Von: mk
Bozen – Wer viel und gerne kocht und backt, täglich die Waschmaschine laufen lässt, eine alte Heizungspumpe hat oder sogar die Warmwasserbereitung elektrisch betreibt und nicht zu den Armen im Lande gehört, dürfte mit Spannung die nächsten Stromrechnungen erwarten. Nur die Kunden, die noch von sogenannten „alten“ und wenigen „neuen“ Energie-Genossenschaften mit Strom versorgt werden, können sich getrost zurücklegen. Das kündigt zumindest der Verbraucherschutzverein Robin an.
Im Land des „weißen Goldes“ sei der Strom zu einem Luxusgut geworden. Laut der Regulierungsbehörde für Energie, Netze und Umwelt – ARERA beträgt ab 1. Jänner 2022 der Referenzpreis für den typischen Kunden (Jahresverbrauch 2.700 kWh, Anschluss 3 kW) 46,03 Cent je kWh, einschließlich aller Steuern. Dies ist der sogenannte Tarif für den geschützten Markt, auch Grundversorgungsdienst genannt, in welchem sich die meisten Kunden befinden. Doch diese Bezeichnung ist angesichts der stolzen Preise eher ein Euphemismus, also eine übertriebene Beschönigung. Allein im ersten Trimester 2022 sind die Kosten gegenüber dem letzten Trimester 2021 um 55 Prozent explodiert. Vor einem Jahr kostete 1 kWh 20,06 Cent (Steigerung + 129 Prozent). Sollte sich am Strompreis nichts ändern, hat der durchschnittliche Südtiroler Haushalt mit einem Verbrauch von 3.300 kWh mit Jahreskosten von über 1.500 Euro zu rechnen. Für viele ein ganzer Monatslohn. „Krokodilstränen über nationale und internationale Strompreistreiber lenken vom eigentlichen Problem ab, nämlich dass die Marktwirtschaft beim Strom und bei der Energieversorgung versagt“, erklärt der Verbraucherschutzverein Robin.
In Innsbruck kostet auf dem freien Markt (den „geschützten“ gibt es in Österreich nicht mehr) zum Beispiel von den günstigen Innsbrucker Komunalbetrieben ein Jahresverbrauch von 3300 kWh Ökostrom zum aktuellen Strompreis 696 Euro, also 21,09 Cent/kWh. In Wien (jedoch nicht Ökostrom) kostet es von Wien Energie 870 Euro, also 26,36 Cent/kWh (Quelle: Tarifkalkulator. E-Control). Diese Preise sind ohne Neukundenrabatte.
Stromland Südtirol mit unerhörten Stromtarifen – wer profitiert?
„Bei uns in Südtirol kommt auch noch eine völlig verfehlte Strompolitik hinzu. Die sogenannte Heimholung des Stroms durch das Land hat sich als trojanisches Pferd erwiesen. Um die Stromverbraucherinnen und -verbraucher schert sich fast niemand, ja sogar schon beschlossene (Wahl)-Versprechen, wie der Strombonus, werden ohne mit der Wimper zu zucken einfach weggefegt“, erklären die Vertreter von Robin. Laut dem Strategiepapier „Energie-Südtirol 2050“ soll Südtirol zu einem „Klimaland im Herzen Europas“, also einem Modell werden. „Soweit gut! Doch die Strompolitik entpuppt sich für die Brieftaschen der Bürgerinnen und Bürger als schwere Belastung. Dabei erzeugt Südtirol heute schon weitaus mehr (Öko-)Strom als es verbraucht. Die explodierenden Strompreise schwemmen Unsummen in die Kassen der hiesigen Stromerzeuger, da diese keine höheren Kosten für Rohstoffe und Co2- Zertifikate haben. Das Wasser, das aus den Bergen kommt, kostet Alperia und Co gleich viel. Am Großhandelsmarkt jedoch werden ganz andere Preise erzielt als noch vor einem Jahr. Der Großhandelspreis (PUN) ist von Jänner bis Dezember 2021 um fast 400 Prozent gestiegen – von 61 auf 288 Euro/MWh der Wochendurchschnittspreis“, so Robin.
Die Bürgerinnen und Bürger würden von diesem Geldregen rein gar nichts merken. „Im Gegenteil: Sie dürfen die Zeche über höhere Stromrechnungen bezahlen. Auf den PUN-Preis beziehen sich auch die meistens Stromtarife für die Verbraucherinnen und Verbraucher“, so Robin.
Die hohen Preise brächten auch viele Unternehmen in Bedrängnis. Besonders betroffen seien energieintensive Branchen. Doch Unternehmen haben einen Vorteil: Sie können die erhöhten Kosten an die Kunden weitergeben. „Steigende Inflationsraten sind dann das Ergebnis, welche wiederum die Verbraucherinnen und Verbraucher zusätzlich belasten, sofern nicht eher unwahrscheinliche Lohn- und Pensionserhöhungen anstehen. Es besteht also beträchtlicher Handlungsbedarf: Der Geldsegen sollte abgeschöpft und den Betroffenen sollte ein anständiger Strompreis geboten werden“, verlangt Robin.
Was tun?
Der Geschäftsführer des Verbraucherschutzvereins Robin, Walther Andreaus, ist überzeugt: „Spätestens nach den nächsten Strom- und Gasrechnungen werden gar einige Kundinnen und Kunden alle Hebel in Bewegung setzen um sich vor der Preisexplosion zu schützen. Obwohl man dieser nicht so leicht entkommt, gibt es Chancen die unerschwinglich teuren Energierechnungen zu senken. Dazu zählen: Stromspartricks und Anbieterwechsel, vielleicht gleich zu einem Ökostromanbieter. Doch aufgepasst! Auch vermeintlich verlockende Angebote sollten von unabhängiger Stelle gut geprüft werden. Doch dies sind nur defensive Verhaltensweisen. Das konsequente Wegschauen und Ablenken sowie das ‚Pakteln‘ mit der Stromlobby vonseiten der Landespolitik hat ins Schlamassel geführt. Sie sollte die Südtiroler Stromabnehmer da wieder herausholen.“