Von: luk
Zum zwölften Mal vergaben die Stiftung Südtiroler Sparkasse, das Amt für Bau- und Kunstdenkmäler und der Hoteliers- und Gastwirteverband die Auszeichnung „Der historische Gastbetrieb des Jahres in Südtirol“. Die Liste der Preisträger liest sich wie ein Best-of der Südtiroler Tourismusgeschichte, vom Hotel Drei Zinnen in Sexten-Moos bis zum Hotel Gasthof Zum Hirschen in Brixen.
Nach einem Jahr Pause wurde wieder ein Gastbetrieb gefunden, der den hohen Ansprüchen der Jury genügt. Dazu gehört, wie es der ex-Präsident der Stiftung Sparkasse Karl Pichler in Vertretung für Prof. Konrad Bergmeister formulierte, dass er auch architektonisch Akzente setzt, ohne aufzutrumpfen, sondern in genauer Kenntnis der Geschichte und in großem Respekt im Sinne der überkommenen Weiterführung. Diese Haltung kennzeichnet laut Pichler auch den Preisträger des Jahres 2019, den Gasthof Zum Hirschen in Unsere liebe Frau im Walde. Der Gasthof Zum Hirschen ist seit achthundert Jahren eng, ja untrennbar mit dem Ort verbunden, wie auch Bürgermeisterin Gabriela Kofler in ihren Grußworten hervorhob. Er ist zugleich ein Haus, das sich würdig in die illustre Reihe der Preisträger einreiht.
Die ehemalige Direktorin des Amtes für Bau- und Kunstdenkmäler Dr. Waltraud Kofler Engl bezeichnet die Auszeichnung als einen wichtigen Beitrag zur Erhaltung kulturhistorisch und architektonisch bedeutender Gastbetriebe. Die Prämierung unterstreicht zudem die Integration zeitgenössischer Planung, Bau- und Unternehmenskultur in historischen Kontexten.
Das Motto des Familienbetriebs lautet “Authentizität in der Veränderung”. Es könnte auch der Leitbegriff des Wettbewerbs selbst sein und wurde nach dem Urteil der Jury phantasievoll und konsequent umgesetzt.
So kamen nicht nur Jurymitglieder, sondern auch ehemalige Gewinner, um der Familie Mocatti zu gratulieren, ebenso Vertreter aus Tourismus, Architektur- und Denkmalpflege, Gastgewerbe und Medien.
Gratuliert und gedankt wurde auch Alexandra Dell’Agnolo, Eigentümerin des Gasthofes Zum Riesen in Tschars, Vintschgau, der die „besondere Auszeichnung“ erhielt.
Preisträger: Der historische Gastbetrieb des Jahres 2019 ist das Hotel und Gasthof Zum Hirschen in Unsere liebe Frau im Walde, in der Malgasottstraße 2, nur wenige Schritte von der Wallfahrtskirche entfernt. Die urkundlich belegten Ursprünge reichen bis ins zwölfte Jahrhundert zurück, als auch das Kloster gegründet wurde. Die Herberge wurde von der Kirche verpachtet. Damit waren Rechte und Pflichten verbunden. 1534 bestand etwa eine Verpflichtung darin, dass der Wirtshauspächter immer vier Pferde halten musste. Unsere liebe Frau im Walde (Senale) blieb über die Jahrhunderte hinweg ein beliebter, aber doch sehr abgelegener Pilgerort, bis 1939 mit der Straße über den Gampenpass eine neue, dynamischere Zeit anbrach. Das Haus wurde um ein Stockwerk erhöht, und erhielt an der Südseite eine verglaste Veranda. Anfang der 1970er-Jahre kaufte der Pächter Alois Kofler das Gasthaus von der Kirche. In den 1980er-Jahren wurde im Norden ein zeittypischer Anbau errichtet. Seit einigen Jahren führen die Enkel Ingrid Kofler und Mirko Mocatti den Betrieb. Sie haben ein “Bergrefugium” geschaffen, das Grundideen des historischen Hospizes aufgreift und zugleich neue Weichen stellt. Mocatti hatte sich schon in seiner Diplomarbeit mit “Spiritualität im Tourismus” befasst. Viele Gäste aus Nah und Fern haben inzwischen das Konzept begeistert angenommen. Die Auszeichnung Historischer Gastbetrieb des Jahres 2019 ist eine weitere wichtige Bestätigung.
