Studie

Biodiversität: Klima wird zum Hauptakteur

Samstag, 27. April 2024 | 08:12 Uhr

Innsbruck – Den bislang umfassendsten Blick in die Vergangenheit und Zukunft der globalen Biodiversität wirft eine aktuelle Studie im Fachmagazin Science: Intensive Landnutzung verringerte die biologische Vielfalt um bis zu rund zehn Prozent im Laufe des 20. Jahrhunderts. Bis 2050 könnte die Klimakrise neben der Landnutzung zum Hauptfaktor für weitere Einbußen in der Biodiversität werden. Lauren Talluto vom Institut für Ökologie der Uni Innsbruck ist Teil des internationalen Autorenteams.

Die globale biologische Vielfalt hat im 20. Jahrhundert allein durch veränderte Landnutzung um zwei bis elf Prozent abgenommen, so das Ergebnis der in Science veröffentlichten Studie. Die umfassenden Modellberechnungen des internationalen Forscherteams zeigen zudem vor allem eines: Der Klimawandel könnte bis 2050 zum Hauptgrund für den Rückgang biologischer Vielfalt werden. „Bislang galt die Landnutzung durch die Inanspruchnahme von Böden und Landflächen durch den Menschen als Hauptursache. Erstmals konnte nun in dieser Studie eine globale Perspektive auf die komplexe Entwicklung der Biodiversität geworfen werden. Das ist ein großer Fortschritt für unser Forschungsgebiet und bringt die Auswirkungen der Klimakrise als zentralen Faktor für die Zukunft ins Spiel”, betont Lauren Talluto von der Forschungsgruppe Fließgewässer-Ökosystem-Ökologie am Institut für Ökologie der Uni Innsbruck. Talluto beschäftigt sich in ihrer Arbeit mit der Erstellung von Modellierungen zur Entwicklung der Biodiversität und interessiert sich insbesondere für die Auswirkungen des Klimawandels in diesem Zusammenhang.

Globale Trends für Biodiversität

Die Arbeit, geleitet vom Deutschen Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) und der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU), ist die bisher umfangreichste Modellierungsstudie ihrer Art. Das Forscherteam verglich dreizehn Modelle, die die Auswirkungen von Landnutzungs- und Klimawandel auf vier verschiedene Messgrößen der Biodiversität sowie auf neun verschiedene Ökosystemleistungen berechnen. Laut Weltbiodiversitätsrat IPBES ist Landnutzungswandel, zum Beispiel die Umwandlung von Wald in Weide, der wichtigste Faktor für den Wandel der biologischen Vielfalt. Zu messen, wie sehr sich die biologische Vielfalt verändert hat, stellt die Wissenschaft aber immer noch vor große Herausforderungen. Das Forscher:innen-Team modellierte daher die Auswirkungen des Landnutzungswandels auf die biologische Vielfalt im 20. Jahrhundert. „Indem wir alle Erdregionen in unser Modell einbezogen haben, konnten wir viele blinde Flecken füllen. Wir konnten auch die Kritik an anderen Berechnungsansätzen angehen, die fragmentierte und möglicherweise nicht repräsentative Daten nutzen“, sagt Erstautor Henrique Pereira, Forschungsgruppenleiter bei iDiv und an der MLU.

Auswirkungen auf Ökosystemleistungen

Mit fünf verschiedenen Modellen berechnete das Team ebenfalls im Rahmen der vorliegenden Studie die Auswirkungen des Landnutzungswandels auf Ökosystemleistungen. Für das vergangene 20. Jahrhundert stellten die Forscher:innen fest, dass versorgende Leistungen, wie Nahrungsmittel- und Holzproduktion, sich vervielfacht haben, während regulierende Leistungen – etwa Bestäubung durch Insekten oder die Bindung klimarelevanten Kohlenstoffs – leicht zurückgegangen sind. Teil der Studie war aber auch ein Blick in die Zukunft bis 2050 und dafür fügten die Autoren den Klimawandel als weiteren Faktor in ihre Modelle ein. Diesen Berechnungen zufolge werden die Folgen der klimatischen Veränderungen sowohl die biologische Vielfalt als auch die Ökosystemleistungen zusätzlich beeinträchtigen. Während der Landnutzungswandel weiterhin eine wichtige Rolle spielt, könnte der Klimawandel bis Mitte des 21. Jahrhunderts zum Hauptgrund für den Rückgang biologischer Vielfalt werden. Das Team bewertete drei aktuell gängige Klima-Szenarien, die von nachhaltiger Entwicklung bis zu sehr hohen Emissionen reichen und resümierte, dass Landnutzungs- und Klimawandel zusammen in allen Weltregionen zu einem Rückgang führen werden, auch wenn sich im Detail naturgemäß unterschiedliche Ausprägungen in den verschiedenen Weltregionen, Modellen und Szenarien zeigen. „Die Ergebnisse machen einmal mehr sehr deutlich, dass dringend ein global koordiniertes Handeln nötig ist, um die Folgen der Klimakrise einzudämmen und der Erhalt der Biodiversität allein im Hinblick auf die überlebenswichtigen Ökosystemleistungen von höchster Priorität sein sollte”, betont Lauren Talluto.

