Abnahme und Versteigerung bei hoher Geschwindigkeitsüberschreitung

Auch in Österreich: Extrem-Rasern droht ab 2024 die Fahrzeug-Abnahme

Mittwoch, 14. Juni 2023 | 13:24 Uhr

Die österreichische Bundesregierung hat am Mittwoch im Ministerrat die bereits im Vorjahr angekündigten Maßnahmen gegen extreme Raserei auf den parlamentarischen Weg gebracht. Das Paket ermöglicht ab März 2024 bei rücksichtslosen und gefährlichen Geschwindigkeitsübertretungen die Abnahme und Versteigerung des Fahrzeuges. Lenkern soll bei massiven Geschwindigkeitsübertretungen auch auf jeden Fall an Ort und Stelle der Führerschein abgenommen werden – dies bereits ab kommendem Oktober.

Die Verschärfungen waren im Dezember von Verkehrsministerin Leonore Gewessler (Grüne) angekündigt worden. Nach der Begutachtung wurden nun geringfügige Änderungen eingearbeitet. Um die Maßnahmen umzusetzen, sollen die Straßenverkehrsordnung, das Führerscheingesetz und das Kraftfahrtgesetzes abgeändert werden.

Nach dem entsprechenden Parlamentsbeschluss wird damit ab März 2024 das Auto von extremen Rasern an Ort und Stelle beschlagnahmt werden können, sagte Gewessler nach der Regierungssitzung im Pressefoyer. Österreich folge mit dieser Maßnahme dem Beispiel von anderen europäischen Ländern, hieß es seitens des Verkehrsministeriums.

Das beschlossene Paket richtet sich gegen schwere Vergehen und Geschwindigkeitsübertretungen von mehr als 60 km/h innerorts und 70 km/h außerhalb des Ortsgebiets. Wenn Einzelpersonen “völlig unbelehrbar” immer wieder mit stark überhöhter Geschwindigkeit unterwegs sind, kann nach der Beschlagnahme am Ende des Verfahrens die dauerhafte Abnahme und Versteigerung des Fahrzeugs zum Tragen kommen.

Sofern die erlaubte Höchstgeschwindigkeit im Ortsgebiet um mehr als 80 km/h überschritten wird – oder außerhalb des Ortsgebiets um mehr als 90 km/h -, kann die Behörde dieses “Verfallsverfahren” auch schon beim ersten Mal einleiten.

Sollte das Auto, mit dem die Geschwindigkeitsübertretung begangen wird, nicht dem Lenker gehören, kommt statt des Verfalls ein Lenkverbot zum Tragen. Damit ist es dem Lenker dauerhaft untersagt, das entsprechende Fahrzeug zu benutzen. Das betrifft auch die Eigentümer: Sie dürfen das Fahrzeug dem Betroffenen nicht mehr überlassen. Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) meinte, Erfahrungen der Polizei zeigten, dass es sich aber meistens um das eigene Auto handle. Gefragt, ob die Regelung auch ausländische Lenker, etwa auf der Durchreise, betreffe, verwies Gewessler auf die EU-Gleichbehandlung.

Zusätzlich ist eine Änderung des Führerscheingesetzes geplant: Bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung von mehr als 40 km/h innerorts bzw. 50 km/h außerhalb des Ortsgebiets ist dann der Führerschein jedenfalls vorläufig abzunehmen. Aktuell ist dies eine Ermessensentscheidung des einschreitenden Beamten.

Verkehrsministerin Gewessler sagte, damit setze man nun auf allen Ebenen “umfassende Schritte gegen unbelehrbare Wiederholungstäter und rücksichtsloses Verhalten”. Sie verwies auf die bereist 142 Unfalltoten im Jahr 2023 – jeder einzelne Fall sei unerträglich und einer zu viel, betonte sie. Wer mit seinem Auto mit 130 Stundenkilometern durch ein Ortsgebiet rase, der habe sein Fahrzeug nicht unter Kontrolle. “Das ist lebensgefährlich. Das gilt es zu unterbinden”, so Gewessler. “Wer sein Auto als Waffe verwendet, dem nehmen wir die Waffe ab.” Denn: “Wer kein Auto mehr hat, kann nicht mehr rasen.” Es gehe nicht darum, wenn jemand einmal einen Fehler mache und einmal zu schnell unterwegs sei, sondern um “extreme Raserei” als bewusste Entscheidung, betonte die Ministerin.

