Von: mk
Bozen – Anfang Februar ist ein 20-Jähriger in Turin an seiner Magersucht gestorben. In den italienischen Medien wird heftig darüber diskutiert. Wie konnte das passieren? In der Fachstelle für Essstörungen INFES im Forum Prävention in Bozen beschäftigt man sich jeden Tag mit Betroffenen.
„Die Magersucht ist eine schwere Krankheit, an der man auch sterben kann. Eine italienische Studie klassifizierte 2010 die Essstörungen als die psychischen Störungen mit der höchsten Sterberate bei Jugendlichen unter 25 Jahren. Sie sterben an Herzversagen, Nierenversagen aber auch an Selbstmord, denn die Hölle, die sich im Kopf einer erkrankten Person abspielt, ist sehr schwer auszuhalten. Es erkranken immer noch vorwiegend Mädchen, aber wie der Fall in Turin zeigt, sind Buben nicht immun“, erklärt Koordinatorin Raffaela Vanzetta.
Die Eltern von Lorenzo, des 20-jährige Turiners, klagen, dass sie im Stich gelassen worden seien. „Piemont hat tatsächlich ein sehr dürftiges Behandlungssystem, aber ich denke, dass sich auch in Südtirol einige Eltern über dasselbe beklagen würden: Wenn Jugendliche 18 werden, können sie die Behandlung verweigern. Sich nicht behandeln lassen zu wollen, ist eines der schweren Symptome der Krankheit und leider ist die gesetzliche Lage in diesem Fall wenig hilfreich“, erklärt Vanzetta.
Man kann gegen den Willen der Betroffenen erst dann intervenieren, wenn die Situation so schwer ist, dass es oft schon zu spät ist. In diesen Fällen müsste die Begleitung der Eltern eine selbstverständliche Praxis sein. Allerdings führten einerseits die Privacy-Regelungen und andererseits die weit verbreitete Überzeugung, Eltern seien an der Krankheit ihrer Kinder selbst Schuld, dazu, dass Eltern ihren Schwierigkeiten und ihrer Verzweiflung überlassen würden, betont Vanzetta.
„Die Institutionen sollten handeln: erstens durch Prävention in den Schulen und zweitens durch höhere Investitionen in die Behandlung von Essstörungen. Es fehlen auch klare Angebote für die Familien“, schreibt der Vater des jungen Mannes.
In Südtirol versucht INFES, die Fachstelle Essstörungen im Forum Prävention, Präventionsangebote anzubieten. Diese sind jedoch von den zeitlichen und ökonomischen Möglichkeiten der Schulen abhängig. Schulen müssen sich verschiedener Problematiken annehmen und Essstörungen sind nicht immer eine Priorität. „Für Eltern jedoch gibt es die Unterstützung. Einmal im Monat trifft sich eine Elterngruppe in Bozen und eine in Brixen, die von einer Psychotherapeutin der INFES begleitet werden. Die Unterstützung der Familien ist die bestmögliche indizierte Prävention, denn dort, wo die Institutionen nicht einwirken können, dürfen sich Eltern nie alleine gelassen fühlen“, erklärt Raffaela Vanzetta abschließend.