Von: luk
Bozen – Am 28. August lud die Vereinigung der Zivilinvaliden (ANMIC Südtirol) verschiedene Vertreter des deutschen und italienischen Bildungswesens in Bozen ein, um die Inklusion von Kindern und Schülern mit Beeinträchtigung durch gemeinsame Lösungsansätze voranzutreiben. Anlass war der Besuch der japanischen Professorin Taeko Futami, Dozentin und Forscherin an der Universität Fukuoka in Japan, welche sich mit großem Einsatz für die Inklusion von Kindern mit Beeinträchtigung engagiert. Neben der ANMIC Südtirol, die als größte Interessenvertretung der Südtiroler Zivilinvaliden und Menschen mit Behinderung als Gastgeber anwesend war, nahmen das Referat Inklusion der Deutschen Bildungsdirektion, das Referat Inklusion der Italienischen Bildungsdirektion sowie das Kompetenzzentrum für Inklusion im Bildungsbereich der Freien Universität Bozen am Treffen teil.
„Ich habe die ANMIC Südtirol während meiner Recherchen zur Inklusion von Kindern in Europa, insbesondere in Italien, kennengelernt. Fasziniert hat mich dabei das Engagement, mit dem sich diese Vereinigung für Südtirols Zivilinvaliden einsetzt. Auch die Herangehensweise, wie die Vereinigung die Öffentlichkeit zu diesem wichtigen Thema sensibilisiert, hat mich sehr beeindruckt“, berichtet Prof. Taeko Futami. „Als Forscherin und Dozentin bin ich vor allem interessiert, was die Inklusion von Kindern mit Beeinträchtigung in Südtirol erfolgreich macht und welche Hürden es gibt.“
Als die ANMIC Südtirol vom Interesse der japanischen Wissenschaftlerin erfuhr, wurde ein Treffen organisiert, damit die Professorin den bestmöglichen Einblick in die schulische Inklusion Südtirols erhält und es zu einem Austausch zwischen Japan und Südtirol kommen kann, von dem beide Seiten profitieren. Thomas Aichner, Präsident der ANMIC Südtirol, berichtet: „Dank der Experten der italienisch- und deutschsprachigen Schulen sowie der Universität Bozen konnten wir zeigen, wie die Bildung und Inklusion von Kindern und Jugendlichen mit Beeinträchtigung in unserer Provinz umgesetzt wird. Außerdem hat Frau Futami verdeutlicht, welche grundlegenden Unterschiede es zwischen der japanischen und unserer Kultur in dieser Angelegenheit gibt“.
Während des Treffens wurden verschiedene Themen behandelt, unter anderem die inklusive Bildung, die Methoden zur Inklusion von Kindern, die Bedeutung der umfassenden Teilnahme alle Schüler am schulischen und sozialen Leben sowie die Rolle der Bildungseinrichtungen und ehrenamtlichen Vereine. Die Vorträge der verschiedenen Schulvertreter wurden von allen Teilnehmern mit großem Interesse verfolgt. Die vielen informativen und praxisnahen Inhalte helfen Prof. Futami, ein soziales Modell für die Inklusion von Kindern mit Behinderung für Japan zu entwickeln, welches sich auch am Südtiroler Schulsystem orientiert.
Aktuell zählt Südtirol 46.053 Zivilinvaliden jeden Alters, die mit einer angeborenen oder erworbenen Krankheit leben. Zivilinvalidität und Behinderung betreffen aber nicht nur ältere Menschen, sondern auch viele Kinder und Jugendliche, wie in einer aktuellen Statistik des Landesinstituts für Statistik ASTAT verdeutlicht: Unter den insgesamt 90.000 Südtiroler Schülern gibt es 11.500 Kinder und Jugendliche, die eine Schule (einschließlich Kindergarten) mit besonderen Bildungsbedürfnissen besuchen. Dies entspricht einem Anteil von 12,9 Prozent. Von diesen Schülern gibt es insbesondere 2.500 Kinder und Jugendliche (bzw. 2,8%), die aufgrund ihrer schweren körperlichen, psychischen oder sensorischen Einschränkung laut Gesetz 104/92Anspruch auf gezielte Integrationsmaßnahmen haben.