Der für die Polizei zuständige Innenminister Karner zeigte sich erfreut. Man habe einen “weiteren Schritt zu mehr Verkehrssicherheit” geschafft. Vor dem Parlament wollte unterdessen ein Grüppchen Klimaschützer, unter anderem von Global 2000 und WWF, Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) symbolisch wachrütteln und forderte “endlich wirksame Maßnahmen gegen die Klimakrise und für eine krisensichere Energieversorgung in Österreich”. Gerade durch die Beschlagnahmung gebe man der Exekutive ein neues Werkzeug in die Hand, erklärte ÖVP-Verkehrssprecher Andreas Ottenschläger in einer Aussendung. “Bis dato war es – gerade in der Tuningszene – oft so, dass die Fahrzeuge auch nach schweren Vergehen einfach von anderen Personen weiterbetrieben worden sind”, hieß es.

Auch das Kuratorium für Verkehrssicherheit (KFV) begrüßte am Mittwoch in einer ersten Reaktion den Beschluss des Ministerrats. “Exzessive Geschwindigkeitsübertretungen stellen eine sehr große Gefahr im Straßenverkehr dar – Maßnahmen, die dem entgegen wirken retten Menschenleben”, betonte KFV-Direktor Christian Schimanofsky. Auch der VCÖ begrüßte das Raserpaket prinzipiell. “Jedoch ist aus Sicht des VCÖ die Grenze, ab der das Fahrzeug beschlagnahmt werden kann, zu hoch angesetzt”, kritisierte der VCÖ. Das gelte insbesondere für das Ortsgebiet. “80 km/h zu schnell bedeutet Autobahn-Tempo von 130 km/h im Ortsgebiet. Diese Grenze ist deutlich zu hoch, auch 100 km/h im Ortsgebiet sind aus Sicht des VCÖ derart unverantwortlich, dass eine Beschlagnahme des Fahrzeugs möglich sein sollte”, sagte VCÖ-Experte Michael Schwendinger. Der Anhalteweg nehme durch Raserei extrem zu. “Während ein Pkw bei Tempo 50 auf trockener Fahrbahn nach 24 Metern steht, hat er bei 100 km/h einen Anhalteweg von 74 Metern und nach 24 Metern noch eine Geschwindigkeit von 98 km/h”, hieß es. Der VCÖ verwies in diesem Zusammenhang auf die Schweiz. Dort sei eine Beschlagnahmung bereits ab einer Überschreitung von 40 km/h im Ortsgebiet möglich.

Der VCÖ forderte zudem, die Erlöse aus der Versteigerung von beschlagnahmten Fahrzeugen zur Finanzierung von Discobussen und Anrufsammeltaxis in Gemeinden zu nutzen. Dadurch könne gerade die Zahl der Verkehrsunfälle am Wochenende reduziert werden, wurde betont. Auch die Toleranzgrenzen beim Überschreiten von Tempolimits gibt, seien “für die Verkehrssicherheit kontraproduktiv und sollten nach Schweizer Vorbild gesenkt werden”.

Auch die Wiener Mobilitätstadträtin Ulli Sima (SPÖ) begrüßte den Beschluss, pochte jedoch auf “weitere Verschärfungen” und forderte unter anderem die Schaffung eines Straftatbestands “Verbotene Kraftfahrzeugrennen” nach deutschem Vorbild. Ein “klares Nein zu den grünen Enteignungsfantasien gegen Autofahrer” gab es vom FPÖ-Verkehrssprecher Christian Hafenecker. Gefährliche Raserei müsse bekämpft werden, jedoch sei die Beschlagnahmung von Privatbesitz dafür völlig ungeeignet und erinnere zudem an Vorgangsweisen autoritärer Regime, meinte der FPÖ-Generalsekretär in einer Aussendung.

Kärnten ist durch die GTI-Treffen besonders von der Problematik betroffen. Verkehrslandesrat Sebastian Schuschnig (ÖVP) reagierte entsprechend positiv: “Endlich wird umgesetzt, was wir in Kärnten lange und massiv eingefordert haben.” Mit dem neuen Paket werde “wird die Gangart gegen besonders unbelehrbare Verkehrsrowdys nochmals verschärft”.

Der ARBÖ betonte am Mittwoch, dass er grundsätzlich alle Maßnahmen, die die Verkehrssicherheit erhöhen, begrüße, wendete jedoch ein, dass der Führerschein nicht dauerhaft verfalle und der Fahrer ein anderes Fahrzeug nutzen könne. “Ob die Beschlagnahmung des Fahrzeugs aber die richtige Maßnahme ist, bleibt abzuwarten”, hieß es. “Außerdem sehen wir verfassungsrechtliche Probleme bei diesem Vorhaben”, so Gerald Kumnig, ARBÖ-Generalsekretär. Die Fahrzeugbeschlagnahmung sei ein massiver Eingriff in das Eigentumsrecht. “Besonders zu kritisieren ist, dass in der derzeit vorliegenden Novelle, die Exekutive ein Verfallsverfahren einleitet, und nicht – wie übrigens in anderen europäischen Ländern – ein Gericht.” Es sei damit zu rechnen, dass dies zu langwierigen Gerichtsverfahren führen wird.”

Von: apa