Von: mk
Bozen – Die Schutzmasken aus China beschäftigt die Bozner Staatsanwaltschaft bereits seit Monaten. Anstatt von der Wohltat eines privaten Unternehmens zugunsten der Allgemeinheit geht die Anklage mittlerweile von einer „skrupellosen Verkaufsaktion“ aus, indem die medizinische Notlage durch die Pandemie ausgenutzt wurde. Dies berichtet die italienische Tageszeitung Alto Adige.
Bekanntlich wurde die Schutzausrüstung aus China zu Beginn der Pandemie erworben, die allerdings nicht den europäischen Sicherheitsvorschriften entsprach. Die Staatsanwaltschaft verfolgt derzeit mehrere Ermittlungsstränge.
Zuletzt hatten die Carabinieri der Sondereinheit NAS Durchsuchungen und Beschlagnahmen durchgeführt. Rund zehn Personen wurden ins Ermittlungsregister eingetragen. Im ersten Strang ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen den Generaldirektor des Sanitätsbetriebs, Florian Zerzer, und gegen den Geschäftsführer der Oberalp AG, Christoph Engl. Ihnen wird ein Verstoß gegen die Regeln zur Einfuhr von medizinischem Schutzmaterial vorgeworfen.
Im Rahmen des Beweissicherungsverfahrens hat Amtsgutachter Giovanni Stella die Schutzmasken als völlig ungeeignet bezeichnet – sowohl im Vergleich zu chirurgischen als auch zu FFP2-Masken. Er riet dazu, die importierten Schutzmasken als Sondermüll zu entsorgen.
In einem weiteren Ermittlungsstrang geht es um mutmaßliche Verunreinigung von Beweisen. Den Ermittlern zufolge wurden einem Labor in Deutschland Masken aus China zur Analyse vorgelegt, die für besseren Schutz als die anderen sorgten. In einem zweiten Fall soll sogar die Untersuchung von Schutzmasken veranlasst worden sein, die in Wahrheit niemals in Südtirol angekommen waren.
Sämtliche Überprüfungen sollen vom Sanitätsbetrieb in Auftrag gegeben und bezahlt worden sein. Der Rechtstreit konnte damit allerdings nicht beigelegt werden. Die unternehmerische Entscheidung wurde als unbedacht eingestuft, zumal sich der Sanitätsbetrieb nur an einen Lieferanten gewandt hat. Dies stellt zwar kein Vergehen dar. Die Ermittler gehen allerdings von Nachlässigkeiten aus. So seien bei der ersten Lieferung Geldmittel verwendet worden, ohne vorher einen Vertrag mit klaren Vorgaben abzuschließen.
Die Operation wurde am 13. März 2020 beschlossen. Drei Tage später hat die Oberalp AG das Geld nach China überwiesen. Erst am 17. März unterzeichnete der Sanitätsbetrieb einen Vertrag, der unter anderem auch Begünstigungen für den Transport der Masken mittels Flugzeug vorsah.
Bis heute hat die Oberal AG Auslagen von 30 Millionen Euro. Versuche, dem Unternehmen das Geld zukommen zu lassen, sind bislang gescheitert. Landeshauptmann Arno Kompatscher hat zuletzt zu Weihnachten betont, dass die öffentliche Verwaltung – und somit auch der Sanitätsbetrieb – stets korrekt und im öffentlichen Interesse gehandelt habe. Auch gegen Kompatscher wird formell ermittelt. Dieser wirkte allerdings stets gelassen, was die Untersuchung anbelangt – zumal er keinerlei Zuständigkeit beim Kauf von Schutzmaterial vonseiten des Sanitätsbetriebs innehatte.
Neben den strafrechtlich relevanten Fragen scheint sich nun auch der Rechnungshof für die Schutzmasken aus China zu interessieren – wegen mutmaßlicher Verschwendung von öffentlichen Geldmitteln. Dabei geht es unter anderem um eine E-Mail, die am 23. März 2020 verschickt worden sein soll. Marc Kaufmann, Primar der Südtiroler Notfallmedizin, soll offenbar aus Versehen eine falsche Anzahl von Schutzanzügen angegeben haben, die benötigt wurden. Statt 50.000 sollen 400.000 Schutzanzüge bestellt worden sein. Dies habe laut Vorwurf zu einer ungerechtfertigten Ausgabe von zehn Millionen Euro geführt.