Von: mk

Kommentare

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7 Kommentare auf "Biodiversität: Klima wird zum Hauptakteur"


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N. G.
N. G.
Kinig
11 Tage 19 h

Na dann bringen wir noch mehr Gülle aus, die Menschheit braucht Nahrung.
Sprüche von denen die sich nie darüber Gedanken n machen was wir da eigentlich anbauen, teilweise das Falsche und vor allem wie wir es tun!

Apuleius
Apuleius
Tratscher
11 Tage 15 h

Dann, geschätzter N.G., kläre uns bitte auf, was angebaut werden sollte. Bitte nicht vergessen zu schreiben wo dasselbige stattfinden sollte und was damit ersetzt werden sollte.

Oracle
Oracle
Kinig
11 Tage 14 h

@N.G… ach die Gülle, wieder so ein grüner Dauerschlager…ohne praktische Relevanz… lieber einen Kunstdünger auf den Wiesen, als einen narürlichen Dünger? Typisch linksgrün, ständig von den anderen etwas fordern und bei sich selber kein Problem sehen? Der Konsument entscheidet, was er kauft und was nicht, der Markt passt sich dann an!

supersonic
supersonic
Tratscher
11 Tage 17 h

In Südtirol macht man doch mit,mit diesen Trend der globalen Entwicklung…Ungetastete Natur heißt es so schön .
Landnutzungswandel ..Biotope in Fahrsicherheitszentren,Biotope für Industrie,Waldschneisen für immer mehr Aufstiegsanlagen und Skipisten,für immer größere Hotels und Straßen,Landwirtschaftsausbreitung für Monokulturen und nicht zuletzt für Wiesen in Gülle erstickt.

Oracle
Oracle
Kinig
11 Tage 14 h

@supersonic…. in Südtirol sind 70% Naturlandschaft! Das scheint man auszublenden. Der Mensch hat sich weiterentwickelt, weil er sich spezialisiert hat, ob Landwirtschaft, Autoindustrie usw… Die selektive Produktion, die einige als Monokultur benennen, ist effizient auf so wenig Fläche wie möglich, soviel wie möglich zu produzieren. Das Gegenteil zu fordern ist kompletter Stumpfsinn und realitätsfremd! Mehr Fläche mit weniger Ertrag und mehr Artenvielfalt? Wo nehmen wir die Zusatzflächen her oder möchte man aufs Hungern setzen? Das mit der Gülle ist so ein grünes Dauerpferd, obwohl es kein Problem ist sondern Dünger darstellt..

supersonic
supersonic
Tratscher
11 Tage 17 h

In Südtirol

Oracle
Oracle
Kinig
11 Tage 8 h
…. durch die grüne Brille sieht man wahrscheinlich die Welt in einer anderen verzerrten Weise. Wenn ich Erdbeeren anpflanze, dann möchte ich keine Schnecken damit füttern, wenn ich Kartoffeln züchte, möchte ich damit auch keine Kartoffelkäfer züchten, wenn ich Äpfel anbaue, dann möchte ich Äpfel produzieren und keine Blattläuse, Schorf oder Mehltau. Deshalb ist die Forderung von mehr Artenvielfalt auf einer Kulturlandschaft völliger Stumpfsinn. Warum möchte man eine Kulturlandschaft (wo es mehr Biodiversität gibt, als auf versiegelten Flächen in eine Naturlandschaft verwandeln? Man bedenke, 10% in Südtirol sind versiegelte Flächen (Artenvielfalt?), 6% Obstbau (mit einer standortbedingten Artenvielfalt, wenn man nur… Weiterlesen »
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