Dass schulische Inklusionsmaßnahmen von modernen Gesellschaften nicht immer angewandt werden, wird am Beispiel Japans deutlich: Hier werden Schüler mit Beeinträchtigung immer noch weitgehend von ihren gesunden Klassenkameraden getrennt und kommen in sogenannte „Sonderschulen“ oder „Sonderklassen“, in denen nur Kinder mit Behinderung unterrichtet werden. Dies passiert zum Beispiel aus Angst, dass Ausgrenzung und Mobbing bei einer „Vermischung“ verstärkt auftreten würden.
Im Gegensatz dazu stehen die Schulen in Südtirol: Diese setzen auf die Inklusion von Kindern sowie Jugendlichen mit Beeinträchtigungen und besonderen Bildungsbedürfnissen, indem die Klasse bewusst von allen Schülern besucht wird. So folgt die Inklusion in Südtirol einem Grundprinzip, bei dem sich alle Schulen engagieren, ihre Schüler aktiv und gemeinsam am Unterricht teilhaben zu lassen. Studien zeigen: Kinder mit einer Beeinträchtigung sind durch den langfristigen Schulbesuch mit anderen Schülern glücklicher und haben außerdem eine höhere Lebenserwartung, wobei auch die Unterrichtsqualität der gesamten Klasse erhöht wird.
Dabei bieten Südtirols Schulen zahlreiche Hilfsmittel an, um Lehrpersonen und Familien bei der Erfüllung der besonderen Bedürfnisse von Kindern und Schülern zu unterstützen. Beispielsweise bietet das Referat Inklusion der Italienischen Bildungsdirektion verschiedene Fortbildungs- und Weiterbildungsangebote für das Lehrpersonal an. Zudem gibt es vier Beratungsschalter, welche Familien, Lehrer, Integrationslehrpersonen oder Mitarbeiter für Integration beraten und unterstützen. Darüber hinaus führt das Referat Inklusion Projekte für Schulen durch, um mögliche Lernschwierigkeiten aufzudecken und individuellen Unterricht anzubieten.
Das Referat Inklusion der Deutschen Bildungsdirektion fördert die Inklusion von Kindern mit Beeinträchtigung sowie jener mit besonderen Bildungsbedürfnissen unter anderem durch die Planung gezielter Lernwege, die Bereitstellung spezifischer Hilfsmittel und Materialien sowie die Beratung im Bereich Integration und Inklusion. Außerdem unterstützt die Deutsche Bildungsdirektion die Sensibilisierung von Lehrpersonen durch Weiterbildungsangebote und spezifische Kurse auf Schul-, Bezirks- und Landesebene.
An dem Treffen nahm auch das Kompetenzzentrum für Inklusion im Bildungsbereich der Freien Universität Bozen teil, das sich der Forschung, Netzwerkarbeit und dem wissenschaftlichen Austausch zu inklusiver Bildung widmet. Das Kompetenzzentrum entwickelt unter anderem Projekte für die Ausbildung von Lehrerpersonal und Dozenten, wodurch dank vermittelter Kompetenzen die Bildungsbedürfnisse aller Schüler bestmöglich erfüllt werden.
Die Teilnehmer des Treffens waren sich einig, dass die Inklusion von jungen Zivilinvaliden und Kindern und Jugendlichen mit Behinderung in Südtirol großgeschrieben wird: Sie bildet ein wesentliches Ziel für alle Schulen, die sich für die Eingliederung von Kindern sowie Jugendlichen mit Beeinträchtigung und besonderen Bildungsbedürfnissen einsetzen. Der gemeinsame Unterricht von gesunden und eingeschränkten Schülern sei ein Vorteil und eine Chance, die in Zukunft hoffentlich auch in Japan erkannt wird.