Darlehens-Vergleich der VZS

Leistbares Eigenheim für junge Familien „häufig nahezu Utopie“

Freitag, 30. April 2021 | 10:51 Uhr

Bozen – Die Verbraucherzentrale Südtirol (VZS) hat den alljährlichen Vergleich der Wohnbaudarlehen in Südtirol zum Anlass genommen, um zu überprüfen, wie die Suche nach einem leistbaren Eigenheim für junge Menschen konkret abläuft.

Seit dem letzten Vergleich ist auch aufgrund der Pandemie mehr als ein Jahr vergangen, der Immobilienmarkt hatte – wie alles andere – einen Stopp erfahren. Im Vergleich zur damaligen Erhebung sind die Zinssätze relativ stabil geblieben, und in einigen Fällen sind die Angebote günstiger geworden. Die Fixzinssätze liegen zwischen 0,65 und 1,70 Prozent, die variablen zwischen 0,45 und 1,20 Prozent; dies sind die Zinssätze für ein Darlehen von rund 130.000 Euro mit einer Dauer von 20 Jahren in Bozen (Werte März 2021).

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Dabei ist festzuhalten, dass der Zinssatz, der im Einzelfall konkret angeboten wird, in erster Linie von der sogenannten “Kredit-Bonität” der einzelnen Darlehensnehmer abhängt. Daneben sind aber auch noch andere Elemente von Bedeutung, wie die Höhe des Darlehens, das Alter der Kunden, die finanziellen Vorgeschichte, die Kompatibilität zwischen Darlehensbetrag und Einkommen, das Verhältnis zwischen Darlehensbetrag und Wert der Immobilie und noch weiteren Faktoren.

Referenzzinssätze: Werte und Trend

Für die fixverzinsten Darlehen ist der IRS der Referenzzinnsatz, während bei den variabel verzinsten Darlehen meist der Euribor 3 oder 6 Monate herangezogen wird. Die Banken rechnen auf diese Wert den Spread auf, über den verhandelt werden kann. Der IRS 20 Jahre lag im Oktober 2019 bei 0,45 und liegt im April 2021 bei 0,49 Prozent; der Euribor 6 Monate lag bei -0,348 und liegt aktuell bei -0,509 Prozent. Sektorexperten gehen jedoch davon aus, dass die fixen Referenzwerte tendenziell ansteigen: Der IRS 20 Jahre lag im Jänner 2021 in der Tat bei 0,07 Prozent.

Startpunkt Null

Auch wenn der Euribor negative Werte aufweist, starten viele Banken – auch die lokalen – bei Null, um von hier den Spread aufzuschlagen. Diesbezüglich sollte genau kontrolliert werden, was die Zinsklausel im Darlehensvertrag vorsieht, raten die Verbraucherschützer.

Junge Menschen und das leistbare Wohnen

Die Verbraucherzentrale hat zwei “Mystery-Shopper” auf den Weg geschickt – ein junges Paar auf der Suche nach einem Darlehen für den Wohnungskauf. Sie berichteten von nicht wenigen Hindernissen auf dem Weg zum Eigenheim.

„Die Preise der Immobilien verdienen – nicht nur in Bozen, sondern auch den anderen Zentren wie Brixen und Meran – das Prädikat ‚exorbitant‘. Eine Neubauwohnung in Bozen oder Meran mit 70 Quadratmeter lässt sich schwerlich für weniger als 400.000 Euro finden und auch bei den Altbauwohnungen ändert sich der Preis nicht wirklich, da zum Kaufpreis die Sanierungskosten dazugerechnet werden müssen“, erklärt die VZS.

Es falle schwer festzustellen, welche Immobilie leistbar ist, da man vorab nicht wisse, welche Beträge (Eigenkapital und von der Bank gestellter Betrag) genau zur Verfügung stehen. Das Eigenkapital sollte auf alle Fälle mindestens 20 Prozent der benötigten Summe ausmachen, wobei noch ein „Notgroschen“ übrig bleiben sollte, rät die VZS.

