Von: apa
In Zeiten steigender Temperaturen, unregelmäßigerer Niederschläge und menschlicher Achtlosigkeit nimmt die Wahrscheinlichkeit größerer Waldbrände zu. Dies lässt sich nicht nur u.a. an den aktuellen, teils rekordverdächtigen Feuern im Mittelmeerraum, sondern auch hierzulande feststellen. Ein Team um Florian Kraxner und Andrey Krasovskiy sucht mit einem ausgeklügelten System u.a. in Österreich nach künftigen Waldbrand-Hotspots. Das soll helfen, Wälder zukunftsfit zu machen.
Expertinnen und Experten der Geosphere Austria liefern derzeit eine Waldbrandgefahr-Prognose, die in etwa drei Tage in die Zukunft reicht. Als Basis dafür dienen längerfristige Niederschlagsdaten und kurzfristigere Wetterprognosen. Dieses System ist für die unmittelbare Vorschau hinreichend genau, meinte der am Internationalen Institut für Angewandte Systemanalyse (IIASA) in Laxenburg bei Wien tätige Florian Kraxner im Gespräch mit der APA.
Mit seinem Team leitet er ein im Rahmen des Österreichischen Klimaforschungsprogramm (ACRP) laufendes Projekt namens “Austria Fire Futures” und forscht mit Partnern von der Universität für Bodenkultur Wien und dem Bundesforschungszentrum Wald (BFW) schon mehrere Jahre an einer detaillierten Erfassung des brennbaren Materials in den Wäldern verschiedenster Weltregionen. Die Wissenschafter sprechen in dem Zusammenhang von “fuel” – was auf Deutsch mit Brennstoff zu übersetzen ist.
Wie brandgefährlich ist eine Stelle in 100 Jahren?
Im Gegensatz zu anderen Ansätzen “schauen wir am IIASA mit unseren Modellen längerfristig in die Zukunft. Wir versuchen, globale Feuerrisiko-Hotspots zu identifizieren”, so Kraxner. Dafür berechnet man mit dem eigenentwickelten Modell namens “FLAM” die Wahrscheinlichkeit für Waldbrände, deren potenzielle Ausdehnung, Intensität und die Emissionen von Schadstoffen durch sie unter verschiedenen Klimaszenarien, der regionalen Bevölkerungsentwicklung und Wald-Bewirtschaftungsformen für die kommenden Jahrzehnte.
Möglichst genau auflösen möchten die Experten, “was dort am Boden wächst und liegt” und wie feucht der Boden und das Brennmaterial sind. Auch wie nahe menschliche Aktivitäten stattfinden, ist ein wichtiger Faktor. Eine Besonderheit ist auch die spezielle Berechnung der sogenannten “Waldbrandbekämpfungseffizienz” – also, wie rasch ein Feuer entdeckt und bekämpft bzw. gelöscht werden kann.
Letztlich möchte man so abschätzen, wie gefährlich eine Stelle in zehn oder in 100 Jahren sein wird. Das Ziel ist, Empfehlungen für das Waldmanagement abzugeben, wenn es etwa darum geht, den verfügbaren “Brennstoff” in einer besonders gefährdeten Gegend mittelfristig zu reduzieren. Dazu braucht es mehr Wissen als lediglich, ob es sich um einen eher von Laubbäumen geprägten Mischwald in niederen Lagen oder einen mehr von Nadelbäumen gebildeten Hochwald handelt. “Wir wollen letztlich Empfehlungen dazu abgeben, wie wir unseren Wald klimafit machen”, betonte Kraxner.
Experte: Brauchen aktiven Waldumbau
So gibt es etwa schon ein System des Bundesforschungszentrum Wald (BFW) mit verschiedenen Ampelfarben für verschiedenste Baumarten in unterschiedlichen Höhenlagen in Österreich. Kraxner und sein Team können dann Informationen zur Frage der zukünftigen Brandgefahr geben – auch abgestimmt auf die wirtschaftlichen, touristischen oder ökologischen Funktionen, die der Wald erfüllen soll.
Die Weiterentwicklung des Waldes passiere nämlich nicht von selbst. Lässt man eine an einer bestimmten Stelle eigentlich nicht mehr zeitgemäße Fichte natürlich zugrundegehen, ist die Chance hoch, dass auf sie wieder eine Fichte an gleicher Stelle folgt – die dann ebenso mit den steigenden Temperaturen, dem wärmebedingt zunehmenden Borkenkäferbefall und eventueller Wasserknappheit überfordert ist. “So bekommen wir keine Veränderung hin”, sagte Kraxner: Will man einen zukunftsfitten Wald, muss man “aktiv, massiv und über einen langen Zeitraum eingreifen”.