Die Laudatio hielt Jurymitglied Architekt Christian Schwienbacher. Er fasste den ganz besonderen Charakter des Gastbetriebs in dem Satz “Ein Hospiz unter dem Gampenpass seit dem zwölfte Jahrhundert” zusammen. Das Konzept für ein zeitgemäßes Hospiz für die Reisenden und Pilger von heute wurde von Architekt Lorenzo Aureli aus Modena umgesetzt. So sind das Haupthaus und der Zubau aus den 1980er-Jahren von Minimalismus und “raffinierter Schlichtheit” (Schwienbacher) geprägt. Zitat: “Der erste Schritt war ein bewusstes Weglassen oder Entfernen von Überflüssigem, und so fehlen heute am Gebäude sämtliche Jalousien. Auch die Erschließung bleibt diesem Prinzip treu: Gang, Tür, Zelle, wie in einem Kloster fast. Die Einrichtung der Zimmer ist sehr streng, mönchisch und von essentieller Einfachheit.”
Dazu prägen Respekt vor der Historie und die Betonung regionaler Stärken das Haus, sichtbar etwa in der Nutzung einheimischer Hölzer (Birke, Lärche, Fichte) und des Porphyrs. Der Gasthof Zum Hirschen ist nicht reich an historischen Elementen, aber sie wurden gekonnt mit modernem Mobiliar, Lampen, Vorhängen etc. kombiniert. Architekt Schwienbacher sprach von einer Verwandlung, die noch nicht abgeschlossen sei, aber das Beste für die Zukunft verspreche.
Besondere Auszeichnung: Mit der “Besonderen Auszeichnung“ des Wettbewerbes wurde in diesem Jahr der Gasthof Zum Riesen am Karpoforusweg 1 in Tschars prämiert. Das historische Gebäude mit dem eindrucksvollen Fresko eines Riesen unter dem mächtigen Erker geht auf das 16. Jahrhundert zurück. Damals wurde es, wie Architekt Roland Flückiger-Seiler in seiner Laudatio ausführte, zu einem stattlichen Hof ausgebaut. Dabei blieb aber der weitaus ältere Kernbau mit seinen tragenden Mauern erhalten. Im 18. Jahrhundert wurde das Haus barockisiert, erhielt im zweiten Obergeschoss einen Saal mit einem gerahmten Deckenfresko und dem genannten Erker. Im 19. Jahrhundert folgten mehreren Umbauten. Auch in den 1960er-Jahren wurde nach einem Brand umgebaut, ebenso 1978. Der entscheidende Umbau erfolgte aber ab 2014 durch die Eigentümerin Alexandra Dell’Agnolo. Er wurde von der Schwester der Preisträgerin, Architektin Silvia dell‘Agnolo vom Architekturbüro Kelderer-Dell’Agnolo, konzipiert und betreut. Ziele der Renovierung waren unter anderem, das Erscheinungsbild auf das schlichte ’Steinhaus’ zurückzuführen, die Baugeschichte lesbar zu machen und zugleich den Bau modernen Erfordernissen anzupassen.
Jury-Mitglied Architekt Roland Flückiger-Seiler lobte einerseits die fachgerechte Restaurierung, andererseits aber auch die teils mutigen Ergänzungen, Veränderungen und Erweiterungen. Das Gasthaus zum Riesen gehöre damit zu den wertvollen Dorfgasthäusern, die mit Mut und Behutsamkeit fit für die Zukunft gemacht wurden, betonte Flückiger-Seiler. Auch der ehemalige Präsident der Stiftung Karl Pichler nannte die Auszeichnung für die sensible und respektvolle Renovierung hochverdient.
Leitartikel: Zu der neuen Ausgabe des Wettbewerbs ist auch eine Broschüre erschienen, in denen beide Gastbetriebe in Bild und Text dargestellt werden. HGV-Präsident Manfred Pinzger würdigt in seinem Leitartikel “Die Kraft der Peripherie” allgemein den Beitrag von Gastwirten und Hoteliers für das wirtschaftliche Wohl von abgelegenen Orten, aber auch für deren kulturelle Identität und soziale Lebensqualität.
Eine besondere Rolle spielten dabei über Jahrhunderte hinweg die Herbergen, die entlang der Pilgerwege oft in entfernten und schwer erreichbaren Gegenden entstanden.
Gastwirte und Hoteliers schaffen in der Peripherie einen Mehrwert, der weit über das Ökonomische hinausgeht. Diese bedeutsame Leistung verbinde die heurigen Preisträger mit den Pionieren des alpinen Tourismus, erklärte Pinzger. Sie seien Paradebeispiele dafür, dass Betriebe in peripheren Gebieten die Kraft haben, sich zu entwickeln und den Erfordernissen der Zeit und des Urlaubsgastes anzupassen.
Der Wettbewerb wird seit 13 Jahren von Architekt Wolfgang von Klebelsberg koordiniert.
Detail-Informationen und Bildergalerie unter www.historischergastbetrieb.it und über die Wettbewerbsbroschüre „Der historische Gastbetrieb 2019“, erhältlich bei der Stiftung Sparkasse in der Talfergasse 18 in Bozen, dem HGV in der Schlachthofstraße 59 in Bozen und dem Amt für Bau- und Kunstdenkmäler in der Armando-Diaz-Straße 18 in Bozen.