Zweisprachigkeit fördern und Dienste gewährleisten – ein Kommentar

Schwieriger Spagat

Donnerstag, 11. Januar 2024 | 00:06 Uhr

Bozen – Die Nachricht, dass die kommissarische Verwalterin des Sanitätsbetriebes, Irene Pechlaner, jenen 184 Ärzten und 224 Pflegekräften ohne Zweisprachigkeitsnachweis den Arbeitsvertrag nicht mehr verlängern will, ließ im neuen Jahr aufhorchen.

Der Südtiroler Schützenbund, der seit Jahren die mangelhafte Einhaltung der Zweisprachigkeitspflicht in Südtirols Spitälern kritisiert, stärkte der kommissarischen Verwalterin wenig überraschend den Rücken, aber bei genauerem Hinsehen wurde klar, dass die Vorgangsweise des Sanitätsbetriebs so nicht dieser „dramatischen Nachricht“ entspricht. Unter anderem werden keine Kündigungsschreiben verschickt.

Vielmehr gedenkt Irene Pechlaner, auf die 184 Ärzte und 224 Pflegekräfte, die derzeit mit befristetem Arbeitsvertrag angestellt sind, sanften Druck auszuüben, auf dass sie sich – endlich – dazu entschließen, ihre Zweisprachigkeit zu verbessern und den entsprechenden Nachweis zu erwerben, damit sie eine unbefristete Anstellung anstreben können. Zu Recht weist die kommissarische Verwalterin darauf hin, dass es bei der Zweisprachigkeit hapert und es nach dem Ende der Pandemie und den vielfältigen Kursangeboten des Betriebs keine Ausreden mehr geben kann. Eine Einzelfallprüfung durchzuführen, ist eine weise Entscheidung. Die Fälle von Angestellten, die auf einem „guten Weg“ sind, sind von den „Totalverweigerern“ klar abzugrenzen.

LPA/Dienststelle für die Zwei- und Dreisprachigkeitsprüfungen

Auf der anderen Seite gilt es, behutsam vorzugehen. Die Zeiten, als die Bewerber Schlange standen, um eine unbefristete Stelle zu erhalten, sind längst vorbei. Vielmehr ist um das gut ausgebildete Gesundheitspersonal ein europaweiter und teilweise sogar globaler Wettbewerb entbrannt. Nicht nur das nahe Ausland wie Österreich und die Schweiz, sondern auch Norwegen und sogar die Golfstaaten locken mit Gehältern und anderen Annehmlichkeiten, von denen die Südtiroler Gesundheitsangestellten – insbesondere die Pflegekräfte und die Angestellten der sanitätstechnischen Berufsbilder – oft kaum zu träumen wagen. Hohe Zugangshürden wie Zweisprachigkeit, Wettbewerbe und der Proporz sorgen zusammen mit mäßigen Gehältern und teilweise wenig attraktiven Arbeitszeiten dafür, dass der einheimische Sanitätsbetrieb nicht die besten Karten hat.

In den oberen Etagen des Betriebs und im Gesundheitsassessorat ist die Angst groß, sowohl Jungärzte und Abgänger der Claudiana als auch wertvolle erfahrene Fachkräfte an die Privatkliniken und an das Ausland zu verlieren. Zudem sorgt die Frage, wie die Boomer-Generation – in den nächsten Jahren werden beispielsweise Hunderte von Pflegekräften das Pensionsalter erreichen – zu ersetzen sei, für schlaflose Nächte.

Irene Pechlaner ist zuversichtlich, dass der schwierige Spagat zwischen Förderung der Zweisprachigkeit und Gewährleistung der Dienste zu schaffen sei. Dazu braucht sie aber auch die Unterstützung des Landes und des kommenden Gesundheitlandesrats.

In einem mehrsprachigen Land wie Südtirol darf von den Gesundheitsangestellten Zweisprachigkeit erwartet werden, aber wenn dies verlangt wird, muss allen auch bewusst sein, dass dies eine zusätzliche Hürde darstellt, die entsprechend geschätzt und entlohnt werden muss. Ansonsten kommt es zur famosen „Abstimmung mit den Füßen“.

Von: ka

Bezirk: Bozen

Kommentare
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Faktenchecker
4 Monate 4 Tage

Es wird Zeit, dass Südtirol Europäisch denkt und Babylon ad Acta legt.

N. G.
N. G.
Kinig
4 Monate 4 Tage

Wenn man sich ansieht wieviel Ätzte und Pflegekräfte verdienen kann der zugegebenermassen hohe Lebensstandard in Südtirol nicht der Grund für Abwanderung sein.

https://www.arzt-wirtschaft.de/finanzen/gehaltsvergleich-weltweit-deutschlands-aerzte-im-mittelfeld/#:~:text=Gehaltsunterschiede%20in%20Europa&text=%C3%96sterreich%20(94.600%20%E2%82%AC)%2C%20die,Durchschnitt%20liegt%20bei%2094.600%20%E2%82%AC.

Oder es ist die pure Gier!

Faktenchecker
4 Monate 4 Tage

NG Ich möchte nicht von einem Ätzter behandelt wedren.

Savonarola
4 Monate 3 Tage

diese Probleme werden mit den ital. Rechtsparteien in der Landesregierung demnächst der Vergangenheit angehören. Siamo in Italia, quindi basta che si parli italiano ☝️

Faktenchecker
4 Monate 1 Tag

Die Sprach-Apartheid ist Steinzeit.

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