“Es wird mehr Feuer geben”
Die notwendige “Transition” bzw. der Waldumbau sei eben eine große Aufgabe, für die kurzfristige Gefahrenlagen und Langfrist-Entwicklungen berücksichtigt werden müssen. Mit konstanten Analysen kann auch besser entschieden werden, wo in Zukunft oder schon jetzt Feuerwehr-Einheiten stationiert werden sollen, “um die Hotspots der Zukunft möglichst schnell zu erreichen”.
Klar sei: “Es wird mehr Feuer geben”, die es rasch zu löschen gilt – und zwar auch in Österreich, etwa im südlichen Niederösterreich, in großen Teilen Kärntens oder im Grenzgebiet zwischen Salzburg und Oberösterreich. Eingebunden werden müssen hier Gemeinden, Waldbesitzer, Förster und Forstverwalter, um beispielsweise Touristen mehr Informationen zur Brandvermeidung zu geben oder in Trockenzeiten besonders gefährdete Wanderrouten zu sperren. Allein das Wissen, dass man in einer Hotspot-Region lebt oder urlaubt, könne viel bewirken.
Forscher haben Österreich, Südkorea und Sardinien genauer im Blick
Das “FLAM”-Modell arbeitet global gesehen auf einem Raster von rund 50 mal 50 Kilometern, in Österreich kommt man bereits auf einen Kilometer bis 500 Meter Seitenlänge. Neben globalen Analysen können die Wissenschafter u.a. auch die Situation im heuer erneut von starken Bränden heimgesuchten Südkorea oder im auch diesen Sommer wieder stark betroffenen Sardinien mit höchster Auflösung. Mit Experten aus diesen Ländern arbeitet das Team intensiv zusammen.
Errechnet wird das Brandauslöse-Risiko und die zu erwartende Brandfläche, nach der sich die der Ampellogik folgende Einschätzung der Gefährdung letztlich richtet. Detail am Rande: In kaum besiedelten Gebieten im Norden ist Blitzschlag der größte Brandauslöser, in unseren Breiten ist es fast immer der Mensch.
Veränderte Regen-Muster bereiten Boden für größere Feuer
Was die Klimaerwärmung angeht, “sind wir leider auf einem sehr schlechten Pfad”, betonte Kraxner. Blickt man mit dem Modell auf die Klimapfade mit derzeit realistisch hohen Temperaturanstiegen, ergeben sich auch für alle Bundesländer durchgehend ein Stück höhere zu erwartende Waldflächen-Verluste. Während rückgerechnet in der Periode von 2001 bis 2020 bundesweit jährlich rund 65 Hektar brannten, wären es beim Blick auf die ungünstigen Klimaszenarien gegen Ende des Jahrhunderts (2081-2100) zwischen rund 85 und knapp 100 Hektar pro Jahr. Die größten zu erwartenden Brandflächen sind dann laut einer Auswertung des Teams mit bis zu fast 25 und 21 Hektar jährlich in Niederösterreich und Tirol sowie in Kärnten (rund 16,5 Hektar) zu erwarten.
Schon jetzt wirken sich die klimatischen Änderungen auf die hiesigen Waldsysteme stark aus. Größere Waldbrände gab es in unseren Breiten historisch kaum. In den vergangenen Jahren geht aber auch hierzulande der Trend in Richtung flächigere Feuer. Das liegt u.a. an sich “sehr auffällig” ändernden Niederschlagsmustern.
Viel Regen im Sommer, wie heuer, ist gut, um die Brandgefahr in der heißeren Jahreszeit zu reduzieren. Fehlt aber der im Frühjahr langsam schmelzende Schnee aus dem Winter – wie zuletzt in vielen Jahren – mangelt es an Feuchtigkeit im Frühling und den folgenden Jahreszeiten. Gerade dann braucht die Natur die Feuchtigkeit besonders, um die Brandwahrscheinlichkeit über das Jahr gering zu halten, betonte Kraxner.
(S E R V I C E – Link zur FLAM-Modell Homepage: http://www.iiasa.ac.at/flam; Infos zu “Austria Fire Futures”-Projekt: https://iiasa.ac.at/projects/austria-fire-futures und https://www.klimafonds.gv.at/projekt/austria-fire-futures)
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