Von: mk
Bozen – „Trauer nach einem Verlust durch Suizid ist besonders schwer zu bewältigen“, darauf weist Agnes Innerhofer, die neue Leiterin der Caritas-Hospizbewegung, anlässlich des bevorstehenden Welttages der Suizidprävention am 10. September hin. Zwei Angebote sollen Hinterbliebenen helfen, mit ihrer Trauer und vor allem mit den quälenden Warum-Fragen besser umgehen zu können.
„Offene Fragen, Wut, Scham, Schuldgefühle sowie Schuldzuweisungen sind häufige Merkmale der Trauer bei Verlust durch Suizid. Die Trauernden quälen sich oft mit der sogenannten Warum-Frage: Warum hat er/sie es getan? Warum habe ich es nicht verhindern können? Wie konnte er/sie mir das antun?“, sagt Agnes Innerhofer.
Über das Geschehene werde vielfach nicht gesprochen, weil Hinterbliebene und Außenstehende oft nicht wissen, wie sie darüber reden sollen, was man sagen darf und was nicht. Eine häufige negative Begleiterscheinung sei außerdem eine sogenannte Stigmatisierung der Familie, die schnell mit Schuldzuweisungen einhergehe. „All diese Umstände erschweren die Trauer und führen zur Isolation der Betroffenen“, sagt Innerhofer.
Um dieses Tabu aufzubrechen und der Stigmatisierung entgegenzuwirken, nimmt die Caritas den Welttag der Suizidprävention zum Anlass, um auf die Nöte und Sorgen der betroffenen Menschen aufmerksam zu machen. „Hier sind wir als Gesellschaft gefragt. Nicht wegschauen, sondern ein offenes und ehrliches Hinschauen und Hinhören helfen den Betroffenen. Die Trauernden brauchen Menschen, die ihnen zuhören und ihnen ein Gefühl von Sicherheit geben. Dadurch können auch die schweren Trauerreaktionen wie Wut und Schuldgefühle ausgedrückt werden“, weiß Innerhofer. „Trauernde Angehörige brauchen und wünschen sich Menschen, die präsent, interessiert und aufmerksam sind. Ein Zuhören und Begleiten des Trauerprozesses sind wichtige Säulen in der Bewältigung.“
Die Caritas Hospizbewegung bietet für Trauernde nach einem Verlust durch Suizid auch eine Trauergruppenbegleitung an. Durch die Begegnung von Menschen in ähnlichen Situationen kann Vertrauen und das Gefühl des Verstanden Werdens entstehen. Dadurch fühlen sich trauernde Menschen sicher und verstanden. Diese Gruppentreffen werden durch erfahrene Trauerbegleiterinnen geleitet. Das nächste Treffen findet am Donnerstag, den 17. September 2015 in Bozen (Haus St. Michael der Caritas, Sparkassenstr. 1) von 20.00 bis 22.00 Uhr statt. Anmeldungen bei der Caritas-Hopsizbewegung sind erwünscht (Tel. 0471 304 370 oder hospiz@caritas.bz.it).
Anonym, verschwiegen und rund um die Uhr erreichbar ist unter der Grünen Nummer 840 000 481 auch die Telefonseelsorge der Caritas. Speziell ausgebildete Freiwillige stehen dort telefonisch zur Verfügung, wenn Trauernde – vielleicht auch in schlaflosen Nächten oder weil man mit niemandem in der Umgebung reden kann oder möchte – eine Aussprachemöglichkeit suchen.
Darüber hinaus hat die Caritas noch zwei spezielle Angebote für Hinterbliebene: Einmal ist dies ein Wochenende für trauernde Eltern, die ein Kind durch Suizid verabschieden mussten. Dieses dreitägige kostenlose Seminar findet vom 26. bis zum 28. Oktober in der Lichtenburg in Nals statt und zwar mit der erfahrenen Trauerbegleiterin und Juristin Freya von Stülpnagl. Das zweite Angebot ist eine Autorenlesung mit eben wieder Freya von Stülpnagl und zwar am Abend des 27. Oktober in Bibliothek von Lana (Beginn 20.00 Uhr).
