Von: mk
Bozen – Auch ausländischen Medien ist der Unterschied aufgefallen: Während Südtirol häufig in italienischen Statistiken als Klassenbester glänzt, ist die autonome Provinz ausgerechnet beim Impftempo Schlusslicht. Wie die ARD-Tagesschau berichtet, sind 45 Prozent der einheimischen Bevölkerung noch ohne Corona-Impfung. In Deutschland ruft das Verwunderung hervor.
Ähnlich schlecht wie Südtirol stehen im Vergleich unter anderem Sizilien und Kalabrien im Süden Italiens da. Auch Landeshauptmann Arno Kompatscher muss einräumen, dass Südtirol bei der Impfquote im gesamtstaatlichen Vergleich zurückliegt. Die Impfbereitschaft der Bevölkerung sei teilweise noch zu gering, betonte Kompatscher laut Tagesschau.
In Südtirol, wo vieles effizient läuft, ist die niedrige Impfquote keine Frage der Organisation. Anstatt dass die Bürger zum Impfen gehen, sorgt das Land etwa dafür, dass die Impfung zu den Bürgern kommt. Impfbusse halten seit Wochen auf auch in kleinen Gemeinden auf öffentlichen Plätzen und bieten Impfen im Vorbeigehen an.
“Sicher sind die Hardcore-Verweigerer keine Zielgruppe, denn die sind, glaube ich, unansprechbar”, erklärt Patrick Franzoni, Organisator der Impfkampagne in Südtirol, laut Tagesschau. Aber mit dem Bus gelinge es, die Zögerer und die Bequemen zu erreichen. Diejenigen, die zum Beispiel in der Gemeinde einkaufen gehen, hätten die Möglichkeit den Bus zu bemerken und sich nachher impfen zu lassen.
Doch gerade in Südtirol scheint es einen hohen Anteil an Impfgegnern zu geben – vor allem innerhalb der deutschsprachigen Bevölkerung. “Es ist so, dass die deutschsprachigen Südtirolerinnen und Südtiroler hauptsächlich deutschsprachige Medien konsumieren”, betont Kompatscher. In Deutschland und Österreich werde die Debatte heftiger geführt als in Italien und sei deshalb auch in Südtirol präsenter.
Rechtsanwältin Renate Holzeisen ist eine der Südtiroler Wortführerinnen in Sachen Impfskepsis. “Wir erleben jetzt eine Riesen-Feldstudie an der Gesamtbevölkerung und da ist es eigentlich Ausdruck einer sehr aufgeklärten Bevölkerung, dass sie hier aus meiner Sicht absolut begründete Skepsis zeigt”, erklärt Holzeisen laut Tagesschau. Argumente, die so oder ähnlich von vielen Impfgegnern bekannt sind, spielen in der italienischen Diskussion bislang eine eher geringe Rolle. Auch Holzeisen führt den Unterschied darauf zurück, dass Südtirol aufgrund der Zwei- und manchmal auch Dreisprachigkeit “eine enorm große Medienlandschaft” genieße, beginnend mit der deutschsprachigen.
Landeshauptmann Arno Kompatscher verweist außerdem auf die Tiroler Eigenwilligkeit: “Ich glaube, bei uns ist es noch gebündelt mit einer Haltung, die lautet: ‘Vorschreiben lasse ich mir schon gar nichts.’ Allein das Gefühl, hier wird man irgendwie zu etwas gedrängt, führt schon dazu, dass viele Menschen allergisch reagieren und sagen: ‘Ich bestimme schon noch selbst.'”
Der Charakterzug mag bei der Südtiroler Bevölkerung durchaus eine Rolle spielen. Dass die Impfskepsis in Südtirol groß ist, wusste man aber bereits vor Corona. Auch bei der Impfung gegen Masern hinkt Südtirol im italienweiten Vergleich nach. Seit Jahren lassen sich in Südtirol weniger als zehn Prozent gegen die Grippe impfen. Hätte das Land in Zusammenhang mit dieser Problematik bereits früher sensibilisierend gegengesteuert, würde vermutlich auch die Impfkampagne gegen Corona weniger schwerfällig verlaufen.