Patientenansturm in der pädiatrischen Ersten Hilfe wegen Grippe

Chaos in Erster Hilfe: Vater bedroht einzige Ärztin

Montag, 28. November 2022 | 09:53 Uhr

Bozen – Dass in der Notfallaufnahme des Bozner Krankenhauses auch etwas an Wartezeit einzuplanen ist, ist hinlänglich bekannt. Am vergangenen Wochenende kamen in der pädiatrischen Erste Hilfe jedoch mehrere Faktoren zusammen, die für Kinder und Eltern zu stundenlangen Wartezeiten führten. Wie die Zeitung Alto Adige berichtet, hielt das der Vater eines an Grippe erkrankten Kindes nicht mehr aus und die Pferde gingen mit ihm durch. Er stürmte das Ambulatorium einer Kinderärztin. Diese war gerade in einer Visite. Der Mann kam dennoch bis auf einen Zentimeter an sie heran und bedrohte sie. Sie solle nun sein Kind behandeln. Der aufgebrachte Mann beruhigte sich erst, als der Sicherheitsdienst vor Ort war. Der Sanitätsbetrieb will nach dem bedenklichen Fall Anzeige erstatten.

Die Verantwortlichen sprechen von einer außergewöhnlichen Situation, die zu den langen Wartezeiten in der kinderärztlichen Ersten Hilfe geführt hat: Am Wochenende sei demnach stets nur eine Ärztin oder ein Arzt im Dienst. Das sei für gewöhnlich völlig ausreichend. Die heranrollende Grippewelle, die derzeit vor allem Kinder betrifft, hat es jedoch bedingt, dass innerhalb von 24 Stunden 90 Fälle abzuarbeiten war. Das liegt laut dem Sanitätsbetrieb weit über der normalen “Nachfrage”. Die meisten Fälle betrafen Kinder mit Fieber und grippalen Symptomen. Eltern mit Kindern fanden im Warteraum keine Sitzmöglichkeiten mehr und nahmen auf dem Boden Platz. Hinzu kommt eine neue Software, die erst vor wenigen Tagen installiert wurde. Die Eingewöhnungsphase habe die Prozeduren verlangsamt.

Die Ärztegewerkschaft Anaoo nimmt diesen Vorfall jedenfalls zum Anlass, um auf die aktuelle Situation der Ärzte im öffentlichen Gesundheitssystem aufmerksam zu machen: Niemand brauche sich wundern, wenn Ärzte-Kollegen dem öffentlichen Dienst den Rücken zukehren, meint Edorado Bonsanto von der Anaao. “Die verbliebenen Ärzte stehen unter enormen Druck, weil sie versuchen, die Lücken zu füllen.” Bonsanto fordert den Sanitätsbetrieb auf, mehr Ärzte anzustellen.

Auch ein Augenzeuge des Vorfalls am Samstag in der pädiatrischen Ersten Hilfe meint, dass man nicht den Ärzten oder Pflegern die Schuld für Wartezeiten geben könne. Das Personal sei bemüht gewesen und habe ohne Unterlass versucht, die Situation in den Griff zu bekommen. Aber ein Arzt und zwei Krankenschwestern seien einfach zu wenig gewesen für diesen Patientenansturm.

Von: luk

Bezirk: Bozen