Erfahrungsbericht des Seniorenheims Partschins

„Alle wurden getestet“

Donnerstag, 14. Mai 2020 | 12:02 Uhr

Partschins – Die Freude bei Heimbewohnern, Angehörigen und Mitarbeitern war groß, als im Oktober 2019 nach langem Warten und sehr viel Vorbereitungsarbeit der Umzug ins neue große Seniorenheim bevorstand. Doch im März 2020 kam alles anders als geplant. „Von einem Tag auf den anderen war nichts mehr so, wie es vorausgeplant war. Wir mussten das Haus zum Schutz unserer Heimbewohner für Besucher schließen und standen vor einer enormen Herausforderung“, erzählt Jürgen Pircher, Direktor im Seniorenheim „Johann Nepomuk Schöpf“ in Partschins.

„Es galt nun Lösungen zu finden, Heimbewohner und Mitarbeiter vor der drohenden Gefahr COVID-19 zu schützen – vielleicht etwas unkonventionell – aber wir gingen unseren eigenen Weg! Unsere Mitarbeiter arbeiteten ab dem 13. März im 14-tägigen Turnusdienst, brachten große Opfer und zeigten enormen Einsatz für die Gesundheit unserer Heimbewohner. Das Resultat bis zum heutigen Tag gibt uns Recht, doch auch wir müssen langsam zum Alltag zurückkehren. Dienste schrittweise normalisieren und uns neue Lösungen überlegen – speziell für die zukünftigen Besuche der Angehörigen“, betont Pircher.

Auch Präsident Werner Braun, der die Umsetzung der Hygiene- und Sicherheitsmaßnahmen im Haus ständig begleitete und unterstützte, äußert sich zuversichtlich: „Mit der Unterstützung der Task-Force des Verbandes der Seniorenwohnheime und dem großen Einsatz unserer Mitarbeiter ist es uns gelungen, die drohende Gefahr durch COVID-19 bis zum heutigen Tag gut zu bewältigen.“ Ebenso positiv gestimmt ist die Pflegedienstleiterin Margit Stricker, wenn es um die Zukunft des Seniorenheims geht: „Mit enormen Einsatz ist es uns gelungen, das Virus so gut wie möglich einzudämmen. Nun müssen wir versuchen, unser und vor allem das Leben unserer Heimbewohner an die Umstände anzupassen und einen gemeinsamen sichern Weg in die Zukunft einschlagen.“

Eine Angehörige, deren Vater im Seniorenheim untergebracht ist, beschreibt die schwierige Zeit in der Corona-Krise.

„Mein Vater erkrankte vor längerer Zeit an Demenz. Mit zunehmendem Verlust seiner geistigen Fähigkeiten und Verlöschen seiner Persönlichkeit wurde die Betreuung zu Hause extrem belastend für meine Mutter und uns Angehörige, und wir mussten eine schwierige Entscheidung treffen. Ende Jänner wurde uns ein Heimplatz im Seniorenheim Partschins angeboten und wir stimmten zu.

Besonders wertvoll war das großzügige Angebot der offenen Besuchszeiten. Wir konnten spontan ins Heim kommen, mit Tata/Opa spazieren gehen, essen, uns in den großzügigen Räumlichkeiten frei bewegen, mit anderen Heimbewohner und Besuchern zusammen sein oder uns aufs Zimmer zurückziehen. Trotz ihrer anstrengenden und verantwortungsvollen Aufgabe hatte das Pflegepersonal stets ein offenes Ohr, nahm sich Zeit für ein Gespräch und zeigte wohltuenden Humor und Gelassenheit. Mit Bewunderung sah ich ihre Geduld, Kraft und professionellen Umgang mit unseren hilfsbedürftigen Angehörigen.

Das gab mir auch Kraft und Zuversicht in der Zeit der Besuchseinschränkungen. Von Seiten des Präsidenten, des Direktors und der Pflegedienstleiterin erhielten wir rechtzeitig genaue Informationen und Erklärungen zu den jeweils getroffenen Sicherheitsmaßnahmen. So war es für mich leichter zu verstehen und zu akzeptieren, dass diese Entscheidungen zum Wohle unserer schwachen und gefährdeten Angehörigen getroffen wurden.

