Von: mk
Bozen – Es ist der 11. Juni, 11.00 Uhr, auf dem Schweizer Militärflughafen Dübendorf, als der Airbus mit 35 Forschern aus aller Welt an Bord abhebt. Während des zweistündigen Flugs führt er 16 Parabelmanöver aus, das sind extreme Flugmanöver, bei denen im Sturzflug für jeweils 22 Sekunden im Flugzeuginneren die Erdanziehungskraft aufgehoben und eine Schwerelosigkeit wie im Weltall erzeugt wird. Die Flugmission findet in diesem Jahr zum vierten Mal statt. Sie wird einmal im Jahr von der Stiftung Swiss SkyLab Foundation organisiert, um die Forschung unter Weltraumbedingungen voranzutreiben. Unter den Forschern befanden sich dieses Mal auch zwei Mediziner von Eurac Research, Giacomo Strapazzon und Alessandro Forti. Sie führten Tests mit dem automatischen Herzdruckmassagegerät LUCAS3 durch, um zu verstehen, ob das Hilfsgerät auch bei Weltraummissionen eingesetzt werden kann und in Zukunft möglicherweise auch bei touristischen Weltraumflügen.
Bis der Airbus die Reiseflughöhe erreicht, sitzen die Forscher im Heck des Flugzeugs. Sobald der Startschuss aus dem Cockpit kommt, begeben sie sich in den Rumpf, der wie ein großes Labor aufgebaut ist, sichern sich mit Gurten und sind startbereit für ihre jeweiligen Experimente. Sie testen Pflanzen, Zellkulturen, technologische Geräte und körperliche Reaktionen im schwerelosen Zustand. Ähnliche Experimente werden an Bord der Internationalen Raumstation durchgeführt, allerdings zu wesentlich höheren Kosten, so dass sich auch die NASA und die Europäische Weltraumorganisation an diesen Parabelflügen beteiligen, um Materialien und Verfahren zu testen. Seit 2017 organisiert die Stiftung Swiss SkyLab Foundation gemeinsam mit der Universität Zürich einmal im Jahr einen solchen Parabelflug. Um einen Platz im Airbus bewarben sich die Forscher von Eurac Research vor mehr als zwei Jahren. In dieser Studie testeten sie die Wirksamkeit des Herzdruckmassagegeräts LUCAS3 in der Schwerelosigkeit, um zu beurteilen, ob es bei Weltraummissionen und zukünftigen suborbitalen Tourismusflügen eingesetzt werden kann. Dabei handelt es sich um ein Gerät, das die Mediziner von Eurac Research bereits unter extremen Bedingungen getestet haben, zum Beispiel bei der Flugrettung. Es hat sich als lebensrettendes Gerät erwiesen, wenn die Retter nicht in der Lage sind, die Herzdruckmassage auf herkömmliche Weise manuell durchzuführen.
Während des gesamten Fluges übte LUCAS3 mit gleichbleibendem Rhythmus und mit gleichmäßiger Kraft Druck auf den Brustkorb der Testpuppe aus. Die Forscher überprüften den Vorgang und passten die Position des Geräts an, wenn die Herzdruckmassage an Wirksamkeit verlor. Die Testpuppe ist mit Sensoren ausgestattet, die ein kontinuierliches Feedback über die Qualität der Herzdruckmassage geben. Nach Beendigung der Tests werden die Daten analysiert.
„Die NASA bestätigt, dass die manuelle Herzdruckmassage im Weltraum nicht effektiv ist. Derzeit gibt es keinen Nachweis der Wirksamkeit von automatischen Herzdruckmassagegeräten in einem anderen Schwerkraftzustand als dem auf der Erde“, erklärt Giacomo Strapazzon, stellvertretender Leiter des Instituts für Alpine Notfallmedizin von Eurac Research. Bei der Erforschung des Weltraums greifen die Wissenschaftler auf Techniken zurück, die am Boden in extremen Umgebungen und in großer Höhe eingesetzt werden. Aus diesem Grund sind einige Praktiken aus der alpinen Notfallmedizin auch auf Missionen im Weltraum anwendbar. „Wie in den Bergen kann Sauerstoffmangel auch bei gesunden und trainierten Menschen wie Astronauten Herzprobleme verursachen. Es ist zu erwarten, dass dieses Risiko größer wird, wenn künftig Weltraummissionen touristisch angeboten werden“, resümiert Strapazzon.