Nachdenken statt Eindreschen – ein Kommentar

Martha Stocker: Abgang einer Ungeliebten

Dienstag, 17. April 2018 | 10:07 Uhr

Bozen – Der erklärte Verzicht von Martha Stocker, im Herbst nicht mehr anzutreten, löste in Südtirol ein kleines Erdbeben aus. Sowohl auf politischer Ebene, aber auch in den Kommentarspalten ließen sich ihre erklärten Gegner die vielleicht letzte Gelegenheit, ihr noch einmal so richtig ihre Meinung zu sagen, nicht entgehen.

Aber lagen sie dabei immer richtig? Zugegeben, die Liste der Missstände und zweifelhaften Entscheidungen ist lang. Sie reicht von den zu langen Wartezeiten, der Schließung der Kreißsäle in den Tälern über die Unzulänglichkeiten in der Ersten Hilfe bis hin zur Unterbringung der Flüchtlinge.

Einige Kritik mag gerechtfertigt sein, andere hingegen ist ein Kind typisch Südtiroler Scheinheiligkeit. Aufgrund sinkender Geburtenraten und erhöhter, vorgeschriebener Sicherheitsstandards ließen sich im Land nicht alle Kreißsäle halten. Ebenfalls aufgrund gesetzlicher Bestimmungen hat auch Südtirol seinen Anteil an der Beherbergung von Flüchtlingen und Asylsuchenden zu übernehmen. Auch für die langen Wartezeiten und der oftmals unbefriedigend funktionierenden Zusammenarbeit zwischen Hausärzten, Ersten Hilfen und Krankenhäusern kann man Martha Stocker nicht alleine verantwortlich machen. Natürlich steht die Landesrätin an der Spitze der Landesgesundheit und muss auch Verantwortung übernehmen. Aber gerade Insider wissen genau, wie komplex und wie schwer das heimische Gesundheitswesen zu managen ist und wie oft es einem Minenfeld gleicht.

svp

Neben Experten mischen alle regierenden politischen Parteien sowie die ganzen Gewerkschaften der einzelnen Berufskategorien bei jeder Reform mit. Überlagert wird das Ganze dann auch noch vom ewigen Kräftemessen zwischen dem „italienischen“ Bozen und der „deutschen“ Peripherie. Jede Landesrätin, die nicht über genügend Rückhalt und Standfestigkeit verfügt, riskiert, zwischen diesen Rädern zermalmt zu werden.

Es ist leichter zu kritisieren, als im sicherlich schwierigsten Landesresort etwas zu verbessern. Verantwortliche, die Einsparungen vornehmen und Veränderungen erzwingen müssen, sind nicht zu beneiden. Eine Politikerin wird in einem solchen Umfeld wenig Lorbeeren ernten und viele Prügel einstecken. So gesehen ist der Abgang von Martha Stocker keine Überraschung.

Ihr Nachfolger oder ihre Nachfolgerin im Amt wird viel Können und noch mehr ein glückliches Händchen brauchen. Ihre Kritiker hingegen, von denen die meisten kaum je Verantwortung im Rahmen eines Sozial- und Gesundheitsresorts übernehmen werden müssen, sollten lieber einmal kurz innehalten und nachdenken, anstatt bei jeder Gelegenheit auf die Landesrätin einzudreschen.

Von: ka

Bezirk: Bozen