Bewertung der Immobilie

Der Unterschied zwischen dem vom Verkäufer verlangten Preis und dem finanzierbaren Wert, den der Gutachter der Bank feststellt, ist ziemlich groß. Der zweite liegt normal um ca. 15 Prozent unter dem ersten, woraus sich ergibt, dass man noch mehr Eigenmittel aufbringen muss. „Ein großes Problem für alle, der nicht auf Unterstützung der Familie oder die Ersparnisse vieler Jahre zurückgreifen können“, erklärt die VZS.

Auch die Zusatzkosten seien keine „Peanuts“: „Die Aufnahme eines Darlehens bringt nicht wenige Zusatzkosten (und zwar für den Immobilien-Kauf und für das Darlehen selbst) mit sich, wie z.B. die Kosten für den Notar, die Immoblienagentur, die Steuern (Darlehen und Kauf), die Versicherungspolizzen, die Bankkosten für die Eröffnung des Darlehens (Eröffnung, Gutachter, …) und eventuell noch weitere. Im Normalfall können diese nicht oder nicht vollständig über das Darlehen finanziert werden.“

Landesförderungen

Das Land Südtirol gewährt für den Kauf der Erstwohnung einen Beitrag (im Normalfall nicht rückzuerstatten), für den aber die Voraussetzungen zu überprüfen sind. Dieser Beitrag wird erst viele Monate nach Einreichung des notariell beglaubigten Kaufvertrags ausbezahlt und nur wenige Banken geben die Möglichkeit, den Betrag vorzufinanzieren.

Unterzeichnung des Kaufvorvertrags

Dieser sollte erst unterzeichnet werden, nachdem man das OK von der darlehensgebenden Bank erhalten hat, rät die VZS. Sollte jedoch der Gutachter der Bank den Wert der Immobilie geringer schätzen, könnte der Darlehensbetrag nicht ausreichen oder das Darlehen gar abgelehnt werden. In einem solchen Fall wird ein bereits unterzeichneter Kaufvorvertag unter Umständen zum großen Problem.

Ein Tipp der Konsumentenschützer: „Die Gültigkeit des Kaufvertrags sollte per Vertragsklausel an das Einverständnis der Bank für die Auszahlung des Darlehens geknüpft werden.“ Die Darlehensrate hängt vom verfügbaren Einkommen ab und sollte im Normalfall 30 Prozent davon nicht überschreiten.

Fix oder variabel verzinst? Von den in den letzten Jahren ausgeschütteten Wohnbaudarlehen waren ca. 90 Prozent fixverzinst, aber viele Banken bieten bevorzugt variabel verzinste Darlehen an. „Bei langen Rückzahlungsdauern gibt der Fixzins klarerweise die größere Planungsicherheit“, so die VZS.

Beispielrechnung

Für den konkreten Fall haben die Verbraucherschützer festgestellt, dass für den Kauf einer Neubauwohnung in Bozen im Wert von 400.000 Euro in etwa 120.000 Euro Eigenkapital benötigt werden: Ohne diese Summe verpufft der Traum vom Eigenheim. Und dazu kommen in jedem Fall noch die Darlehenszinsen und die Kosten für die Einrichtung.

„Dass junge Familiengründer ein sechsstelliges Eigenkapital mitbringen müssen, um sich in vielen Teilen Südtirols – trotz Landesbeitrag – den Traum von den eigenen vier Wänden zu verwirklichen, wirft viele Fragen auf, denen sich die Politik, aber auch wir als Gesellschaft uns stellen werden müssen“, kommentiert VZS-Geschäftsführerin Gunde Bauhofer. „Wenn es für die Menschen nicht leistbar ist, dort zu wohnen, wo sie arbeiten, ist es höchste Zeit gegenzusteuern.“

Weitere nützliche Tipps zum Thema Darlehen:
https://www.consumer.bz.it/de/search-page?combine=darlehen

Informationen zum Thema Darlehensersetzung:
https://www.consumer.bz.it/de/wohnbaudarlehen-das-rennen-um-die-surrogationen-ist-eroeffnet

Tabelle „Vergleich der Wohnbaudarlehen“:
https://www.consumer.bz.it/sites/default/files/2021-04/PV-darlehen-04-2021.pdf

Von: mk

Bezirk: Bozen