Verteidiger Angelo Polo unterstreicht Benno Neumairs Persönlichkeitsstörung

Verteidigung: “Morde waren angekündigt”

Freitag, 18. November 2022 | 18:56 Uhr

Bozen – Nachdem im Prozess gegen Benno Neumair vor dem Schwurgericht in Bozen die Anklage sowie die Nebenklage ihre Schlussplädoyers ausgeführt hatten, schlug am Freitagnachmittag die Stunde der Verteidigung. Diese sprach sich für Nachsicht und gegen eine lebenslange Haft aus, es fehle an einem Motiv für einen kaltblütigen Mord. Ein Urteil soll am Samstag fallen.

Anwalt Angelo Polo begann sein Schlussplädoyer mit den Worten: “Mir gefällt Benno Neumair nicht.” Weder was er gemacht, noch wie er sich verhalten habe. Aber ihm gefalle auch nicht der stille Schmerz einer psychischen Krankheit oder wie die Medien Benno Neumair als Monster dargestellt hätten. Das Gericht und die Laienrichter forderte er in weiterer Folge auf, alles, was sie über seinen Mandanten außerhalb der Gerichtsmauern gelesen, gesehen und gehört haben, auszublenden.

Danach ging Polo vor allem auf die Persönlichkeitsstörung des 32-Jährigen ein und rekapitulierte die Kindheit von Benno Neumair. Kontrollverlust sei eine Folge von chronischem psychischen Stress. Benno Neumair könne den Impuls nicht kontrollieren, erklärte Polo. Die Morde an seinen Eltern seien aufgrund dieser Persönlichkeitsstörung angekündigt gewesen.

Die psychische Erkrankung des Angeklagten sei immer noch ein Stigma. Der Staatsanwaltschaft und den Nebenklägern warf er vor, ein Racheurteil zu fordern. Der Angeklagte verdiene ein Recht auf Heilung und keine ewige Strafe.

Der Verteidiger versuchte aufzuzeigen, dass sein Mandant eine geistige Störung habe. Diese sei ihm auf dem Weihnachtsfoto, wenige Tage vor der Tat, buchstäblich ins Gesicht geschrieben, meinte Polo. Die Tat sei schon länger in der Luft gelegen, meinte er. Es stelle sich die Frage, ob der Angeklagte böse oder verrückt sei.

Welchen Antrag die Verteidigung stellen wird, ist noch nicht klar. Anwalt Flavio Moccia wird sich dazu am Samstag äußern. Dann wird auch das Urteil erwartet.

Die Nebenklage hält Benno Neumair für schuldfähig. Die Staatsanwaltschaft hat am Freitag eine lebenslange Freiheitsstrafe gefordert.

Der Angeklagte wird beschuldigt, am 4. Jänner 2021 seine Eltern, beide Lehrer, ermordet und die Leichen beseitigt zu haben. Die leblosen Körper waren erst Wochen später und nach einer aufwendigen Suche im Flussbett der Etsch gefunden worden. Der Bozner hatte in Einvernahmen ein Geständnis abgelegt.

Einig sind sich die Gutachter darin, dass der Angeklagte unter psychischen Störungen leidet und auch heute noch gefährlich sei. Dies würden auch Vorfälle im Gefängnis zeigen. Er habe in der Zelle versucht, einen Mithäftling zu strangulieren.

Für den Ausgang des Verfahrens ist die Frage der Zurechnungsfähigkeit entscheidend. Dazu liegen gleich drei Gutachten von Sachverständigen vor, die zu völlig unterschiedlichen Schlüssen gelangen. Diese reichen von zurechnungsfähig bei beiden Taten über teilweise bei Verstand bis hin zu völlig unzurechnungsfähig.

Von: luk

Bezirk: Bozen