Eurac Research lädt Nobelpreisträger Amartya Sen zum Gespräch

Ökonomie im Dienst des Glücks

Donnerstag, 18. Mai 2017 | 15:34 Uhr

Bozen – Lassen sich der Lebensstandard und das Wohlergehen einer Gesellschaft am Einkommen messen? Nein, erklärt der indische Ökonom und Philosoph Amartya Sen: Das Bruttoinlandprodukt, geläufigster Indikator für die Wirtschaftskraft eines Staates, taugt nicht, um Entwicklungsstand und sozialen Fortschritt zu erfassen. Um wirklich Auskunft über den Zustand eines Landes zu erhalten, so der Harvard-Professor, müsse man viel mehr Parameter berücksichtigen und nicht überall auf der Welt die gleichen: In Entwicklungsländern herrschen andere Prioritäten als in Industrienationen, ja selbst zwischen Europa und den USA unterscheiden die Bedürfnisse sich.  Für seine Arbeiten zur Wohlfahrtsökonomie erhielt Sen 1998 den Wirtschaftsnobelpreis. Am 23. Mai wird er im Rahmen der Veranstaltungsreiche „Nobelpreisträger im Gespräch“ in Bozen sein (Auditorium Eurac Research, 18.00 Uhr). Die Reihe wird von Eurac Research und der Stiftung Sparkasse organisiert.

„Das Einkommen sagt nichts über so wichtige Aspekte menschlicher Existenz wie die Freiheit, lang zu leben, oder die Möglichkeit, sich vor vermeidbaren Krankheiten zu schützen, eine anständige Arbeit zu finden und in einer friedlichen  Gesellschaft zu leben“, so Sen: Um den Lebensstandard zu messen, reicht das BIP also nicht aus, Wachstum ist nicht gleichbedeutend mit sozioökonomischer Entwicklung. In seinen zahlreichen Büchern und Artikeln plädiert Sen deshalb dafür, die utilitaristische Bedürfnisbefriedigung des Einzelnen durch ein System zu ersetzen, dessen tragende Pfeiler Bürgerrechte, Gesundheit und Bildung sind. Auch mehr Solidarität zwischen reichen und armen Nationen fordert Sen.

„Wissenschaft und Forschung kommt eine Schlüsselrolle zu, wenn es darum geht, ein Gleichgewicht zwischen Wachstum und Lebensqualität finden – etwa zwischen der wirtschaftlichen Nutzung natürlicher Ressourcen und dem Umweltschutz“, erklärt Roland Psenner, Präsident von Eurac Research. Doch auch in anderen Bereichen trage Forschung ganz direkt zum Wohlergehen der Gesellschaft bei: Wenn sie Modelle des Zusammenlebens erarbeite, die Minderheiten ihre Rechte garantieren zum Beispiel, oder durch epidemiologische Studien, die die Gesundheit der Bevölkerung verbessern. „Sen erinnert uns daran, in unserer wissenschaftlichen Arbeit nie die Bedürfnisse der Menschen aus den Augen zu verlieren“, so Psenner: „Wirtschaftlicher Erfolg ist wertlos, wenn er nicht dem Wohlergehen der Gesellschaft dient.“

Von: mk

Bezirk: Bozen