Von: apa
Das EU-Parlament hat am Dienstag in Straßburg für zusätzliche Schutzklauseln für landwirtschaftliche Produkte im Mercosur-Abkommen gestimmt. Der Entwurf der EU-Kommission schlägt vor, wie die EU Zollvergünstigungen für landwirtschaftliche Erzeugnisse aus Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay vorübergehend aussetzen kann, sollten diese Importe EU-Produzenten schaden. Die Zustimmung gilt als weiterer Schritt zur Unterzeichnung des Abkommens diese Woche.
Die neue Regelung baut auf bereits bestehenden EU-Schutzmechanismen auf, soll jedoch zum Schutz der Landwirtinnen und Landwirte in der EU schnellere Verfahren und einfachere Auslösemechanismen bringen. Untersuchungen können auf Antrag der Mitgliedstaaten oder der Industrie eingeleitet werden, wenn es Beweise dafür gibt, dass die Einfuhren stark zunehmen oder die EU-Märkte beeinträchtigen. Bei sensiblen Erzeugnissen wie Rindfleisch, Geflügel, Milchprodukte, Zucker und Ethanol sollen die Untersuchungen vier Monate dauern, und in dringenden Fällen innerhalb von 21 Tagen vorläufige Maßnahmen eingeführt werden. Dabei werden Faktoren wie Einfuhrmengen, Preisentwicklungen und die Auswirkungen auf Produktion, Absatz, Beschäftigung und Gewinne im betroffenen EU-Sektor untersucht.
EU-Kommission will Abkommen unterzeichnen
Die EU-Kommission will das Handelsabkommen der EU mit den südamerikanischen Mercosur-Staaten bis Jahresende unterschreiben: “Wir gehen weiterhin davon aus, dass wir es noch vor Ende dieses Jahres über die Ziellinie bringen”, sagte der zuständige Sprecher am Montag in Brüssel vor Journalisten. Der französische Premierminister Sébastien Lecornu hatte am Sonntag laut Medienberichten gefordert, die Unterzeichnung auf das kommende Jahr zu verschieben und weiter zu verhandeln.
Neben Frankreich oder Polen hatte auch Italien mit einem Nein gedroht; laut Beobachtern könnte Ministerpräsidentin Giorgia Meloni aber auf den Druck aus der italienischen Industrie reagieren und doch zustimmen. Vertreter Österreichs sind auf EU-Ebene per aufrechtem Parlamentsbeschluss aus dem Jahr 2019 an ein Veto gebunden. Auch Bundeskanzler Christian Stocker (ÖVP) hatte stets darauf verwiesen. Österreich dürfte in der Abstimmung dagegen stimmen oder sich enthalten.
Damit Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen das Abkommen wie geplant am Samstag in Brasilien unterzeichnen kann, ist keine Zustimmung aller EU-Staaten erforderlich. Es gilt die sogenannte qualifizierte Mehrheit aus mindestens 15 Mitgliedstaaten, die zusammen mindestens 65 Prozent der EU-Bevölkerung umfassen. Ob diese bis Samstag erzielt wird, ist noch unklar.
EU-Abgeordnete von ÖVP, SPÖ, NEOS für Mercosur
Der Delegationsleiter der ÖVP-Delegation im EU-Parlament Reinhold Lopatka sieht Mercosur als “große Chance”: Das Abkommen bringe der Wirtschaft insgesamt große Vorteile, sagte er am Dienstag in einem Pressegespräch in Straßburg. Der österreichische Parlamentsbeschluss stamme “aus einer anderen Zeit”: “Die USA hatten damals eine andere Beziehung zu uns”. Europa und noch mehr Österreich seien exportorientiert und bräuchten Partner. Mit Mercosur entstünde der “größte Binnenmarkt” mit “riesigen Chancen” auch für österreichische Unternehmen.
Für SPÖ-EU-Delegationsleiter Andreas Schieder ist die Zustimmung im EU-Parlament ein erster wichtiger Schritt und ein “Zugehen auf die Bedenken der Landwirtschaft”, so Schieder. Mercosur werde immer “aus nationalen Probleme heraus diskutiert”, wie jetzt in Frankreich. Er fordert aber, es “weltpolitisch zu sehen”: Europa müsse sich handelspolitische Verbündete suchen und “auf die Hinterbeine stellen”.
NEOS-EU-Abgeordnete Anna Stürgkh sagte im Pressegespräch, nach 25 Jahren Verhandlungen “kommt es auf diese Woche an”: “Europa hat etwas zu verlieren, wenn der Handelsdeal nicht durchgeht”. Laut Stürgkh könnte Europa seine Exporte mit dem Handelsdeal mehr als verdoppeln. Sie sei in Kontakt mit Kolleginnen und Kollegen aus den Mercosur-Staaten gewesen: Diese hätten bereits mit vielen anderen Staaten Abkommen geschlossen, “die warten nicht mehr auf uns, die geben uns eine letzte Chance” appelliert sie an die EU-Länder, das Abkommen abzusegnen.
Grüne: Schutzklauseln sind “Beruhigungspille”
“Uns wäre es am liebsten, wenn das Mercosur-Paket nicht zur Abstimmung kommt”, sagt hingegen ihr freiheitlicher Kollege Roman Haider. Er bezeichnet Mercosur als “Riesenohrfeige für unsere Landwirte”. Die FPÖ unterstütze den französischen Vorstoß auf eine Verschiebung der Unterzeichnung, und fordere auch die Bundesregierung dazu auf. Zudem sollte diese bei dem “Nein” laut Parlamentsbeschluss bleiben: “Das Abkommen muss verhindert werden.” Die FPÖ ist aber für die Schutzklauseln.
Kritisch sieht das Abkommen auch der grüne EU-Delegationsleiter Thomas Waitz: Die Sicherungsmechanismen würden von der EU-Kommission als Entgegenkommen verkauft, seien aber eine “Beruhigungspille”. Für ihn werden kleine Landwirtinnen und Landwirte zum Opfer, “damit die Industrie gute Geschäfte” machen kann. Die Landwirte würden mit Mercosur einem “unfairen Wettbewerb” ausgesetzt. Trotz der neuen, schwierigen geopolitischen Lage ist die momentane Einschätzung der Grünen, dass das Abkommen zu wenige Schutzmechanismen beinhaltet um Menschen, Tiere und Umwelt sowie die kleinen und mittleren Landwirtschaftsbetriebe auf beiden Seiten des Atlantiks zu schützen.




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