im Gastgewerbe verstärkt auf Festanstellungen statt auf Saisonverträge zurückzugreifen.
Am 3. September 2018 wurde die repräsentative Umfrage „Einstellungen zum Tourismus in Südtirol“ vorgestellt, die der HGV (Hotelier- und Gastwirteverband) dem Meinungsforschungsinstitut GfK Österreich in Auftrag gegeben hatte. Seither hat sich Einiges getan. Gerade in den Sommermonaten 2019 stand der Tourismus plötzlich im Brennpunkt öffentlicher Debatten um den Begriff „Overtourism“, neu auszuweisende Tourismuszonen im Grünen, Eintrittsgeld für Hotspots und Staus ohne Ende. „Im Sonderteil des AFI-Herbstbarometers wollten wir herausfinden, wie die Südtiroler Arbeitnehmer die Sache sehen“, schickt AFI-Direktor Stefan Perini voraus. „Erstens sind die knapp 210.000 Arbeitnehmer ein nicht unbedeutender Teil der Gesellschaft, zweitens tragen rund 30.000 Personen im Jahresschnitt auch als Arbeitskräfte entscheidend zum Erfolg dieses Wirtschaftszweigs bei“, so Perini.
Für Südtirols Arbeitnehmer ist der Tourismus mehr Segen als Fluch
Ohne Tourismus stünde Südtirol wirtschaftlich heute nicht da, wo es ist, dessen sind sich Südtirols Arbeitnehmer bewusst. 70 Prozent der Befragten sind überzeugt, dass die Vorteile des Tourismus überwiegen. Von diesen sehen es 33 Prozent ganz klar so, 37 Prozent „eher“, 23 Prozent „weniger“ und sieben Prozent „gar nicht“. Überdurchschnittlich stark von den Vorteilen überzeugt zeigen sich die männlichen und italienischsprachigen Befragten.
Ganzjahresbetriebe sollten fest anstellen können
Vor dem Hintergrund, dass das Gastgewerbe hauptverantwortlich für die starken saisonalen Schwankungen am Südtiroler Arbeitsmarkt ist, teilen 84 Prozent der befragen Arbeitnehmer die Meinung, man solle die wirtschaftspolitischen Anreize so setzen, dass Ganzjahresbetriebe im Gastgewerbe verstärkt auf Festanstellungen zurückgreifen: 60 Prozent der Befragten befürworten dies stark, 24 Prozent „eher“.
Bettenobergrenze: 70 Prozent dafür
Die negativen Auswirkungen des Tourismus gehen an Südtirols Arbeitnehmern nicht spurlos vorüber. Die Umweltbelastung (Flächenverbrauch, Verkehr, Luftverschmutzung) wird von 72 Prozent der Befragten als nicht mehr tragbar empfunden. 70 Prozent der Befragten im AFI-Herbstbarometer sehen eine gesetzliche Bettenobergrenze grundsätzlich als sinnvoll.
„Dynamische“ Eckdaten
Das Gastgewerbe umfasst für die Statistik die Hotellerie und Beherbergung sowie Restaurants, Bars und Cafés. Im Südtiroler Gastgewerbe arbeiteten 2018 im Schnitt 29.070 Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen – das sind knapp 14 Prozent der Arbeitnehmerschaft in der Südtiroler Gesamtwirtschaft (209.542). Im Jahresverlauf ergeben sich starke Monatsschwankungen und Extremwerte, die von 37.244 im August (17,0 Prozent) bis 18.242 im November (9,2 Prozent) reichen. Sieben von zehn Personen im Gastgewerbe haben einen befristeten Vertrag. Mit 20.266 Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen stellte dieser Wirtschaftszweig im Jahr 2018 rund ein Drittel aller befristeten Verträge der Gesamtwirtschaft.
Stellungnahme von AFI-Präsident Dieter Mayr
„Südtirol will im Tourismus eine Ganzjahresdestination werden. Damit sollte auch der gängige Saisons-Arbeitsvertrag nach und nach einer festen Anstellung weichen: So haben die Beschäftigten mehr Sicherheit, Arbeitgeber können knappe Fachkräfte halten und die Allgemeinheit spart Arbeitslosengeld. Das Gastgewerbe müsste sich so ähnlich organisieren wie die Bauwirtschaft, wo arbeitsfreie Monate über die Bauarbeiterkasse aufgefangen werden.“
Das AFI-Barometer erscheint viermal im Jahr (Winter, Frühjahr, Sommer, Herbst) und gibt das Stimmungsbild der Südtiroler Arbeitnehmerschaft wieder. Die telefonisch geführte Umfrage betrifft 500 Arbeitnehmer und ist für Südtirol repräsentativ.