Von: luk
Bozen/Trient – In keiner italienischen Region sind – gemessen an den Zulassungszahlen – mehr Elektroautos unterwegs als im Trentino-Südtirol. Laut aktuellen Daten kommen hier rund zwölf vollelektrische Fahrzeuge auf 1.000 zugelassene Autos – ein Wert, der sogar deutlich über dem von Regionen wie Lombardei oder Venetien liegt. Doch dieser Spitzenwert spiegelt die Realität auf den Straßen nicht ganz wider.
Wie der Präsident des ACI Trento, Fiorenzo Dalmeri, dem “Corriere della Sera” erklärt, ist das Bild verzerrt: Grund dafür ist die hohe Zahl an Langzeitmietwagen, die in Südtirol oder dem Trentino zugelassen werden, jedoch in ganz Italien unterwegs sind. „Mehrere große Leasing- und Mietwagenfirmen haben ihren Sitz in Bozen oder Trient. Ihre Fahrzeuge werden hier angemeldet, fahren aber vor allem in anderen Regionen Italiens“, so Dalmeri.
Südtirol, das Trentino sowie das Aostatal gelten aufgrund ihrer niedrigen Zulassungssteuern als „steuerliche Paradiese“ für Autovermieter in Italien. Ein Beispiel ist die Firma Sicily by Car, die ihren juristischen Sitz in Bozen hat.
Laut aktuellen Erhebungen sind in Trentino-Südtirol über 200.000 Fahrzeuge als Mietwagen registriert – fast 189 pro 1.000 Einwohner. In Aosta liegt dieser Wert sogar bei fast 300. Damit ist ein erheblicher Anteil der Elektroautozulassungen nicht dem regionalen Individualverkehr zuzuordnen.
Ladestationen dünn gesät
Tatsächlich bleibt der Anteil an Elektrofahrzeugen im Privatbesitz in der Region vergleichsweise niedrig. „Ohne die Mietwagenflotte dürfte der reale Wert zwischen vier und fünf E-Autos pro 1.000 Fahrzeuge liegen“, schätzt Dalmeri. Das sei ein Niveau, das etwa jenem der Abruzzen oder der Toskana entspricht.
Ein Grund für die schleppende Entwicklung ist laut Dalmeri die unzureichende Ladeinfrastruktur. Trentino-Südtirol weist einen der niedrigsten Werte an E-Ladestellen pro Fläche in Norditalien auf: Im Schnitt gibt es nur eine Ladesäule pro 8,06 Quadratkilometer. Zum Vergleich: In der Lombardei liegt der Wert bei 1,49 km² pro Ladesäule, im Veneto bei 3,37.
Der Trentiner Mobilitätslandesrat Mattia Gottardi verweist jedoch auf die besonderen geografischen Gegebenheiten: Große Teile der Landesfläche seien unbesiedelt und „grüner“ als andere Regionen. In allen urbanen Zentren seien zudem ausreichend Ladesäulen verfügbar, auch für Urlauber.
Zwei neue Ladesäulen in Trient – weitere geplant
Die Stadt Trient setzt unterdessen Maßnahmen zur Förderung der Elektromobilität. Kürzlich wurden zwei neue Ladestationen eröffnet: Eine in Meano (Via delle Sugarine), kostenlos nutzbar bis 30. Juli, und eine in der Via Bettini (kostenlos bis 6. August). Insgesamt sind 23 neue Ladesäulen an 18 Standorten geplant. Betrieben werden sie vom Anbieter Be Charge.
Junge Fahrzeugflotte, aber hohe NO₂-Werte
Neben der hohen Zahl an Neuzulassungen fällt in der Region Trentino-Südtirol auch der vergleichsweise junge Fahrzeugbestand auf: In Trient sind nur 60,1 Prozent der Autos älter als acht Jahre, in Bozen 57,7 Prozent. Auch hier könnte jedoch die Mietwagenflotte das Bild verzerren.
Die modernere Fahrzeugflotte wirkt sich nur bedingt auf die Luftqualität aus: Die Durchschnittswerte für Stickstoffdioxid (NO₂) liegen in beiden Provinzen mit 21,25 µg/m³ in Trient und 22,8 µg/m³ in Bozen über dem italienischen Schnitt von 16 µg/m³.
Der Grund dafür sei laut Experten schlicht die Anzahl der Fahrzeuge auf den Straßen – unabhängig vom Alter.
Trentino-Südtirol mag somit zwar auf dem Papier führend bei Elektroautos sein, doch ein Großteil dieser Fahrzeuge fährt anderswo. Für einen nachhaltigen Wandel hin zur Elektromobilität in der Region sind laut Experten mehr Ladeinfrastruktur und gezielte Fördermaßnahmen für Privatnutzer nötig.
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