Von: mk
Hushe – Der Yernamandu Kangri hat bis vor Kurzem mit seinen 7.180 Metern zu den höchsten bislang unbestiegenen Bergen der Welt gehört. Dem 32-jährigen Simon Messner und seinem österreichischen Kletterpartner Martin Sieberer (35) glückte am 15. Juli die Erstbesteigung.
In der Vergangenheit hat es bereits ein bis zwei Versuche gegeben, den Yernamandu Kangri zu besteigen. Allerdings liegen kaum Informationen darüber vor. „Wir gehen davon aus, dass frühere Expeditionen am komplexen Gelände und an zu viel Schnee am Berg gescheitert sind“, erklärt Simon Messner.
Er und Martin Sieberer sind im Alpinstil aufgestiegen, d.h. die beiden haben keine Fixseile verwendet, es gab keine Hochlager, keine externe Hilfe von Hochträgern und keinen künstlichen Sauerstoff. „Dieser Stil gilt damals wie heute als reinster Stil im Höhenbergsteiger“, erklärt Simon Messner. Dass sich er ausgerechnet diesem Stil verschrieben hat, ist kein Zufall. Immerhin ist er dem ehemaligen Stil seines Vaters – der Bergsteigerlegende Reinhold Messner – angelehnt. Genau wie sein Vater ist auch Simon Messner der Ansicht, dass Alpinstil ein ehrlicher Zugang zum Berg ist und das größte Erfahrungspotenzial bietet. „Das ist vor allem im heutigen Zeitalter wichtig, zu unterscheiden, da die meisten Besteigungen mittlerweile ‚touristisch‘ erfolgen“, erklärt Simon Messner gegenüber Südtirol News.
Der Yernamandu Kangri befindet sich im südlichen Karakorum und wird über das Dorf “Hushe” erreicht. Der bekannte Nachtbar des Yernamandu Kangri ist ein – wenn auch sehr selten bestiegene – Berg namens Masherbrum (7.821 Meter).
Generell ist die heurige Saison im Karakorum durch große Massen an Neuschnee geprägt. Da sich Martin Sieberer und Simon Messner aufgrund des wechselhaften Wetters nur bedingt akklimatisieren konnten, haben sie sich für einen schnellen Aufstieg entschieden. „Am 13. Juli sind wir frühmorgens von unserem Basecamp auf 4.300 Metern aufgebrochen und bis auf 5.400 Meter gestiegen. Von dort am Folgetag haben wir ein hochgelegenes Gletscherbecken auf 6.250 Metern erreicht, wo wir erneut biwakiert haben“, erzählt Simon Messner.
Mit steigender Höhe seien die Schneebedingungen anspruchsvoller und sehr zermürbend geworden. Doch aufgrund des kurzen Wetterfensters waren die beiden gezwungen, bereits den darauffolgenden Tag zum Gipfelvorstoß zu nutzen. „Mit sehr leichtem Gepäck (kein Backup) sind wir am 15. Juli am frühen Morgen um 4.15 Uhr aufgebrochen und konnten nach etwa sieben Stunden um 11.15 Uhr den Gipfel des Yernamandu Kangri erstmals erreichen“, berichtet Simon Messner.
Die Schwierigkeit lag vor allem in der Komplexität des Geländes und in einer langen Strecke, die es zu überwinden galt. Die etwa 600 Meter hohe Abschlusswand (Westwand) ist bis zu 70 Grad steil und teilweise eisig. Außerdem sind Gefahren wie Lawinen, Gletscherspalten oder Seracabbrüche während des gesamten Aufstieges nicht zu unterschätzen.
„Eigentlich besagt die Daumenregel, dass man im Alpinstil in der Höhe maximal 500 Meter pro Tag aufsteigen sollte, um der gefährlichen Höhenkrankheit vorzubeugen. Wir jedoch sind etwa 1.000 Meter pro Tag gestiegen. Nur durch unsere Schnelligkeit, um auch wieder zurück im Tal zu sein, war die Besteigung in diesem Stil möglich. Dazu sind wir eine über die Jahre sehr eingespielte Seilschaft“, erklärt Simon Messner gegenüber Südtirol News.
Am Herzen liegt den beiden Extrembergsteigern der traditionelle Alpinismus, der in den letzen Jahren – leider auch aufgrund von Social Media – nur noch selten praktiziert wird. Beinahe sieht es so aus, dass der “Höhentourismus” etwa am Everest oder am K2 diese Form des eigenverantwortlichen Abenteuer-Bergsteigens verdrängt. „Uns ist es wichtig den Stil und die damit verbundenen Werte einer alten Tradition aufrecht zu erhalten“, erklärt Simon Messner.
In den letzten Jahren konnten wir im Karakorum, aber auch in den Alpen einige schöne Routen, Erstbegehungen und Erstbesteigungen vollenden, etwa am Black Tooth mit einer Höhe von 6.718 Metern im Karakorams Baltoro Gletscher im Jahr 2019 oder im Valsertal im Jahr 2022. Die beiden haben auch die „Bonatti-Route“ zum Matterhorn in einem Tag vom Tal aus gemeistert.
Mit dem Yernamandu Kangri ist Simon Messner und Martin Sieberer ein „Lebenstraum in Erfüllung“ gegangen. „Einmal auf 7.000 Metern Höhe stehen und dann sogar noch eine Erstbesteigung! Mehr kann man sich eigentlich nicht wünschen!“, erklärt Simon Messner.