Von: apa
Mit per- und polyfluorierten Alkylsubstanzen (PFAS) wird die Geschichte der Umweltgifte gerade um ein größeres Kapitel erweitert. Begonnen hat es wie eine Erfolgsstory, als mit PTFE in den 1940er-Jahren der erste Spross der inzwischen stark angewachsenen PFAS-Familie patentiert wurde – damit beschichtete Antihaft-Pfannen wurden bald zum Verkaufsschlager. Tausende PFAS-Verbindungen später stehen die einst innovativen chemischen Stoffe als “Ewigkeitschemikalien” unter Beschuss.
Es sind die guten Eigenschaften der PFAS, die sie so mannigfaltig einsetzbar machen. Sie sorgen für wasser-, fett- oder schmutzabweisende Oberflächen und weisen dazu noch eine hohe Temperatur- und Chemikalienbeständigkeit auf. Und wegen dieser Eigenschaften finden oder fanden sie sich in Produkten wie Fast-Food-Verpackungen, Outdoor-Kleidung, Imprägnierungen, Löschschaum oder im Bauwesen, vielen Elektronikbauteilen aber auch in Wärmepumpen oder Windrädern wieder – ebenso kann Klärschlamm PFAS enthalten, wie es auch zunehmend PFAS-haltige Pestizide gibt.
Neben den zahlreichen Anwendungsmöglichkeiten offenbarten die Chemikalien mit der Zeit ihre nicht geringen unerwünschten Nebeneffekte auf die Gesundheit von Mensch und Tier. Diese zählt die Agentur für Ernährungssicherheit (AGES) auf ihrer Online-Präsenz auf. Genannt werden da “eine verminderte Immunantwort auf Impfungen, erhöhte Cholesterinwerte, entwicklungstoxische Effekte beim ungeborenen Kind wie eine verzögerte Entwicklung der Milchdrüse und geringeres Geburtsgewicht, sowie die Entwicklung von Nieren- und Hodenkrebs bei Erwachsenen.” Immerhin sei die giftige Wirkung aufgrund “einer kurzfristigen hohen Aufnahme (akute Toxizität)” gering.
Umdenken in der Bewertung von Chemikalien gefordert
In der EU sind inzwischen einige PFAS-Untergruppen bereits verboten oder eingeschränkt worden. Doch es stellt sich die Frage, warum sie trotz ihrer innewohnenden Eigenschaften überhaupt je zugelassen worden sind. “Neue Verbindungen werden in der Regel hinsichtlich ihrer akuten Toxizität eingestuft – nicht in Bezug auf ihre Langlebigkeit. Doch die Folgen durch chronische, langfristige Dosen in geringfügigen Konzentrationen können wir nur sehr schwer, oft erst Jahrzehnte später abschätzen”, lautet dazu die Antwort von Thilo Hofmann gegenüber “Rudolphina”, dem Wissenschaftsmagazin der Universität Wien. Der Umweltgeowissenschafter tritt für ein Umdenken in der Bewertung von Chemikalien insgesamt ein, nachdem PFAS nicht die ersten künstlich hergestellten Chemikalien waren, die mit der Zeit von einer Lösung zu einem Problem mutiert sind.
Trotz zahlreicher wissenschaftlicher Studien zu PFAS sind die Gesundheitsrisiken noch nicht ausreichend erforscht, werden aber etwa von der WHO überprüft. Untersucht werden die gesundheitlichen Auswirkungen dieser chemischen Verbindungen, wenn sie etwa über die Nahrung aufgenommen werden, um eine Methodik zur Risikobewertung und in weiterer Folge gesundheitsbasierte Richtwerte zu entwickelt, kündigte UNO-Weltgesundheitsorganisation im Mai auf ihrer Online-Präsenz an.
Halbwertszeit im Jahresbereich
Vermeiden lässt sich der Kontakt mit den Vertretern der PFAS-Gruppe nicht nur wegen ihrem Vorkommen in zahlreichen Produkten kaum und diese sind zudem mangels einer Kennzeichnungspflicht auch nicht gleich als PFAS-haltig zu erkennen. Aufgenommen werden die Chemikalien zwar vor allem über die Nahrung, aber auch über Haut, Atmung und nicht zuletzt über Flüssigkeiten. Und jetzt kommt der Begriff “Ewigkeitschemikalie” ins Spiel, denn egal ob es sich um kurz- oder langkettige PFAS handelt, beide glänzen auf negative Weise durch ihre Beständigkeit. Die längeren Kohlenstoffverbindungen, die teilweise verboten sind, finden sich eher in unseren Organen wieder, während sich die meist neueren, kürzeren eher Richtung Grundwasser bewegen – um von dort dann wieder in die Nahrungskette zurückzukehren.
In einem im Vorjahr vom Klimaschutzministerium publizierten “PFAS-Aktionsplan” wurde unter anderem auf Trifluoressigsäure bzw. Trifluoracetat (TFA) hingewiesen, “das letzte Abbauprodukt” vieler PFAS – wie etwa jenen, die in Pestiziden Anwendung finden. Das Problem: Auch TFA zählt zu der PFAS-Gruppe und präsentiert sich so als “stabil, schwer abbaubar und langlebig”. TFA scheint so fast allgegenwärtig, “wobei die Konzentrationen im Sommer aufgrund der photochemischen Aktivität in der Atmosphäre am höchsten sind”, heißt es im Aktionsplan.
Nachweis auch in der Antarktis
Auch das Umweltbundesamt stellte in einem “PFAS-Report” 2022 fest, dass diese Substanzen” weit über den Produktlebenszyklus hinaus in “Stoffströmen und im Ökosystem” verbleiben. Das hat im Laufe der Jahrzehnte dazu geführt, dass PFAS mehr oder weniger ein globales Problem sind – selbst in der Antarktis. Dort wies die Umweltschutzorganisation Greenpeace PFAS – früher auch PFC (per- und polyfluorierte Chemikalien) genannt – in mehreren Schneeproben nach. Die NGO ging davon aus, dass die PFAS über die Atmosphäre in die Region gelangt sind.
PFAS-Verunreinigungen wieder abzubauen erweist sich zumindest gegenwärtig noch als langwierig bis kaum unsetzbar – und teuer. Sie sind scheinbar “gekommen, um zu bleiben”, wie das deutsche Umweltbundesamt vor fünf Jahren in seinem Magazin “Schwerpunkt” festhielt. Und dieses Motto gilt auch für den Verbleib im Körper: Langkettige PFAS haben dort eine Halbwertszeit, die sich im Bereich von Jahren bewegt.
(S E R V I C E – Weitere Informationen zu PFAS bei der AGES (https://go.apa.at/J2dzV09w) und beim Umweltbundesamt (https://go.apa.at/nvmIjE4p).
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