Von: mk
Brixen – Die Kraft der Dinge aus zweiter Hand war deutlich zu spüren. Bei schönem Wetter und viel Interesse ging in Brixen am 19. und 20. Mai 2023 die zweite Südtiroler Upcycling Convention (UpCon) über die Bühne. Bei dieser Veranstaltung des ganzheitlichen Recyclingprojekts REX – Material und Dinge, der Organisation für Eine solidarische Welt OEW, des Upcycling Studios Innsbruck und der unibz Fakultät für Design und Künste standen Wiederverwendung, Upcycling und Ressourcenschonung im Mittelpunkt. Mehr als 300 Menschen beteiligten sich im Astra, bei der OEW und im REX an der Konferenz, den Vorträgen, Workshops und am Upcycling-Markt rund um Mode, Schmuck, Dekoration und Möbel. Profis trafen auf Gleichgesinnte. Es wurde gefachsimpelt, getauscht, gekauft, genäht, gegessen und getanzt.
Am Freitagabend, 19. Mai, bot Peter Kneidinger von den Wiener „Materialnomaden“ im Astra in Brixen Expertise zu Architektur, Stadtplanung, Restaurierung und Selbstbau. Die „Materialnomaden“ haben in Österreich mit ihrer Pionierarbeit wichtige Entwicklungsschritte gesetzt, um kreislauffähige Prozesse in der Baubranche voranzutreiben und durch das Um- und Weiternutzen von unterschiedlichsten Baumaterialien viele Tonnen von CO2 einzusparen.
Jennifer Aksu ist in Istanbul aufgewachsen, hat Theaterwissenschaft, Publizistik, Kommunikationswissenschaft und Urbane Kultur studiert und lebt in Berlin. Seit 2009 arbeitet sie für und in Städten mit Beziehungsfragen, entwickelt und lehrt Formate und Prozesse, in denen sich unterschiedliche Akteurinnen und Akteure einer Stadt auf Augenhöhe begegnen können. Sie berichtete von ihren Prozessbegleitungen, wo es darum geht, die Bedürfnisse der anderen kennenzulernen und um ein Verständnis dafür, wie man sich den Alltag gegenseitig unerträglich und trist gestalten kann – oder wie man dem entkommt. Sie betonte, dass alles schon da sei, aber unterschiedliche Motivationsfaktoren für Veränderung zuständig seien.
Auch Martin Welker ist aus Berlin angereist, wo er Mistgabeln, Kaffeefiltern und Volleybällen ein zweites Leben einhaucht. Er upcycelt und remixt kurioseste Fundstücke und baut daraus neue Lichter und Lampen.
Bernhard Mair von der „Sarner Goldschmiede“ berichtete von seinen Erfahrungen mit recyceltem Altgold, von Sollbruchstellen in Massenware und wie solche durch Qualität und Handwerk vermieden werden können.
Abschließend diskutierten am Freitagabend Bettina Junkersdorf, deren Unternehmen „Newseed“ gebrauchte Kletterseile zu neuen Alltagsgegenständen verarbeitet, Camilo Ayala-García, Dozent für Produktdesign und Forscher zu DIY-Materialien, Giulio Angelucci, Direktor des Amtes für Abfallwirtschaft, Josef Untermarzoner, der unter anderem das RepairCafé Brixen mitgegründet hat mit den Upcycling-Profis. „Wir müssen das Material im Kreislauf bewahren“ verwies Peter Kneidinger auf die erhöhte Co2-Bilanz. Giulio Angelucci unterstrich: „Wir leben nicht von der Wirtschaft, wir leben von den Früchten der Erde.“ Resümierend wurde dem Upcycling als kreativem Ansatz im Vergleich zu Recycling als wirtschaftlichem Ansatz ein höherer Wert zugesprochen. Upcycling sei eine soziale und humane Herangehensweise auf dem Weg zur Kreislaufwirtschaft, sagten die Podiumsteilnehmerinnen und -teilnehmer.
Professor Aart van Bezooijen von der Fakultät für Design und Künste und Mitorganisator der Upcycling Convention erklärte Upcycling im Anschluss als eine seiner „liebsten Ausdrucksformen in der Bewegung des Materialaktivismus“. Materialaktivismus versuche, beständigere und umweltfreundlichere Materialien in Form von Open Source für alle bereitzustellen. Im Foyer des Astra konnten bei der Ausstellung „The next generation“ aktuelle Werke von Studierenden rund um das Thema begutachtet werden, zum Beispiel jenes von Martina Caprin, die sich mit Verschnitt und Staub des Laaser Marmors auseinandergesetzt hat. Die Ausstellung zeigt, dass Themen wie Abfallvermeidung und ökologisches Bewusstsein Inspiration statt Beschränkung sein können. Der Abend klang bei Produkten aus dem Unverpackt-Laden aus.
Am Samstagvormittag nähten begeisterte Schneiderinnen unter der Leitung von Caterina Marchettini bei der OEW-Organisation für Eine solidarische Welt Sommerkleider und nutzten dafür Herrenhemden, die nicht mehr in Verwendung waren.
Am Samstagnachmittag kamen mehr als 250 Menschen zum REX, um bei einem Markt bei angenehmer Stimmung, schönem Wetter und leckeren Speisen die Ausstellerinnen und Aussteller kennenzulernen, Produkte zweiter Hand oder Upgecyceltes zu erwerben, sich mit den Kindern an Spielecken zu beteiligen, bei Workshops mitzuarbeiten und am Abend dem Konzert mit Timbreroots rund um Benedikt Sanoll und der Vorband „The three ciders“ zu lauschen.
Die Organisatorinnen und Organisatoren freuen sich über den Erfolg und das wachsende Interesse der Bevölkerung am Weiterverwenden und Upcycling. Julia Vontavon vom ganzheitlichen Recyclingprojekt REX – Material und Dinge betont, dass es nicht mehr nur Lifestyle sei, nachhaltig und ressourcenschonend zu produzieren und dabei die uns anvertraute Erde zu bewahren. Es sei inzwischen eine Frage des Überlebens geworden. Verena Dariz die bei der OEW-Organisation für Eine solidarische Welt für den Bereich „Bewusster Konsum“ zuständig ist: „Es freut mich ganz besonders, dass wir so viele unterschiedliche Altersgruppen für Second Hand und Upcycling begeistern konnten.“ Die UpCon habe die Menschen verbunden und motiviert, sich gemeinsam einer nachhaltigeren Haltung zu widmen. Viele Leute, die REX bisher nicht kannten, seien begeistert von dem Angebot gewesen und wollen es künftig in Anspruch nehmen.