Der Arzt steht in Wels vor Gericht

Prozess um Tod von Baby endet mit drei Monaten bedingt

Mittwoch, 07. August 2024 | 17:57 Uhr

Von: apa

Ein Gynäkologe aus dem Krankenhaus Vöcklabruck ist nach einer Entbindung, die mit dem Tod des Neugeborenen und einer Uterusruptur der Mutter endete, am Mittwoch vom Landesgericht Wels wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung zu drei Monaten bedingter Haft mit einer Probezeit auf drei Jahre verurteilt worden. Zudem muss er ein Teilschmerzensgeld von 2.500 Euro an die Patientin zahlen. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Bei der Entbindung im Dezember 2021 kam es zu einem Riss der Gebärmutter, der eine Notoperation notwendig machte. Das Baby starb wenige Tage nach der Geburt aufgrund der dabei erlittenen Gehirnschäden. Bei der Mutter kam es zu großem Blutverlust. Sie galt laut Staatsanwalt als Risikopatientin, weil bei ihrer ersten Entbindung im Jahr 2019 ein Notkaiserschnitt durchgeführt werden musste. Ursprünglich war auch für die zweite Entbindung ein Kaiserschnitt vorgesehen, die Patientin habe sich dann kurzfristig aber doch für eine natürliche Geburt entschieden, während des Geburtsvorgangs aber wieder eine Sectio verlangt.

Die Staatsanwaltschaft legte dem Arzt grob fahrlässige Tötung und grob fahrlässige Körperverletzung zur Last. Die Anklage wirft ihm mehrere Verstöße gegen die Sorgfaltspflicht vor, im Kern ein für die Risikopatientin gefährliches Medikament zur Geburtseinleitung verwendet und die Patientin darüber mangelhaft aufgeklärt zu haben. Der Arzt zeigte sich nicht geständig. Er bestreitet auch, dass ihm mitgeteilt worden sei, dass die Patientin sich zum Schluss doch zugunsten eines Kaiserschnitts umentschieden habe. Zum Finale des Prozesses war am Mittwoch die Mutter, die mittlerweile ein weiteres Baby bekommen hat, am Wort. Sie will nicht ausreichend aufgeklärt und nicht ernst genommen worden sein.

Sie leide seit dem Vorfall an schweren seelischen und körperlichen Schmerzen, sagte die Frau. Bei der fatalen Entbindung habe sie sich alleingelassen gefühlt. Laut ihren Angaben seien im Vorfeld ein Kaiserschnitt und eine natürliche Geburt vom Gynäkologen als gleichwertig eingestuft worden. Sie habe zunächst eher zum Kaiserschnitt tendiert. Als die Wehen einsetzten und alle Untersuchungen gut verliefen, entschied sie sich aber, es doch “normal” zu probieren. Nach der Gabe wehenfördernder Mittel habe sie jedoch starke Schmerzen bekommen und mehrmals eindringlich nach einem Kaiserschnitt verlangt. Die Hebamme habe allerdings sinngemäß gemeint: Es passt ja alles, Geburt verläuft gut, wir unterstützen Sie.

Der Verteidiger betonte, dass im Aufklärungsbogen, der von der Patientin unterschrieben wurde, explizit die Aufklärung zur vaginalen Geburt festgehalten worden sei, hier stehe handschriftlich: “Patientin über erhöhtes Risiko der Uterusruptur aufgeklärt”. Die Frau bestreitet dies. Das könne nicht stimmen, das sei sicher nicht dort gestanden, beteuerte sie.

“Der ursprünglich eingeschlagene Weg der Sectio wäre der bessere und risikoärmere Weg gewesen”, befand der medizinische Sachverständige, räumte aber auch ein: “Der Wunsch nach einer Vaginalgeburt hat bei vielen Frauen einen hohen Stellenwert.” Dennoch hätte man der Frau den Kaiserschnitt von vornherein als bessere Möglichkeit anbieten sie über das Risiko der vaginalen Geburt aufklären sollen – das sei aber nicht am Angeklagten gelegen. “Das hätte bei der Visite geschehen sollen. Die Frau muss wissen, worauf sie sich einlässt. Die Visite ist der Punkt, wo man Informationen übergibt oder bekommt.”

Prinzipiell halte er die Gabe des wehenfördernden Mittels nach einem zurückliegenden Kaiserschnitt für riskant, wisse aber auch, “dass es gemacht wird”, sagte der Gutachter. Im Wesentlichen sei die Betreuung der Patientin so wie üblich gewesen. “Man hätte die Möglichkeit einer Uterusruptur nicht übersehen dürfen”, allerdings: “Es schien die Geburt zum Greifen nahe. Ein sehr später Kaiserschnitt ist eines der riskantesten Manöver in der gesamten Geburtshilfe.” Immer wieder verwies er auf die “gelebte Praxis” im betreffenden Spital. Der Staatsanwalt wollte in diesem Spannungsfeld zwischen “Hausbrauch” und “internationalen Standards” wissen, ob Behandlungsfehler vorgelegen seien – was er aus dem schriftlichen Gutachten herausliest, in der mündlichen Befragung aber nicht beantwortet bekam. Fazit: Internationale Standards seien ignoriert, die Patientin nicht ausreichend aufgeklärt worden und der Arzt sei nicht ausreichend anwesend gewesen, sagte er in seinem Schlussplädoyer.

Der Verteidiger indes sah kein “schuldhaftes Verhalten” bei seinem Mandanten. Der Mediziner gelte als umsichtig und engagiert, leider habe er jedoch seine Anwesenheit in der Krankengeschichte nicht dokumentiert. Der Forderung nach einem Freispruch schloss sich auch der Angeklagte an.