Wirkstoff Atropin hemmt das (ungewollte) Längenwachstum des Auges

Kurzsichtigkeit bei Kindern eindämmen

Mittwoch, 06. November 2019 | 11:50 Uhr

Meran – Es klingt fast zu schön, um wahr zu sein: Dass eine im Kindesalter fortschreitende Kurzsichtigkeit gestoppt werden kann, ist wahrscheinlich der Wunsch vieler Eltern. Nach internationalen wissenschaftlichen Studien bietet nun auch die Augenheilkunde im Krankenhaus Meran eine Therapie für sechs bis 14-Jährige an, die sich immer größerer Beliebtheit erfreut.

Die Innovation kommt ursprünglich aus Asien, denn dort gibt es sehr viele hochgradig kurzsichtige Menschen – und die Tendenz ist steigend, auch aufgrund dessen, dass sich immer weniger Leute im Freien aufhalten und immer mehr PC- und Smartphones verwendet werden. 15 Prozent aller Grundschulkinder, so schätzt man auch in Europa, sind bereits kurzsichtig – bis zum Alter von 25 werden es schon 45 Prozent.

Aber auch in den USA und in Nordeuropa forscht man bereits seit Jahren an einer Behandlung, die die Kurzsichtigkeit, med. Myopie, zumindest im Kindesalter eindämmen kann. „Bei einer Kurzsichtigkeit wächst der Augapfel in die Länge – diesen Prozess kann man nicht mehr rückgängig machen. Aber man weiß seit Jahren, dass es etwa durch niedrigdosierte ‚Atropin‘-Tropfen möglich ist, dieses Längenwachstum zu hemmen. Das heißt, der Augapfel wächst nicht weiter in die Länge und somit bleibt die Kurzsichtigkeit, anders als bei unbehandelten Kindern meist, stabil“, so Primar Andreas Pichler von der Augenheilkunde Meran. Dabei geht es den Ärzten neben einer höheren Lebensqualität ohne Brille vor allem darum, gewisse Risikofaktoren, die eine Kurzsichtigkeit mit sich bringt, zu vermeiden: „Menschen mit einer starken Myopie haben ein deutlich erhöhtes Risiko für ernste Augenerkrankungen wie dem Glaukom, der Netzhautablösung und der Makuladegeneration.“

War das Problem bei diesen Tropfen, die kontinuierlich jeden Tag abends verabreicht werden müssen, bislang die optimale Dosierung, haben dies nun internationale Fachärzte an Unikliniken in den Griff bekommen. „Bereits vor einigen Jahren wurden auf Kongressen im deutschsprachigen Raum ausführliche wissenschaftliche Studien mit sehr guten Erfolgen vorgestellt, nach und nach zogen immer mehr Krankenhäuser und Kliniken vor allem nördlich der Alpen nach“, so Augenfachärztin Anita Niederhofer, die diese Therapie aus dem Ausland nach Meran brachte.

„Wir halten uns an die Empfehlungen des Bundesverbandes der Augenärzte: Natürlich werden keine gesunden Kinder prophylaktisch behandelt, sondern es müssen bestimmte Risikofaktoren, z.B. die Kurzsichtigkeit der Eltern oder eine bereits bestehende Kurzsichtigkeit des Kindes vorhanden sein. Wir untersuchen das Kind und – falls die Therapie indiziert ist – überprüfen wir danach regelmäßig für mindestens zwei Jahre, ob die Behandlung Erfolg hat. Die Therapie selbst ist einfach zu verabreichen, es handelt sich um Augentropfen mit 0,01 Prozent Atropin, die einmal täglich vor dem Schlafengehen verabreicht werden, sie enthalten keine Konservierungsstoffe und werden eigens für uns angefertigt“, so Pichler. Der Wirkstoff Atropin hemmt das (ungewollte) Längenwachstum des Auges.

Die Kosten der Tropfen müssen Eltern selbst tragen, sie halten sich aber in Grenzen: Rund 14 Euro monatlich kostet das Medikament in der Apotheke, es muss ärztlich verschrieben werden. In Frage kommen Kinder von sechs bis 14 Jahren, es ist eine Bewilligung des Kinderarztes für jeweils eine augenärztliche und eine orthoptische Visite notwendig.

Von: luk

Bezirk: Bozen