Ein Wochenende für trauernde Eltern, die ein Kind durch Suizid verabschieden mussten
Organisation: Caritas Hospizbewegung
Referentin: Freya von Stülpnagel
Datum: 26.10. bis 28.10.2018
Beginn: 26.10.2018 um 17.00 Uhr
Ort: Lichtenburg in Nals
Jugendanwältin Ladstätter: „Wir müssen über Depression und Suizid reden!“
Die Themenpalette der Schwierigkeiten, die sich der Kinder- und Jugendanwaltschaft täglich darlegen, ist breit. Depression und suizidale Gedanken junger Menschen gehören dazu. Dann gilt es, schnell und kompetent zu handeln. Jugendliche melden sich, weil sie dem Druck in der Schule nicht mehr standhalten, weil sie den ständigen Streit daheim nicht mehr aushalten, weil sie gemobbt werden und die Schwere im Leben nicht mehr ertragen. „Lasst uns reden“, fordert Paula Maria Ladstätter anlässlich des Welttages der Suizidprävention auf. Sie ist dankbar für das landesweite Netzwerk zur Suizidvorbeugung, für die Kinder- und Jugendpsychiatrie in Meran und ruft die Südtirolerinnen und Südtiroler auf, genau hinzuschauen: Meistens senden Menschen in suizidalen Krisen Warnzeichen aus.
Über Suizid gebe es eine Reihe von Vorurteilen, sagt Paula Maria Ladstätter. Dazu gehöre die irrtümliche Meinung, dass Menschen, die Suizid andeuten, nur Aufmerksamkeit wollten. Wer wirklich daran denke, so heißt es oft, spreche nicht darüber: “Es gibt zwar Menschen, die sagen, dass ihre Angehörigen ohne sie besser dran seien, sagt die Kinder- und Jugendanwältin. Aber in vielen Fällen seien solche Aussagen ein Signal dafür, dass jemand Suizidgedanken in sich trage. „Diese Menschen haben auf jeden Fall Probleme, die Aufmerksamkeit verdienen“, betont Paula Maria Ladstätter.
Genauso sei es ein Irrtum, dass das Gespräch über den Suizid einen Suizid auslösen könne. Das Gegenteil ist der Fall: Suizidgedanken zu thematisieren und offen darüber zu reden, sei eines der wirkungsvollsten Mittel, um Suizid zu verhindern, unterstreicht die Kinder- und Jugendanwältin. Das wirke für alle Beteiligten entlastend. Einem Suizid gehen immer Vorzeichen voraus. Suizid könne verhindert werden. Auch schwer depressive Menschen – junge wie erwachsene – schwankten häufig zwischen dem Wunsch zu leben und zu sterben. Die meisten möchten nicht sterben, sondern nur, dass ihr Leiden aufhöre, erklärt Paula Maria Ladstätter. Der Impuls, unter allem einen Schlussstrich ziehen zu wollen, gehe vorbei. Sie hat von jungen Menschen, die einen Suizidversuch überlebt haben, mitgeteilt bekommen, dass sie froh seien, weiterleben zu können.
Wenn junge Menschen sich verschließen, nicht mehr reden wollen, Freundschaften aufgeben, sich zu ritzen beginnen, dann sei Gefahr in Verzug, warnt die Kinder- und Jugendanwältin. Sie hört von Hilfesuchenden, dass sie es daheim nicht mehr aushalten, dass sie dem ständigen Streit der Eltern das Leben in einer geschützten Einrichtung vorziehen, dass Schule sie krank mache, Mobbing und Übergriffigkeiten nicht mehr zu ertragen seien. Die Kinder- und Jugendanwaltschaft ist dann gefordert, schnell die richtigen Schritte zu ergreifen: Sie arbeitet mit Sozialassistentinnen und -assistenten, Jugendstaatsanwaltschaft, Jugendgericht und Familienberatungen zusammen, ist mit Psychologinnen und Psychologen sowie Psychiaterinnen und Psychiatern in Kontakt. Eine gut abgestimmte Zusammenarbeit zwischen öffentlichen und privaten Diensten sei das Um und Auf in solchen Fällen.
Paula Maria Ladstätter appelliert gleichzeitig an die Bevölkerung, sich der Not junger Menschen nicht zu verschließen, nicht zu glauben, dass Leute, die an Suizid denken, keine Hilfe annehmen wollten. Allein seien sie nicht mehr imstande, nach Wegen aus der Krise zu suchen, sagt die Kinder- und Jugendanwältin. Darum denken sie in der akuten Situation, Suizid sei die einzige Lösung. Es fehle ihnen die Kraft, von sich aus mit Menschen in Kontakt zu treten, die sie unterstützen könnten. „Schauen wir hin. Reden wir mit den jungen Leuten. Fragen wir nach und haben wir keine Angst davor, schwierige Themen anzusprechen.“ Besser sei es nachzufragen, als gar nicht zu reagieren. Sie kann mit dem Vorurteil, wer sich töten wolle, müsse verrückt sein, nichts anfangen: Suizidgedanken seien eine menschliche Reaktion auf große oder lang andauernde seelische Schmerzen und auf einen hohen Leidensdruck.
Die Kinder- und Jugendanwaltschaft ist für Minderjährige in schwierigen Situationen da. Sie ist unter Tel. 0471 946 050 und per Mail unter info@kinder- jugendanwaltschaft-bz.org zu erreichen.