Während dieser Zeit wurden weiterhin Kontaktmöglichkeiten geboten, jederzeit konnte man telefonieren, mailen und auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nahmen sich Zeit, ermöglichten uns über digitale Wege unseren Angehörigen ein bisschen nahe zu sein.

Wir als Einzelpersonen wünschen und erwarten, dass unsere persönlichen Entscheidungen respektiert werden. Auch Entscheidungen von Führungskräften und Fachpersonal, die verantwortungsvoll und auf Sicherheit bedacht in diesen schwierigen Zeiten leider auch unbequeme Maßnahmen anordnen müssen, sollten akzeptiert und respektiert werden. Nur gemeinsam werden wir diese Anforderungen und Probleme meistern und gestärkt in die Zukunft sehen.“

Auch eine Sozialbetreuerin beschreibt, was sich alles verändert hat!

„Es war der 11. März 2020 gegen Mittag, als uns eine Nachricht unserer Pflegedienstleitung erreichte: Ab Samstag, 14. März 2020, sollten fünf Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Pflege, zwei Mitarbeiterinnen der Küche und zwei Mitarbeiterinnen der Hauswirtschaft fix im Haus sein und die Dienste für zwei Wochen abdecken. Der Wechsel erfolgt am 28. März 2020 für die nächsten zwei Wochen. Jeder Mitarbeiter und jede Mitarbeiterin hätten in dieser Zeit ein Zimmer mit Verpflegung. Arbeitsabläufe werden erarbeitet.

Ich, als Mitarbeiterin in der Pflege, meldete mich für den ersten Turnus. Natürlich musste auch ich mich, wie alle anderen Mitarbeiter mit Kindern, organisieren, dass mein Sohn, zum damaligen Zeitpunkt nicht ganze elf Monate alt, rund um die Uhr versorgt ist. Nach Absprache mit meinem berufstätigen Partner und meinen Eltern konnte auch ich mich somit für den Dienst melden.

Ja, es war eine Herausforderung, vor allem weil wir uns irgendwo neu organisieren mussten, mit Dienste abdecken, Pausen, Arbeitsabläufe (für unsere Heimbewohner sollte der Alltag ja gleich bleiben), usw. Aber wir waren ein sehr starkes Team und die Arbeit klappte sehr gut. Wir hatten alle ein eigenes Zimmer mit Dusche und WC, wir hatten zum Frühstück einen gedeckten Tisch mit Buffet, mittags und abends und für Zwischenmahlzeiten war jederzeit gesorgt.

Wir konnten uns einfach nur auf unseren Bereich, Pflege und Zwischenmenschliches Arbeiten konzentrieren, denn alles andere wurde im Hintergrund von unseren Führungskräften organisiert. Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wurden auf Covid-19 getestet.

Aufgrund eines positiven Tests einer Bewohnerin, die jedoch zu diesem Zeitpunkt nicht im Haus war, wurden die Hygiene und Schutzmaßnahmen verschärft und alle Bewohnerinnen und Bewohner wurden auf Covid-19 getestet. Bis zum Eintreffen der Ergebnisse mussten unsere Bewohner ihren Alltag in deren Zimmer verbringen. Nach dem erfreulichen Ergebnis, dass das ganze Haus negativ war, konnte man diese Maßnahme Gott sei Dank wieder aufheben und zurück zur derzeitigen Normalität gehen.

Mit 25. April 2020 trat ich ein zweites Mal in den Sonderdienst, diesmal noch für eine Woche. Zusammenfassend war für mich diese Arbeitsweise eine sehr positive Erfahrung, in jeglicher Hinsicht. Für mich persönlich waren dies der beste Weg und die beste Lösung, um unsere Heimbewohner und Heimbewohnerinnen sowie auch uns selbst zu schützen.“

Ein Sozialbetreuer beschreibt die Situation folgendermaßen:

„Als ich im Jänner 2020 von dem Corona Virus in China erfahren habe, dachte ich: ‚Das werden die Chinesen schon schaffen‘. Heute verstehe ich nicht mehr, wie ich so naiv sein konnte. Als von dem ersten Fall in Italien die Rede war, dachte ich erstmals über eine Pandemie hierzulande nach und wie man unsere Senioren am besten schützen könnte in dieser Zeit. Nach dem ersten Covid-19-Verdachtsfall in Südtirol ließen die Präventionsmaßnahmen bei uns auch nicht lange auf sich warten. Anfang März wurde auch unsere Einrichtung für Besucher geschlossen. Wir arbeiteten unter Vorsichtsmaßnahmen weiter und versuchten den Alltag für unsere Heimbewohner so unbeschwert wie möglich zu gestalten und ihnen weiterhin Sicherheit und einen geregelten Alltag zu garantieren.

Am 14. März zogen wir mit fünf Pflegekräften, zwei Mitarbeitern aus der Hauswirtschaft und zwei Mitarbeitern aus der Küche für 14 Tage ganz in das Seniorenheim ein. Es war für uns Neuland. Niemand hatte bisher so gearbeitet, nicht einmal jene die schon viele Jahre Erfahrung haben. Wir mussten verschiedene Zeiten und Turnusse ausprobieren. Es war ein Miteinander und keiner wollte den anderen mit irgendetwas allein lassen. Wir haben es geschafft mit den Bewohnern zu leben und haben eine bessere Bindung zu manchen aufbauen können.

Leider mussten wir uns bereits in der ersten Woche von einem Heimbewohner verabschieden. Es war sehr befremdlich mit den Bestimmungen rund um COVID-19. Keine richtige gemeinsame Verabschiedungsfeier, kein letztes Waschen, kein neues Ankleiden des Leichnams. Der Umgang mit den Angehörigen gestaltete sich auch schwieriger als normal. Leider sollten wir diese Situation noch weitere fünf Mal in den paar Wochen erleben. Der erste Todesfall war auch Anlass dafür, alle Mitarbeiter zu testen. Zum Glück waren alle Tests negativ.

Nach zwei Wochen kam Team zwei und das hatte es nicht einfacher. Eine Bewohnerin unseres Hauses wurde nach einem Sturz ins Krankenhaus gebracht und dort positiv auf COVID-19 getestet. Sofort wurde reagiert und das gesamte Haus getestet, und alle Bewohner mussten auf ihren Zimmern bleiben. Die Zimmer durften nur noch mit kompletter Schutzausrüstung betreten werden und der soziale Kontakt war für die Bewohner gleich Null. Zur großen Erleichterung sind alle Mitarbeiter sowie Heimbewohner negativ auf COVID-19 getestet worden.

Als im dritten Team jemand ausfiel, habe ich mich dafür entschlossen einzuspringen. Es war wirklich schwer anzusehen, wie alle im Zimmer waren, man konnte fast sehen wie die Isolation die Bewohner runterzog. Körperlich war das Ganze auch nicht ohne, es war natürlich extrem heiß unter den Ganzkörperanzügen. Es war der schönste Tag des Monats, als wir jedem Heimbewohner die freudige Nachricht übermitteln durften, dass sie sich unter Einhaltung des Mindestabstands und des Tragens des Mundschutzes wieder frei im Haus bewegen dürfen. Natürlich war dies auch für uns Mitarbeiter eine enorme Erleichterung.

Corona ist natürlich noch nicht vorbei und wir arbeiten nun zwei bis drei Tage in der fast gleichen Besetzung wie in den zweiwöchigen Diensten. An die Masken und Brillen haben sich die Bewohner mittlerweile gewöhnt, obwohl man vom einen oder anderen manchmal noch hört ‚iatz tua amol des Ding oher‘. Ich hoffe sehr, dass die Situation so bleibt und wir weiterhin keinen Mitarbeiter und Heimbewohner im Haus haben, der an COVID-19 erkrankt, obwohl die Gefahr durch die Öffnung für die Mitarbeiter jetzt größer ist als vorher. Denn auch wenn jemand kein Fieber hat, kann er dennoch Träger sein und dann braucht es nur noch eine Unachtsamkeit bei der Händedesinfektion und schon fällt der erste Dominostein. Ich hoffe, dass uns das erspart bleibt.“

Von: mk

Bezirk: Burggrafenamt