Seit 1974 insgesamt 223 Personen in der Region verschwunden

Südtirols finstere Rätsel: Zehn Tote bis heute ohne Namen

Montag, 05. September 2016 | 12:19 Uhr

Bozen – Ein Toter ohne Kopf in einem Karton, ein Leichnam in einer Obstwiese mit einer mysteriösen Nachricht in der Tasche, menschliche Knochen im Wald verstreut: Diese sind nur drei aufsehenerregende und mysteriöse Fälle von insgesamt zehn Toten, die in Südtirol seit 1969 aufgefunden wurden und bis heute namenlos sind.

Laut einer Erhebung des Innenministeriums konnten 17 Leichen, die in Trentino-Südtirol gefunden wurden, bis heute nicht identifiziert werden, berichtet das Tagblatt Dolomiten.

Gemäß Bericht des gesamtstaatlichen Sonderkommissars für abgängige Personen in Rom, Vittorio Piscitelli, sind zudem im Trentino-Südtirol insgesamt 223 Personen im Zeitraum vom 1. Jänner 1974 bis 31. Dezember 2015 spurlos verschwunden.

Der spektakulärste Fall scheint in der ministeriellen Statistik gar nicht auf – möglicherweise, weil es sich zweifellos um ein Verbrechen handelt und nicht auszuschließen ist, dass die europaweit angestrengten Ermittlungen auch nach acht Jahren noch auf eine heiße Spur führen.

Am 22. Februar 2008 fanden zwei Bauarbeiter neben der Notspur der A22 auf der Höhe von Klausen den Leichnam eines etwa 30-jährigen Mannes – ohne Kopf, in Kauerstellung und fest mit braunem Klebeband umwickelt. Die Leiche befand sich in einem 90 mal 90 mal 50 Zentimeter großen Karton.

Der Kopf des Toten war fachmännisch abgetrennt worden – vermutlich, um eine Identifizierung zu verhindern.

Bislang keine Identität konnte auch einem rund 50-jährigen Mann zugewiesen werden, der am 14. Juli 2006 in einer Obstwiese in Marling neben der MeBo gefunden wurde. Der Mann wurde erschossen. Neben ihm fand man eine Pistole mit abgefeilter Matrikelnummer. In einer Tasche des Toten befand sich ein Zettel mit einer rätselhaften Botschaft, die aber dazu führte, dass die Ermittler eine Fremdeinwirkung ausschlossen.

Keinen Hinweis auf Todesursache und Identität entdeckten die Fahnder bislang im Fall der menschlichen Knochen, die am 28. Jänner 2011 zwischen Kardaun und Blumau im Gemeindegebiet von Völs gefunden wurden. Unter anderem wurden auch Sneakers der Marke „Dockers“ mit Größe 43sichergestellt. Die Ermittler klapperten über 200 Geschäfte ab, die solche Schuhe angeboten hatten. Nach die DNS der Knochen überprüft worden war, konnte ausgeschlossen werden, dass es sich bei dem Opfer um einen Vermissten aus Deutschland handelt.

Ganze 47 Jahre harrt unterdessen ein Mann, der zum Zeitpunkt seines Todes um die 50 Jahre alt gewesen sein dürfte, seiner Identifizierung. Eine ausländische Herkunft wird laut Innenministerium nicht ausgeschlossen. Der Tote wurde am 18. September 1969 in der Gilfenklamm bei Ratschings aufgefunden. Vier unbekannte Tote in der Region wurden hingegen aus der Etsch geborgen – drei im Trentino und einer in Südtirol im Gemeindgebiet von Neumarkt.

Seit die Möglichkeit existiert, DNS-Abgleiche durchzuführen, wird beim Fund menschlicher Überreste immer ein DNS-Profil erstellt und mit den Datenbanken der Polizei verglichen. Dort sind DNS-Profile von Abgängigen meist gespeichert, falls die Angehörigen Vermisstenanzeige erstattet haben und entsprechendes genetisches Material zur Verfügung steht.

Zu den Vermissten in Südtirol: Von 2012 bis heute sind laut Erhebungen des Regierungskommissariats 16 Personen vermisst – darunter vier minderjährige Ausländer. In 14 Fällen handelt es sich um Männer, in zwei um Frauen. Auf gesamtstaatlicher Ebene machen Männer rund 75 Prozent der vermissten Personen aus.

Heuer wurde in Südtirol bisher bereits 140 Mal eine Person als vermisst gemeldet, in manchen Fällen wurde die Abgängigkeit auch mehrmals gemeldet. Dabei handelt es sich um Personen, die aus unterschiedlichsten Gründen immer wieder abgängig sind und gesucht werden müssen, etwa aufgrund psychischer Probleme. 2015 kam es zu 222 Vermisstenmeldungen.

Von: mk

Bezirk: Bozen